Vorsicht Spargelwein: Was drin ist, weiß nur der liebe Gott

Jens Priewe isst gerne Spargel. Aber was trinkt er zu dem edlen Gemüse? Auf keinen Fall „Spargelwein“.

Soviel vor­weg: Es gibt kei­nen Spar­gel­wein. Spar­gel­wein ist eine Erfin­dung ver­kaufs­tüch­ti­ger Win­zer und Wein­händ­ler (ähn­lich wie der Valen­tins­tag eine Erfin­dung des Blu­men­han­dels ist). Weil Spar­gel rela­tiv teu­er ist und nur sai­so­nal ange­bo­ten wird, mei­nen die Leu­te, man müs­se die Ankunft des edlen Gemü­ses auch mit einem edlen Getränk begie­ßen. Unsinn. Spar­gel schmeckt auch zu einem Pils. Wenn man aber Wein zu ihm trinkt, kommt es sehr dar­auf an, wie der Spar­gel zube­rei­tet ist. Ob Schin­ken dazu gereicht wird oder ein Kalbs­fi­let, grü­ne Sau­ce oder gehack­tes Ei, Sau­ce Hol­lan­dai­se oder ein­fach geschmol­ze­ne But­ter oder sonst etwas. Ent­spre­chend varia­bel muss man beim Wein sein. Zu grü­ner Sau­ce passt ein Sau­vi­gnon Blanc sehr gut, zu flüs­si­ger But­ter ein Char­don­nay, zu Kalb ein gereif­ter Grü­ner Velt­li­ner, zu Schin­ken eine Scheu­re­be, zu Peter­si­li­en­kar­tof­feln ein Sil­va­ner, zur Hol­lan­dai­se ein…ach, alles Mög­li­che. Selbst­ver­ständ­lich las­sen sich auch aus­län­di­sche Wei­ne mit Spar­gel kom­bi­nie­ren. Die ein­zi­ge Ver­dikt ist Rot­wein. Der passt zu Spar­gel wie Ketch­up zur Aus­ter.

Die Klassiker: Silvaner und Grüner Veltliner

Oft wird gesagt, Sil­va­ner und Grü­ner Velt­li­ner sei­en jene Weiß­wei­ne, die am bes­ten zu Spar­gel pas­sen. Nicht ganz abwe­gig. Bei­de las­sen sich ziem­lich gut mit wei­ßem Spar­gel an, weil sie nicht so domi­nant sind. Wei­ne, die zu aro­ma­tisch aus­fal­len, töten näm­lich den fei­nen, süß­li­chen Spar­gel­ge­schmack. Aus die­sem Grun­de trin­ke ich zum Bei­spiel nie Ries­ling zum Spar­gel. Gegen die kräf­ti­ge Kräu­ter­wür­ze eines Ries­lings kommt der Spar­gel nicht an. Und die Säu­re – wie soll sie mit But­ter, Eigelb har­mo­ni­sie­ren? Man­che mei­nen, dass des­halb ein Weiß­bur­gun­der, etwa aus der Pfalz oder aus Rhein­hes­sen, die opti­ma­le Lösung sei. Es gibt zwar kei­ne Geschmacks­po­li­zei in Deutsch­land. Aber mei­ner Mei­nung nach ist ein deut­sche Weiß­bur­gun­der zu fruch­tig. Sei­ne Pfirsich- und Apri­ko­sen­no­ten pas­sen nicht recht zur mil­den Aspa­ra­gus­säu­re, die den beson­de­ren Geschmack des wei­ßen Gemü­ses aus­macht. Eher schon ein Grau­bur­gun­der, wenn er nicht zu säu­re­be­tont ist. Oder ein Gut­edel aus dem süd­li­chen Baden. Über­haupt soll­ten sich Spar­gel­es­ser von der Vor­stel­lung lösen, dass unbe­dingt ein teu­rer, kör­per­rei­cher Wein auf den Tisch muss, wenn es Spar­gel gibt. Im Gegen­teil: ele­gan­te, leich­te, im Geschmack zurück­hal­ten­de Wei­ne sind für das edle Früh­jahr­ge­mü­se eher ange­zeigt.

Manchmal darf es auch ein reifer Chardonnay sein

Natür­lich kommt kei­ner ins Gefäng­nis, weil er den fal­schen Wein zum Spar­gel trinkt und dabei erwischt wird. Sonst säße ich wahr­schein­lich selbst schon im Knast. Zu Spar­gel mit zer­las­se­ner But­ter und jun­gen Kar­tof­feln, der wohl ein­fachs­ten Vari­an­te eines Spar­gel­ge­richts, hole ich regel­mä­ßig einen gereif­ten wei­ßen Bur­gun­der aus dem Kel­ler: mal einen Chassagne-Montrachet, mal einen Chab­lis, mal einen Meur­s­ault oder einen Pouil­ly Fuis­sé. Kein ganz bil­li­ges Ver­gnü­gen. Doch die Wei­ne pas­sen, auch wenn die Geschmacks­ex­per­ten die­ser Welt die Kom­bi­na­ti­on für ziem­lich unmög­lich hal­ten. Die But­ter (und mehr noch die Hol­lan­dai­se) ist eine „schwe­re“ Sau­ce, die einen sub­stan­ti­el­len Wein als Gegen­part braucht. Und die fei­nen Petrol­no­ten, die ein guter bur­gun­di­scher Char­don­nay im Lau­fe der Jah­re ent­wi­ckelt, neh­men den Geschmack der But­ter wie­der auf.

Auch Müller-Thurgau möglich

Ansons­ten plä­die­re ich für ein­fa­che Wei­ne. Auch der viel geschmäh­te Müller-Thurgau kann, wenn er gut gemacht ist, den Spar­gel her­vor­ra­gend ergän­zen. Aber bit­te nicht die erst­bes­ten aus dem Super­markt­re­gal. Weit­ge­hend tro­cken soll­te er sein, frisch (das heißt: aus dem 2020er Jahr­gang) und blass gelb in der Far­be, auf kei­nen Fall gold­gelb. Gold­gel­ber Wein steht für jenen „Spar­gel­wein“, der in Bran­chen­krei­sen beschrie­ben wie sonst die Wurst: Was drin ist, weiß nur der Metz­ger und der lie­be Gott. Ver­mu­tun­gen zufol­ge besteht ein sol­cher „Spar­gel­wein“ zu unge­fähr 60 Pro­zent eines mög­lichst wäss­ri­gen Weiß­weins aus aktu­el­lem Jahr­gang, zu 30 Pro­zent eines älte­ren dün­nen Weins, der in irgend­ei­nem Tank der abfül­len­den Kel­le­rei ver­ges­sen wur­de, dazu 5 Pro­zent Süß­re­ser­ve und aus 5 Pro­zent unver­kauf­ten Res­ten des vor­jäh­ri­gen “Spar­gel­weins”. Cheers!

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