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Wein als Kapitalanlage

Grand Cru mit Dividende

Genuss hat seinen Wert. Und der Wert steigt, je mehr Menschen nach Genuss streben. Deshalb werden Weine der Welt nicht nur genossen, sondern auch gesammelt, um von ihrem steigenden Wert zu profitieren. Die besten von ihnen sind eine Art Blue Chips, die ihrem Besitzer stattliche Renditen bringen können – vorausgesetzt sie verstehen etwas von diesem Geschäft.

 

Die Preise für Wein sind in den letzten 20 Jahren stark gestiegen. Vor allem langlebige Spitzenweine haben im Preis kräftig zugelegt. Ihre Wertzuwächse übersteigen die Renditen festverzinslicher Wertpapiere deutlich. Einzelne Spitzenweine haben sogar eine stärkere Wertentwicklung erlebt als Aktien mancher erfolgreicher Unter nehmen. Angesichts dieser Tendenzen ist es kein Wunder, dass manche Weine zu begehrten Spekulationsobjekten geworden sind. Sie ziehen das Interesse von Menschen auf sich, die vorhaben, sie nie zu trinken. Diese Menschen betrachten Wein als ein Wertpapier, das sie eine Zeitlang behalten und dann wieder abstoßen, um den Gewinn zu realisieren. So kommt es, dass heute einige der besten Weine der Welt wie Blue Chips an der Börse gehandelt werden.

Klassiker Bordeaux

Die klassische Wein-Kapitalanlage ist der Bordeaux. Kein anderer Wein der Welt ist so begehrt wie er. Die weltweite Nachfrage nach Pétrus, Château Mouton-Rothschild und anderen erstklassifizierten Gewächsen hat deren Preise oft schon im ersten Jahr nach Freigabe um bis zu 100 Prozent steigen lassen. Die besten der zweitklassifizierten Weine, etwa Château Léoville-Las-Cases und Château Pichon Longueville de Lalande, erlebten nicht selten Wertsteigerungen von 50 Prozent. Erst Ende der 1990er Jahre ließ der Boom etwas nach. Die Erstnotierungen waren bereits so hoch, dass kaum mehr Spielraum für Preissteigerungen blieb.

Futures auf Wein

Der Erstkauf junger Bordeaux-Weine erfolgt per Subskription en primeur über Fachhändler. Das bedeutet: Der Anleger erwirbt den Wein, während dieser auf dem Château noch im Fass liegt. Genau genommen, kauft er nur Berechtigungsscheine für den späteren Erwerb. Denn die Châteaux geben ihre Weine erst nach knapp drei Jahren frei. Für die frühzeitige Zahlung und sein blindes Vertrauen in die Qualität kommt der Erwerber in den Genuss eines günstigen Preises. In der Börsensprache heißen diese Berechtigungsscheine „Futures“. Sie sind ihrerseits handelbar. Ihr Wert kann sich bei Auslieferung des Weins schon verdoppelt haben. Aber er kann natürlich auch fallen, wenn Wein oder Jahrgang den hohen Erwartungen nicht entsprechen. Jedenfalls ist es keine Seltenheit, dass manche Weine schon mehrfach den Besitzer gewechselt haben, bevor sie überhaupt ausgeliefert worden sind.

Jahrgang statt Château

Eine alte Weinhändlerregel lautet: In Bordeaux werden Jahrgänge verkauft, keine Weine. Mit anderen Worten: Das Renommee des Jahrgangs bestimmt maßgeblich die Wertentwicklung eines Weins. Die 1982er, 1986er und 1990er waren zum Beispiel Jahrgänge, bei denen Weininvestoren, die früh gekauft haben, voll auf ihre Kosten kamen. Die Qualität war exzellent, die Eröffnungspreise der Châteaux vergleichsweise niedrig. Binnen eines Jahres stiegen sie um nahezu 100 Prozent. In den 1990er Jahren war der Preis einiger 1982er sogar um fast 1000 Prozent geklettert. Doch es kann auch anders kommen. Die Jahrgänge 1995 und 1996 haben Anlegern beispielsweise wenig Freude bereitet, auch die der berühmten Châteaux. Der Kurs vieler verharrt noch immer auf dem hohen Ausgangsniveau. Beim 1997er haben Investoren, die früh gekauft haben, sogar verloren. Die Qualität des Jahrgangs wurde überschätzt. Die Preise sanken im Nachhinein. Freilich gibt es immer wieder einzelne Châteaux, die auch in kleinen Jahren gegen den Trend mit guten Qualitäten aufwarten. Sie aus der Masse der angebotenen Weine herauszufinden, ist der Ehrgeiz der Kapitalanleger.

Urteil der Experten

Da Bordeaux-Frühkäufer die Weine in der Regel nicht selbst probiert haben, sind sie auf Expertenurteile angewiesen. In der ersten Aprilwoche des auf die Lese folgenden Jahres öffnen die Bordelaiser Châteaux ihre Tore und bieten die jungen, noch unfertigen Weine Händlern und Kritikern zur Vorprobe an. Von deren Urteil hängt ab, zu welchem Preis der Wein „rauskommt“. Der bekannteste und einflussreichste dieser Weinkritiker ist der Amerikaner Robert Parker. Ein Wein, den er mit 99 oder gar 100 Punkten bewertet, verdoppelt binnen Tagesfrist seinen Preis. Eine Bewertung von unter 85 Punkten entspricht praktisch einem Verriss – zumindest bei den klassifizierten Bordeaux. Neben Parker, der seinen eigenen Weinbrief herausgibt („The Wine Advocate“) gibt es andere gute Verkoster, deren Beurteilungen in Weinfachzeitschriften nachzulesen sind. Für en-primeur-Käufer sind diese Beurteilungen wichtig.

Aufstieg der Kultweine

Die letzten zehn Jahre haben jedoch gezeigt, dass Spitzenweine anderer Regionen ebenfalls Spekulationspotential besitzen, wenn sie mindestens drei Kriterien erfüllen: Sie müssen ein hohes Prestige genießen. Sie müssen rar sein. Und sie müssen langlebig sein. Mit Weinen, die schnell reifen, lässt sich kein Geschäft machen. Wer genau prüft, wird schnell merken, dass diese Kriterien nur auf einen winzig kleinen Teil der Weine, die weltweit produziert werden, zutreffen: nämlich so genannte Kultweine. Der größte Teil dieser Kultweine kommt aus den Ländern der Neuen Welt. Vor allem in Kalifornien und Australien werden inzwischen Weine erzeugt, die den europäischen Hochgewächsen qualitativ nicht nachstehen. Entsprechend gesucht sind sie. Doch um mit ihnen Geld zu verdienen, braucht es weniger eine gute Zunge als gute Informationen über den Weinmarkt und eine gute Kenntnis der Beschaffungsmöglichkeiten. Auch in Europa entstehen immer wieder neue Kultweine: die großen Rotweine der Toskana und des Piemont zum Beispiel, dazu einige prestigeträchtige Spanier. Und selbst in Bordeaux gibt es unklassifizierte Weine, die gesuchter sind als die klassifizierten.

Worauf es beim Kauf und Verkauf ankommt

Der wichtigste Handelsplatz für hochwertige Weine ist die Auktion – egal ob Klassiker oder Kultwein. Über die Weinauktionshäuser Christie’s und Sotheby’s in London sowie ihre Ableger in Amerika, Asien und Australien wird schätzungsweise 90 Prozent des Handels mit langlebigen Spitzenweinen abgewickelt. Dazu kommen kleinere Auktionshäuser wie Butterfields (San Francisco), Wermuth (Zürich) sowie Koppe & Partner (Bremen). Ursprünglich gegründet, um Liebhabern alte, gereifte Weine anbieten zu können, kommen heute immer mehr junge Weine unter den Hammer, die von Kapitalanlegern frühzeitig abgestoßen werden, um Gewinne zu realisieren. Kapitalanleger müssen freilich wissen, dass beim Kauf ein Aufgeld von 10 Prozent zum Zuschlagpreis zu entrichten ist (bei einigen Auktionshäusern auch 15 Prozent). Dazu kommen eine (geringe) Lotgebühr und die Umsatzsteuer sowie Frachtkosten und Transportversicherung. Beim Verkauf ist ebenfalls eine Einlieferungsgebühr fällig, die zwischen 10 und 15 Prozent liegt. Alle Nebenkosten zusammengenommen können den Gewinn erheblich schmälern. Wein als Wertanlage lohnt also nur bei Weinen mit hohem Spekulationspotential. Bei Großflaschen und ungeöffneten Holzkisten erhöhen sich die Chancen des Verkaufs. Bei beschädigten Etiketten muss man mit Abschlägen rechnen.

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