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Viré-Clessé – der etwas andere Burgunder

Es muss nicht immer Riesling sein. Oder Grauburgunder. Oder Müller. Auch Deutschlands Nachbar Frankreich hat Gutes zu bieten, nicht nur beim Rotwein. Ich habe zum Beispiel im südlichen Burgund einen Weißwein gefunden, wie es ihn in Deutschland nicht gibt und nie geben wird. Es ist ein Viré-Clessé AOP, und er ist nicht nur gut, sondern ausgesprochen gut. Der Untergrund, auf dem er wächst, besteht aus gold-gelbem Jura-Kalk – eine Bodenformation, die nur im Mâconnais existiert. Dieses Terroir verleiht dem Wein eine kräftige, würzige Note, was für einen Chardonnay eher ungewöhnlich, für das Mâconnais hingegen ganz normal ist. Ausserdem sind im südlichsten Zipfel des Burgund die Temperaturen höher als an der nördlicheren, ungleich berühmteren Côte de Beaune. Auch das spielt eine Rolle.

So einen Wein gibt es nicht in Deutschland

Jean-Pierre Michel
Jean-Pierre Michel

Der Viré-Clessé, von dem hier die Rede ist, kommt aus einer besonders guten Lage. Sur le calcaire steht auf dem Etikett. Der Winzer Jean-Pierre Michel würde, wenn man ihn ließe, einen langen Vortrag halten über sein Terroir, was beweist, dass der Etikettenhinweis eher allgemein, ja minimalistisch gehalten ist. Kalkböden finden sich praktisch überall im Burgund. Aber jeder Kalkboden hat seine eigene Zusammensetzung und prägt den Wein auf andere Weise. Wer diesen Wein kostet, wird rasch merken, dass er etwas weniger mineralisch ist als die Weine von Puligny-Montrachet und von Meursault zum Beispiel, die ambitionierten Weintrinkern als Inbegriff der burgundischen Weißweine gelten. Sind sie ja auch. Aber die besseren Qualitäten dort fangen bei 70 Euro an und gehen, seit die ganze Welt nach ihnen giert, bis in den vierstelligen Bereich.

Eine Alternative zu den Weinen der Côte de Beaune

Der Viré-Clessé hat, zugegeben, nicht die extreme Finesse dieser Weinikonen. Aber er kostet auch nur einen Bruchteil der Gewächse von der Côte de Beaune. Und ohne Finesse ist er keineswegs. Monsieur Michel beschreibt ihn als puissant und riche, was man mit kräftig und üppig übersetzen könnte. Er wurde – ganz unburgundisch – im Edelstahltank vergoren, hat dort lange auf der Hefe gelegen und ist entsprechend weich und cremig am Gaumen. Ein feinduftiger, nach Zitrusfrucht, Kräutern und Austernschalen schmeckender Wein, den ich persönlich erst nächstes Jahr öffnen würde, den ich aber auch schon dieses Jahr mit größtem Vergnügen genossen habe. Er beweist, dass auch die kleinen, nur wenigen Experten bekannten Appellationen wie Viré-Clessé ausgezeichnete Qualitäten hervorbringen können.

Viré-Clessé ist nicht auf Rosen gebettet

Lese in Viré-Clessé
Lese in Viré-Clessé

Übrigens sind die Winzer im Mâconnais nicht auf Rosen gebettet wie ihre Kollegen in Beaune. Sie schuften selbst in den Weinbergen freuen sich, wenn Besucher vorbeikommen und ihre Weine verkosten möchten. Zumindest ist das bei Monsieur Michel und seiner Frau Sylvie der Fall. Ihr Weingut liegt in dem Dörfchen Quintaine südlich von Tournus. Die Architektur ist nicht spektakulär, und Jean-Pierre kein Star. Aber die Leute, die zu ihm kommen, wollen nicht das Weingut kaufen, sondern nur ein paar Fläschlein. Und denen erzählt Jean-Pierre, dass die Wahrheit nicht im Weingut, sondern im Weinberg liegt. Übrigens gibt es einen kleinen, auf französische Weine spezialisierten Importeur in Mettman, der die Weine der Domaine anbietet.


2015 Viré-Clessé „Sur le Calcaire“ | Domaine Jean-Pierre Michel, Quintaine
Preis: 22,50 Euro
Bezug: www.vandermeulen-wein.de


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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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