Vie di Romans heisst das Weingut. Es befindet sich im Friaul. Erzeugt werden fast nur Weissweine: Chardonnay, Sauvignon, Malvasia und Pinot Grigio: insgesamt 300 000 Flaschen, alle im Premiumbereich und damit im gehobenen Preissegment (Preise: zwischen 25 und 28 Euro).
Obwohl es um die Weißweine des Friaul sehr ruhig geworden ist in den letzten Jahren, ist der Ruf von Vie di Romans stetig gestiegen. Die Nachfrage ist so groß, dass die Weine zugeteilt werden müssen.
Alkohol, Extrakt, Säure – hier passt alles
In zweierlei Hinsicht heben sich die Weine von Vie di Romans von der grossen Masse der friaulschen Weine ab: durch ihre enorme Ausdruckskraft und durch ihre Alterungsfähigkeit – Ihre Ausdruckskraft beziehen sie aus der Opulenz, die wiederum den mineralreichen Tonböden und dem verhältnismäßig warmen Klima geschuldet ist, das im Friaul herrscht.
Sie haben breite Schultern, sind üppig und schmelzig-fett. Der Alkoholgehalt pendelt zwischen 14 und 15 Vol.%. Das kann man mögen oder nicht. Aber wer standfest ist, wird durch Intensität und Vielfalt des Geschmack belohnt. Alkohol, Extrakt und Säure – bei den Weinen passt alles.
Gianfranco Gallo, der Inhaber, bezeichnet diese Stilistik als natürlichen Ausdruck seines Terroirs. Untergrund, Oberfläche, Klimaverläufe, Botanik – alles hat er wissenschaftlich untersuchen lassen. Ausserdem hat er 39 Lesen hinter sich: 1978 übernahm er Vie di Romans von seinem Vater. Der 2008er Chardonnay „Vie di Romans“ etwa zeigt weder Altersfirne noch Petrolnoten. Seine Primäraromen sind zwar verschwunden. Dafür prunkt er mit exotisch-würzigen Noten. Und seine Frische hat er behalten.
Jermanns „Dreams“ tut sich schwer gegen Vie di Romans
Ein Kult-Chardonnay wie Jermanns „Dreams“ dürfte es schwer haben gegen ihn. Andere italienische Chardonnays, die mit ihm auf Augenhöhe sind (etwa Lageders Löwengang, Antinoris Cervaro della Sala, Gajas Gaia&Rey) kommen von Terroirs, die völlig verschiedenen sind und entsprechend anders ausfallen.
Übrigens gilt das oben Gesagte auch für den zweiten Lagen-Chardonnay, den Gallo füllt. Er heisst „Ciampagnis“, ist etwas fruchtiger, temperamentvoller, öffnet sich früher, besitzt dafür nicht ganz das Gewicht des Chardonnay „Vie di Romans“. Wie alle Weißweine Gallos, wird auch er erst nach zwei Jahren freigegeben (statt nach einem, wie sonst üblich)
Alle Weinberge von Vie di Romans liegen im Isonzo, einer der 9 Unterzonen des Friaul. Das Isonzo ist ein optisch flaches Anbaugebiet. Die Böden dort sind weniger tiefgründig als in den bekannteren Herkunftsgebieten Collio und Colli Orientali, die gemeinhin als beste Unterzonen des Friaul gelten.
Doch die Optik täuscht. Der Untergrund besteht im Isonzo aus eisenhaltigem Ton, der von alluvionalem Kalk- und Sandstein durchsetzt ist und eine durchgängig rötliche Färbung aufweist. Der Humusanteil ist gering, die Wasserdurchlässigkeit hoch. „Hohe Erträge lassen sich dort nicht erzielen“ erklärt Gallo.
Auch die Sauvignons prunken mit ihrer Opulenz
Neben den beiden Chardonnays erzeugt Gianfranco Gallo zwei Lagen-Sauvignon: Vieris und Piere. Beide unterscheiden sich nur in Nuancen und sind ebenfalls stark gesucht. Mit den Sauvignon-Vorlieben deutscher Weintrinker sind sie wenig kompatibel (sofern diese Pfälzer und rheinhessische Sauvignons als Messlatte nehmen).
Schotige Paprika-Aromen sucht man bei ihnen vergebens, ebenso die „knackige“ (unreife) Säure. Beide sind nur mäßig aromatisch mit Holunder- und Quittennoten, dafür salzig wie Seetang. Ansonsten sind sie mindestens so üppig wie der Chardonnay. Auch ihr Alkoholgehalt liegt keinen Deut niedriger. Dass sie sich ebenso gut und lange auf der Flasche entwickeln, wage ich allerdings zu bezweifeln. Der 2009er Vieris hat nicht mehr viel Luft nach oben – vielleicht auch, weil er jahrgangsbedingt überladen und säurearm ist.
Der 1999er Piere zeigt – bei allem Respekt – erste Kochapfelnoten und duftet wie ein alter Cognac. „Fünf bis zehn Jahre – das ist normalerweise das ideale Alter für meine Weine“, sagt Gallo, was sehr ehrlich und für mediterrane Weissweine ja schon ganz beachtlich ist. Eine kleine Menge 2007er, 2008er und 2009er bietet er ab Weingut noch an, um die Langlebigkeit seiner Weine zu demonstrieren.
Weine für taffe Jungs und starke Mädels
Spannender fand ich persönlich zwei andere Weißweine aus dem Portfolio Gianfranco Gallos. Der verhalten aromatische, gelbfleischige „Dis Cumieris“, der zu hundert Prozent aus der Malvasia Istriana-Traube gewonnen wird und der mit seinem rustikalen Pomp wie ein Bauer in samtener Weste daherkommt. „Bester Austernwein“ sagt Gallo von ihm, was ich mir lebhaft vorstellen kann. Und der stoffige „Dessimis“, ein Pinot Grigio, aber nicht einer der kommerziellen Art, sondern mächtig ausladend mit kupferfarbener Tönung und großer Tiefe. Taffe Jungs und starke Mädels mögen sowas.
Der Coche-Dury Italiens?
Auch diese beiden Weine haben das Gewicht und die Struktur von Rotweinen mit allem, was dazu gehört: Fülle, Alkohol, Tiefe. Sie sind aber trotzdem Weißweine: in Tonneaux vergoren ohne biologischen Säureabbau und trotz ihres Gewichts elegant und nicht behäbig, was auch damit zusammenhängt, dass sie lange auf der Hefe gelegen haben und dadurch cremig-frisch wirken.
Diese Stilistik gilt für alle Weißen von Gianfranco Gallo, der deshalb schon mal der „Coche Dury Italiens“ genannt wird – was zwar schmeichelhaft, tatsächlich aber völlig deplaziert ist. Der Weinstil des Franzosen ist dem von Gallo geradezu entgegengesetzt. Außerdem wäre Coche-Dury glücklich, wenn er 300 000 Flaschen produzieren könnte, und Gallo froh, wenn er die Preise von Coche-Dury bekäme.
Die Weine
2016 Pinot Grigio „Dessimis“, Vie di Romans
stoffiger, hell zwiebelfarbener Wein, im Duft Kaiserbirne und Quitte, auf der Zunge leicht talgig-fett mit cremiger Frischenote: breit angelegter, im Inneren sehr feingliedriger Wein
Bewertung: 90 Punkte
2016 Chardonnay „Ciampagnis“, Vie di Romans
warmer Jahrgang, der einen reichen Wein hervorgebracht hast: reifer Apfel, grüne Avocado, leicht buttrig mit zartem Toast: durch langes Hefelager aber cremig und pumperlfrisch
Bewertung: 91 Punkte
2016 Chardonnay „Vie di Romans“, Vie di Romans
vor Fülle berstender Wein, üppig, fett mit schmelziger Süße, ein wenig Ananas, ein wenig Walnuß, dazu im Hintergrund karamellig-cremige Noten, 15 Vol.% Alkohol gut eingebunden. Gallo empfiehlt den Wein zu Stopfleber
Bewertung: 91 Punkte
2016 Sauvignon „Vieris“, Vie di Romans
überaus füllig mit 15 Vol.% Alkohol, aber auch den entsprechenden Extrakten. In der Nase wenig aussagekräftig, im Mund umso präsenter: viel Stachelbeere, Minze, reifer Apfel, druckvoll am Gaumen, aber auch schnell sättigend
Bewertung: 89 Punkte
2015 Sauvignon „Piere“, Vie di Romans
reich, üppig, mehr gelbe als grüne Früchte, dazu viel Holunder und Salbei: ältester Cru des Weinguts. 14,76 Vol. Alkohol
Bewertung: 90 Punkte
2016 Flor di Uis, Vie di Romans
Der leichteste Wein des Weinguts, zarte Fruchtaromatik mit reifem Apfel und Zitronenminze, dazu eine rauchig-mineralische Note: Cuvée von Malvasia Istriana (55%), Riesling (34%), Friulano (11%)
Bewertung: 88 Punkte
Bezug: www.tesdorpf.de, www.wein-bastion.de, www.vinoteck-online.de