Vorsicht Weihnachten! Spaßbremsen bei Aldi, Lidl & Co. im Regal

Barolo von Lidl
Barolo von Lidl
Wenn es berühmte Weine für kleines Geld gibt, dann steht Weihnachten vor der Tür. Toll, dass sich Menschen mit knappem Budget mal große Namen leisten können. Leider kann man Namen nicht trinken, sondern nur den Flascheninhalt. Und da hört der Spaß dann sehr schnell auf.

Wenn es berühm­te Wei­ne für klei­nes Geld gibt, dann steht Weih­nach­ten vor der Tür. Toll, dass sich Men­schen mit knap­pem Bud­get mal gro­ße Namen leis­ten kön­nen. Lei­der kann man Namen nicht trin­ken, son­dern nur den Fla­schen­in­halt. Und da hört der Spaß dann sehr schnell auf.

Lidl unterbietet sich selbst
Lidl unter­bie­tet sich selbst

Dass wie­der Weih­nach­ten ist, merkt man nicht nur an den Tan­nen­bäu­men, die die Men­schen nach Hau­se schlep­pen. Man erkennt es auch an den Son­der­an­ge­bo­ten für Wein.

Dis­coun­ter und Super­märk­te bie­ten alle Jah­re wie­der berühm­te Wei­ne für klei­nes Geld an, wobei das klei­ne Geld viel ist im Ver­gleich zu den 2,99 Euro, die der größ­te Teil der Wei­ne im Dau­er­sor­ti­ment kostet.

Aldi, Lidl, Norma, Netto – alle mit verunglückten Weihnachtsschnäppchen

Chateauneuf-du-Pape für 9,99 Euro
Cha­teau­neuf für 9,99 Euro

Aldi Nord bie­tet der­zeit einen Châteauneuf-du-Pape für unter zehn Euro feil – im Wein­fach­han­del kos­tet Châ­teau­neuf ab 20 Euro auf­wärts. Aldi Süd ist stolz dar­auf, einen Roten des berühm­ten Flo­ren­ti­ner Wein­hau­ses Fres­co­bal­di für 4,99 Euro anzu­bie­ten. Zwar han­delt es sich eine obsku­re Sangiovese-/Cabernet Sauvignon-Cuvée aus den end­lo­sen Wei­ten der Tos­ka­na. Aber der Name Fres­co­bal­di ver­leiht auch dem blas­ses­ten Rot­wein einen fei­er­li­chen Glanz. Der Lebensmittel-Discounter Nor­ma, bei dem nor­ma­ler­wei­se bei 3,99 Euro Schluss ist, lockt mit einer Gran Reser­va der Rioja-Kellerei Faus­ti­no, die für 55,96 Euro im Sech­ser­pack aus­ge­preist ist. Das ent­spricht genau 9,33 Euro pro Flasche.

Der Marken-Discounter Net­to, der zum gro­ßen Edeka-Imperium gehört, protzt die­ses Jahr mit einem veri­ta­blen Grand Cru Clas­sé aus Bor­deaux: dem 2011er Châ­teau Tal­bot für 54,99 Euro. Ob die Kun­den wohl ahnen, dass es meh­re­re Fach­händ­ler in Deutsch­land gibt, die die­sen Wein für acht Euro weni­ger anbie­ten? Wahr­schein­lich nicht.

Lidl unter­bie­tet sich selbst mit einem Baro­lo, der von 9,99 auf 6,99 Euro gesenkt wor­den ist. Mit­tel­mä­ßi­ge Baro­lo kos­ten min­des­tens 20 Euro, gute 35, die bes­ten mehr als 100 Euro. Toll, wenn Men­schen, die ger­ne Wein trin­ken, aber kei­ne Mil­lio­na­ri­os sind, mal die Chan­ce erhal­ten, die berühm­ten Namen der Wein­welt ken­nen­zu­ler­nen. Lei­der kann man Namen nicht trin­ken, son­dern nur das, was in der Fla­sche ist. Und das ist lei­der immer ernüchternd.

Der Abgang „eine einzige Katastrophe“

Frescobaldi 1300 für 4,99 Euro bei Aldi Süd
Fres­co­bal­di 1300 für 4,99 Euro

Neh­men wir den Lidl-Barolo: Die Far­be ist sehr hell, was durch­aus Nebbiolo-typisch ist. Das Duft­spek­trum liegt im Norm­be­reich: Herbst­blu­men, Moos, rote Früch­te. Damit hört der Spaß dann aber auch schon auf. Auf der Zun­ge ist der Wein mager, dünn und hat ein auf­fal­lend bit­te­res Tan­nin. Im Abgang ist er, wie der prol­li­ge TV Locken­kopf Atze Schrö­der kürz­lich par­odier­te, „eine ein­zi­ge Katastrophe“.

Wer mit die­sem Wein Weih­nach­ten fei­ern will, ist zu bemit­lei­den. Er wird zwar kei­ne Kopf­schmer­zen  bekom­men. Er wird den Wein nicht aus­spu­cken. Aber er wird danach nie mehr den Wunsch haben, einen Wein die­ses Namens trin­ken zu wol­len – da bin ich mir ziem­lich sicher.

Natür­lich legt der gele­gent­li­che Wein­trin­ker die Mess­lat­te nicht so hoch wie ein Con­nais­seur. Muss er auch nicht. Aber Spaß will er den­noch haben, oder wenigs­tens ein Aben­teu­er. So wie es Leu­te gibt, die ein­mal in einem Fer­ra­ri sit­zen möch­ten, wenn sie es sich schon nicht leis­ten kön­nen, ihn zu fah­ren, so gibt es Neu­gie­ri­ge, die mal sagen möch­ten: Baro­lo – kenn ich. Oder: Châ­teau­neuf – hab ich schon mal getrun­ken. Und da das Geld zu Weih­nach­ten locker sitzt, lässt man sich den Spaß was kos­ten. Man gönnt sich ja sonst nix.

Anruf beim Schutzkonsortium Barolo: alles rechtens

Spaß? Die weih­nacht­li­chen Son­der­of­fer­ten sind in Wirk­lich­keit nur eins: Spaß­brem­sen. 9,99 Euro für einen Abklatsch von Châteauneuf-du-Pape – das ist eine teu­er erkauf­te Ent­täu­schung. Ein ein­fa­cher Côtes-du-Rhône für regu­lä­re 8,50 Euro schmeckt bes­ser. Und 6,99 Euro für eine Kari­ka­tur von Baro­lo – raus­ge­schmis­se­nes Geld. Die BILD-Zeitung, selbst ernann­ter „Anwalt der klei­nen Leu­te“, schrieb über die­ses Schnäpp­chen: „Bes­ser als gedacht“. Ich weiß nicht, was der BILD-Reporter gedacht hat. Ich den­ke, die klei­nen Leu­te haben an einem Bar­do­li­no für nor­ma­le 5,99 Euro mehr Spaß als an einen ver­un­glück­ten Baro­lo für 6,99 Euro.

Barolo von Lidl
Baro­lo von Lidl

Übri­gens habe ich den Direk­tor des Schutz­kon­sor­ti­ums für Baro­lo im pie­mon­te­si­schen Alba ange­ru­fen und ihn nach dem Lidl-Wein gefragt. Der Direk­tor sag­te, ich sei nicht der Ers­te, der anrie­fe und wis­sen wol­le, ob mit die­sem Wein alles sei­ne Rich­tig­keit habe. Zäh­ne­knir­schend muss­te er zuge­ben, dass alles rech­tens sei. Zwar kos­te ein Liter Fass-Barolo heu­te zwi­schen 7 und 8 Euro. Aber die Han­dels­kel­le­rei A.VI.P., die den Lidl-Barolo abge­füllt habe, habe den Ver­trag über die Lie­fe­rung des Weins wahr­schein­lich schon vor drei oder vier Jah­ren geschlos­sen. Da herrsch­te Kri­se im Pie­mont. Fass­wa­re wur­de für unter vier Euro gehandelt.

Viele Weine sind im Fachhandel preiswerter

Ich fra­ge mich nur, wie so ein Wein die sen­so­ri­sche Prü­fung bestehen konn­te, die vor­ge­schrie­ben ist, damit ein Baro­lo sich so nen­nen darf und die DOCG erhält. Es scheint, dass die Mess­lat­te von der Prü­fungs­kom­mis­si­on so nied­rig gelegt wird, dass auch die Restmengen-Verwerter locker dar­über sprin­gen können.

Und noch eine inter­es­san­te Nach­richt für alle, die ihren Weih­nachts­wein unbe­dingt beim Dis­coun­ter kau­fen wol­len: Es gibt in deren Rega­len durch­aus seriö­se Trop­fen. Dies­mal weni­ger bei den Platz­hir­schen Lidl und Aldi, aber bei Net­to zum Bei­spiel. Moli­no di Grace aus dem Chi­an­ti Clas­si­co, Peter Leh­mann aus Aus­tra­li­en, Rust en Vre­de aus Süd­afri­ka, Tor­reven­to aus Ita­li­en, Mar­ques de Ris­cal aus Spa­ni­en, Mont Gras aus Chi­le – das sind Erzeu­ger, die für geho­be­ne Qua­li­tät ste­hen. Aller­dings sind deren Wei­ne im Wein­fach­han­del deut­lich bil­li­ger zu bekom­men. Bei Wein funk­tio­nie­ren die Dis­coun­ter nicht – zumin­dest bei den geho­be­nen Qua­li­tä­ten nicht.

8 Kommentare

  • Auf Grund Ihres Arti­kels tes­te­te ich den Cha­teau­neuf, ich hat­te ges­tern Abend eine gan­ze Fla­sche des 9,99€ Aldi Wei­nes getrun­ken. Nach etwa 2h offen sein, schmeck­te der ein­fach himmlisch!
    Bekom­me ich sonst Kopf­schmer­zen von gerin­ge­ren Men­gen Rot­weins, bin ich heu­te früh abso­lut Beschwer­de­frei. Es wird in den nächs­ten Tagen unbe­dingt nachgekauft.

  • Hal­lo Hr. Priewe,

    in einer Zwi­schen­über­schrift wird zwar auch der Dis­coun­ter Nor­ma benannt, fehlt dann aber mit erwäh­nung eines Beispiels.
    Den­noch habe ich damit auch kein Pro­blem. Seit der Dis­coun­ter, der frü­her ein­mal ordent­li­che Qua­li­tä­ten ordent­li­cher Kel­le­rei­en / Win­zer in sei­nen Son­der­ak­tio­nen ver­äus­ser­te, anschei­nend sein Ein­kaufs­ver­hal­ten stark geän­dert hat und zumeist auf Zwi­schen­ver­trie­be oder Gross­ab­fül­ler setzt, kommt hier schon seit gerau­mer Zeit nichts erwäh­nens­wer­tes mehr in die Gitterkörbe.
    Der Trend hier heißt, nur mei­ne Mei­nung, mehr Schein als sein, Haupt­sa­che schwe­re Fla­sche und ein den Main­stream / Gele­gen­heits­käu­fer anspre­chen­des Phantasie-Etikett.
    Mehr muss nicht sein, scha­de drum, vor­bei die Zei­ten da es Pog­gio Agren­tie­rA, Pog­gio del­le Quer­ce oder fair bepreis­tes aus dem Bor­deaux gab …

    Schnäpp­chen im Dis­coun­ter ist aus die­ser War­te eben nur eine Illu­si­on, dann lie­ber Fach­han­del oder Internet.

    Gruss
    Ralf S.

    • Das Bes­te ist immer noch den Wein direkt vom Erzeu­ger, also vom Win­zer, kaufen.
      Davon gibt es in Deutsch­land schließ­lich auch genug und es ist für jeden Geschmack etwas dabei.
      Auch für die Wein­ge­nie­ßer, die bis­her ger­ne Wei­ne aus Frank­reich, Ita­li­en, Spa­ni­en oder Über­see trinken.
      Und man muss noch nicht ein­mal in einem Wein­an­bau­ge­biet woh­nen und einen Win­zer in der Nach­bar­schaft haben um in die­sen Genuss zu kom­men. Die meis­ten Win­zer prä­sen­tie­ren ihre Wei­ne auch außer­halb ihres Wein­gu­tes auf zahl­rei­chen Ver­an­stal­tun­gen und bie­ten Kost­pro­ben an oder beschrei­ben ihre Wei­ne aus­führ­lich im Inter­net. Bestel­lun­gen wer­den ver­sandt oder oft auch per­sön­lich zum Kun­den geliefert.
      Somit erhält man einen Wein, den man per­sön­lich pro­biert und für gut befun­den hat mit tol­lem Ser­vice und zu einem ver­nünf­ti­gen Preis-Leistungsverhältnis und erlebt garan­tiert kei­ne Enttäuschung!
      Nicht nur an den Weihnachtsfeiertagen.

    • Fehlt nicht, wur­de nur offen­bar über­le­sen: “Der Lebensmittel-Discounter Nor­ma, bei dem norma­ler­weise bei 3,99 Euro Schluss ist, lockt mit einer Gran Reser­va der Rioja-Kellerei Faus­tino, die für 55,96 Euro im Sech­ser­pack ausge­preist ist. Das ent­spricht genau 9,33 Euro pro Flasche.”
      Schö­nen Gruß, Peter Mösslacher

    • Das glei­che Ver­hal­ten habe ich auch fest­ge­stellt, bei Nor­ma habe ich schon mehr­mals rich­tig gute Wei­ne für klei­nes Geld bekom­men. Das ist ein­deu­tig vor­bei, man soll­te sich nicht von irgend­wel­chen Eti­ket­ten und oder beson­de­ren Prei­sen beein­dru­cken lassen.

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