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Vernatsch-Cup: die besten Weine aus Südtirols ältester Sorte

Vernatsch ist zwar nicht mehr der häufigste Südtiroler Wein, aber immer noch der typischste. Er gilt als Leichtwein, weil er so unkompliziert zu trinken ist: schöne mandelig-kirschige Frucht, moderate Säure, kein störendes Tannin. In der Farbe mehr oder minder hellrot, wird er nahezu überall zwischen Meran und Salurn produziert, Allerdings ist sein Anteil am Rebensortiment auf rund 8 Prozent geschrumpft. Vor 30 Jahren lag er bei etwa 60 Prozent. Für den Rückgang gibt es mehrere Gründe. Der erste: Der internationale Trend ging damals zu „dunklen“ Rotweinen. Was Südtirol angeht, also zu Lagrein, Merlot, Cabernet, natürlich auch zu Blauburgunder, wenn man Pinot Nero zu den dunklen Weinen rechnen will. Dieser Trend ist bis heute ungebrochen.

Weiße Sorten haben den Vernatsch verdrängt

Noch stärker war (und ist) jedoch der Trend zu den Weißweinen. Mit ihnen konnte Südtirol auch außerhalb seiner Grenzen punkten, etwa im Export nach Deutschland und Italien (Verkäufe nach Italien werden von den Südtirolern als „Export“ bezeichnet). Der wichtigste Grund aber ist das Trinkverhalten der Südtiroler selbst. Vor 30 Jahren begann der blaubeschürzte Einheimische seinen Tag mit einem Gläschen Vernatsch, auch zwei, morgens um neun. Und das Vernatsch-Trinken zog sich über den ganzen Tag bis in die Nacht hin. Das legendäre Törggelen mit Speck, Käse und Kastanien ist nichts anders als Vernatsch-Dauerkonsum. Diese Generation verschwindet langsam. Die Jungen trinken Grauburgunder, Chardonnay, Weißburgunder – jene Sorten, die den Vernatsch verdrängt haben.

Vigilius Mountain Resort – zwei Tage lang Mittelpunkt der Vernatsch-Welt

„Sehr traurig“ nennt Ulrich Ladurner diesen Zustand. Der Südtiroler Fabrikant für glutenfreie Lebensmittel („Dr. Schaer“) liebt Vernatsch. Für ihn ist der Wein ein Stück Heimat. Er bedauert, dass der Hellrote bei den Konsumenten in Misskredit geraten ist. Um dem entgegenzuwirken, läd er jedes Jahr eine vielköpfige Jury zwei Tage lang in das ihm gehörende Vigilius Mountain Resort zum Vernatsch Cup ein. Es gilt, die besten Weine aus dieser Rebsorte zu ermitteln und zu prämieren. In diesen zwei Tagen ist das oberhalb von Tscherms auf 1500 Meter Höhe gelegene Öko-Luxus Resort, das nur mit Seilbahn zu erreichen ist, der Mittelpunkt der Vernatsch-Welt. Ein gutes Dutzend Sommeliers aus hoch dekorierten Südtiroler Restaurants und ein paar Weinfachjournalisten probieren die Weine blind und bewerten sie – in sechs verschiedenen Kategorien. Insgesamt waren diesmal 84 Weine am Start, 30 kamen ins Finale.

Die acht Sieger

1. Kategorie

KALTERERSERE/AUSLESE

2022 Kalterersee “der Keil“, Weingut Manincor (Kaltern)

2. Kategorie

MERANER

2022 Meraner Vernatsch “Schickenburg“, Kellerei Meran (Marling)

3. Kategorie

SÜDTIROL VERNATSCH

2022 Südtirol Vernatsch „Hexenbichler“, Kellerei Tramin (Tramin)

4. Kategorie

ST. MAGDALENER

2022 St. Magdalener classico, Ansitz Waldgries (Bozen)

5. Kategorie

SELEKTION

2022 Kalterersee Auslese classico superior “Arthur Rainer”, Weingut Seeperle (St. Josef am See)

2022 Südtirol Vernatsch „Selektion Turmhof“, Weingut Tiefenbrunner (Entiklar)

6. Kategorie

GEREIFT

2021 St. Magdalener classico „Gran Marie”, Fliederhof (St. Magdalener)

2018 St. Magdalener classico “Moar”, Kellerei Bozen (Bozen)

 

 

Die 8 Siegerweine vor dem Vigilius Mountain Resort ©Fotokofler_Lana

Ansitz Waldgries mit dem „Publikumsliebling“

Unter den Siegern wurde auch noch ein „Publikumsliebling“ ermittelt, diesmal von einer Laienjury. Ihn erhielt der St. Magdalener classico vom Ansitz Waldgries. Das ist aus zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Erstens ist Waldgries damit der über die Jahre am häufigsten prämierte Hof beim Vernatsch Cup. Zweitens ist der St. Magdalener classico gar nicht der Topwein in seinem Sortiment. Das wäre der St. Magdalener „Antheos“, der als 2021er in der Kategorie „Gereift“ im Wettbewerb war, aber dort nicht den Sieg errungen hatte. Für mich ist der „Antheos“ trotzdem die Nummer Eins im Anbaugebiet St. Magdalener. Christian Plattner, der Waldgrieser Weinbauer, keltert ihn aus einer Mischung aus alten beziehungsweise historischen Vernatsch-Spielarten (mit 8 Prozent Lagrein), die teilweise nicht entrappt und lange mazeriert werden. Sein einfacher St. Magdalener classico ist dagegen ausschließlich aus Edelvernatsch gewonnen, dadurch weniger vielschichtig, aber „trinkiger“ – insofern ein verdienter „Publikumsliebling“.

Der Exot vom Pfannenstielhof

Übrigens stand auf meinem Zettel auch der 2021 St. Magdalener Classico „Isarcus“ vom Griesbauerhof ganz oben, ein in Barriques gereifter Wein, bestens strukturiert und gut balanciert. Der Barrique-Ausbau schien die Jury jedoch nicht zu überzeugen. Und noch einen Wein habe ich sehr bewundert, obwohl er ebenfalls nicht zu den Siegern gehörte: der 2017er St. Magdalener classico „Der Pfannenstiel“ vom Pfannenstielhof. Im Vergleich zu den packenderen, weil jüngeren Weinen in der Kategorie „Gereift“ war er eine Art Exot: hell in der Farbe (nur 5% Lagrein), nach fünf Jahren im Edelstahltank abgeklärt und gereift und mit einer burgunderhaften Süße ausgestattet – ein Meisterstück von Johannes Pfeifer und wohl das Maximum, das man aus einem Vernatsch-Wein herausholen kann.

Der Vernatsch-Anteil schrumpft weiter

Ulrich Ladurner, den Hausherren, wird es freuen, dass der Vernatsch bei Kennern wieder so viel Anerkennung findet, jedenfalls im Ausland beziehungsweise bei ausländischen Südtirol-Touristen. Leider reicht das nicht. Der Vernatsch-Anteil am Südtiroler Rebensortiment geht weiter zurück. Die Südtiroler selbst sind es, die dem Wein noch immer allzu distanziert gegenüber stehen.

 

 

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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