Viele Menschen merken gar nicht, dass ihr Körper den Alkohol langsamer verarbeitet, als sie ihn zu sich nehmen. Um den Alkohol von nur einem Glas Wein vollständig abzubauen, braucht der Körper etwa eine Stunde. Wird ihm mehr Alkohol zugeführt, kann das unangenehme Folgen haben: Schmerzen im Kopf und Übelkeit im Magen. Signale, dass der Weintrinker seine Grenzen überschritten hat.
Der »Kater«
Jeder kennt den Zustand: erst Benommenheit und Schwindel, dann dröhnende Kopfschmerzen, schließlich Erbrechen und moralische Zerknirschung – die »Rache« für erhöhten Alkoholgenuss am Abend zuvor. Der Volksmund nennt den Zustand »Kater«. Das Wort ist die Abkürzung für Katzenjammer. Der Katzenjammer nach ausgiebigem Weingenuss ist nicht deshalb weniger unangenehm, weil er durch ein kulturell angesehenes Getränk wie Wein verursacht wurde. Ihn möglichst rasch zu beenden ist der Wunsch eines jeden, der unter ihm leidet. Deshalb hat der »Kater« auch ein Gutes: Er lässt den Weintrinker die individuellen Grenzen seiner Alkoholverträglichkeit erkennen.
Ein Glas pro Stunde
Gut 90 Prozent des Alkohols, den der Mensch zu sich nimmt, wird durch die Leber abgebaut. Sie produziert ein Enzym namens ADH (Aldehyd-Dehydrogenase), das den Alkohol zuerst in den gefährlichen Acetaldehyd, danach in Essigsäure zerlegt. Diese wird vom Körper abgebaut und über den Darm ausgeschieden. Eine durchschnittliche Leber baut pro Stunde etwa 8 bis 10 Gramm Alkohol ab. Das entspricht etwa der Menge, die sich in einem Glas Wein befindet. Jedes Glas, das der Mensch mehr trinkt, kann von der Leber nicht sofort verarbeitet werden. Der Alkohol beziehungsweise der Acetaldehyd gelangt dann in den Blutkreislauf und wird in die stark durchbluteten Teile des Körpers transportiert, etwa in das Gehirn. Die Folgen sind Schwindel und Benommenheit.
Acetaldehyd
Die Kopfschmerzen entstehen durch Erhöhung des Flüssigkeitsdrucks im Gehirn. Der Acetaldehyd zirkuliert nämlich nicht nur im Blut. Wegen seiner guten Wasserlöslichkeit dringt er direkt ins Gewebe ein. Er erweitert die Gewebezellen, so dass diese Wasser freigeben – ähnlich wie bei einem ausgedrückten Schwamm. Der Mensch beginnt zu schwitzen. Der Entwässerungseffekt macht sich auch im Inneren bemerkbar, vor allem im gut durchbluteten Gehirn. Da das Wasser, das dort freigesetzt wird, nicht entweichen kann, entsteht Überdruck, der als Kopfschmerz wahrgenommen wird. Der hohe Gehalt an Acetaldehyd im Körper wird sogar gerochen: als »Alkoholfahne«.
Mann und Frau
Männer produzieren deutlich mehr ADH als Frauen und können den Alkohol schneller abbauen. Aus diesem Grund vertragen Frauen in aller Regel weniger Alkohol. Doch es gibt Ausnahmen. Neben ADH existiert nämlich ein weiteres Enzym, das Alkohol abbaut. Es heißt MEOS (mikrosomales Äthanol-oxydierendes System) und es verarbeitet normalerweise nur fünf Prozent der aufgenommenen Alkoholmenge. Durch häufigen Alkoholgenuss steigert sich dieses System jedoch – im Gegensatz zu ADH – und zwar bis auf 30 Prozent. Dennoch bleibt festzuhalten: Schon zwei Gläser Wein in einer Stunde überfordern den Organismus – gleich ob Mann oder Frau. Schaumwein und »Schorle« beschleunigen sogar den Übertritt von Alkohol ins Blut. Gleiches gilt für süße Weine. Bei Schaum- und Likörweinen sollten Weintrinker besonders vorsichtig sein.
Schwefel und Histamin
Zu hoher Alkoholgenuss ist die mit Abstand häufigste, aber nicht die einzige Ursache für Kopfschmerzen nach dem Weingenuss. Auch ein hoher Anteil an schwefliger Säure im Wein kann bei empfindlichen Menschen zu Kopfschmerzen führen. Allerdings ist der Prozentsatz der Menschen, die auf Schwefel reagieren, gering. Schwefel führt eher zu Bauchschmerzen, weil die schweflige Säure sich im sauren Magenmilieu wieder in ihre Bestandteile aufspalten kann. Histamin kann ebenfalls Kopfschmerzen hervorrufen. Es führt zu erhöhter Blutzirkulation, ähnlich wie bei Schwellungen nach einem Insektenstich. Histamin ist ein unerwünschtes Nebenprodukt beim biologischen Säureabbau, den viele Chardonnays und alle Rotweine durchmachen. Es tritt jedoch nur selten auf. Dann reichen sogar schon kleine Mengen Histamin (5 bis 8 Milligramm), um die Reaktionen hervorzurufen.
Tipps & Tricks: Den Kopfschmerz bekämpfen
Gegen Kopfschmerz und »Kater« gibt es ein Wundermittel: Acetylsalicylsäure. Sie ist der Wirkstoff vieler Kopfschmerztabletten. Einem »Kater« kann also vorgebeugt werden, wenn man vor dem Schlafengehen eine oder zwei Kopfschmerztabletten einnimmt, wie zum Beispiel Aspirin oder ASS. Als Brausetabletten erhöhen sie die Resorption der Acetylsalicylsäure. Ob die Einnahme von Fructose den Abbau des Alkohols beschleunigt, ist umstritten. Ist der »Kater« schon eingetreten, ist es meist zu spät für Tabletten. Der Magen kann sie dann nicht mehr verarbeiten. Übrigens: Nikotin während des Weingenusses verstärkt die Wirkungen des Alkohols. Dagegen ist es ratsam, dazwischen immer mal wieder ein Glas Wasser zu trinken, um den Alkoholkonsum etwas einzudämmen.