Vier Tote hat eine Wasser- und Schlammlawine gefordert, die Anfang August im norditalienischen Prosecco-Anbaugebiet niedergegangen ist. Das Flüsschen Liera war nach anhaltenden Regenfällen so stark angeschwollen, dass eine drei Meter hohe Wasserwand plötzlich talwärts schoss in Richtung des Dorfes Refrontolo. 90 Menschen, die in einem Festzelt bei Molino della Croda an langen Tischen beim Essen sassen, wurden von den Wassermassen überrascht und fortgespült. Vier Männer konnten später nur noch tot geborgen werden.
Die Katastrophe hat in ganz Italien eine heftige Diskussion über Weinbau und Landschaftsschutz ausgelöst. Umweltschützer beklagen, dass an vielen Stellen der Prosecco-Zone Wälder und Gehölze eingeschlagen wurden, um Platz für Weinberge zu schaffen. Die Forstverwaltung von Treviso habe in den letzten Jahren vier Fälle von illegaler Waldrodung dokumentiert, berichtet die Tageszeitung Corriere della Sera. Es fällt das Wort „Prosecco-Gate“. Ein Hektar Prosecco-Weinberg hat einen Wert zwischen 300 000 und 600 000 Euro.
Umweltschützern ist der weltweite Prosecco-Boom schon lange ein Dorn im Auge. Sie protestieren gegen die „Industrialisierung des Prosecco“ und werfen den Winzern vor, viele Hügel maschinengerecht umzugestalten, um sie leichter bearbeiten zu können.
Die Prosecco-Produzenten wehren sich gegen diese Vorwürfe. Zwar habe sich die Weinbergsfläche gerade in Refrontolo, wo das Unglück geschah, in den letzten 40 Jahren nahezu verdoppelt. Doch die Terrassierung diene der Stabilität der Hügel, und die Drainage des Erdreichs verhindere eher die Abschwemmung bei Regen,als dass sie sie fördere. „Weinberge sind eine Versicherung gegen Muren“, argumentiert Innocente Nardi, Präsident des Schutzkonsorziums Prosecco, der Vereinigung aller Prosecco-Winzer. „Ein terrassierter Weinberg hat die gleiche Wasserhaltekraft wie ein wild wachsender Wald.“
Inzwischen untersucht die Staatsanwaltschaft die Ursachen für das Unglück. Unstrittig ist, es in den letzten Jahren schon Hunderte von kleinen Muren und Überschwemmungen in der Prosecco-Zone registriert wurden. Luca Zaia, Regierungspräsident Venetiens, ist jedoch überzeugt, dass ein anhaltender Starkregen wie die der von Anfang August nicht vorhersagbar sei. Flankiert wird er von dem Bürgermeister von Refrontolo: „Die ungeheuren Mengen an Wasser, die vom Himmel gefallen sind, sind die einzige und entscheidende Ursache für das tragische Unglück.“