Vermentino & Co.: Die neuen Weissweine der Toskana

Neue Weissweine der Toskana

Die Tos­ka­na ist Rot­wein­land. Aber was trin­ken die Tos­ka­ner, wenn sie Fisch essen? Natür­lich Weiss­wein. Am liebs­ten von der Küs­te oder aus San Gimigna­no. Drei Vorschläge.

Im August ist Ita­li­en im Urlaub. Die Städ­te sind ver­waist. Die Geschäf­te geschlos­sen. Behör­den und Kran­ken­häu­ser hal­ten nur noch einen Not­dienst auf­recht. Das Land steht still. Natür­lich lösen sich die Ita­lie­ner nicht in Luft auf. Sie sind am Meer. So leer wie die Städ­te, so voll sind die Strän­de. Jeder Qua­drat­me­ter ist mit Lie­ge­stuhl, Son­nen­schirm, Bade­hand­tuch bedeckt, drum her­um Kin­der, Papa, Mama, Oma, Schwie­ger­sohn, Onkel, Tan­te. Bis zum 15. August dau­ert das Spek­ta­kel. Dann ist Fer­ra­gos­to – der Höhe­punkt des ita­lie­ni­schen Som­mers und der Schluß­punkt des Urlaubs. Danach geht es zurück nach Hau­se. Ende August sind die Strän­de wie­der leer.

Früher war der Weisswein schon vor Ferragosto ausgetrunken

Auch in der Tos­ka­na ist das so. Hun­dert­tau­sen­de drän­gen sich an den Strän­den zwi­schen For­te dei Mar­mi und Gros­se­to, und alle müs­sen essen und trin­ken. Ent­spre­chend voll sind die Restau­rants in Viar­eggio, Bibbo­na, Ceci­na, Pun­ta Ala und am Golf von Fol­lo­ni­ca. Auf den Spei­se­kar­ten ste­hen Piz­za, Moz­za­rel­la, Spa­ghet­ti und Fisch jeder Art, dazu wird Weiss­wein getrun­ken. Guten, schlech­ten, egal. Doch woher den Weiss­wein neh­men, wenn in der Tos­ka­na über­all Rot­wein pro­du­ziert wird? Man holt ihn sich aus ande­ren Regio­nen Ita­li­ens, die mit Weiss­wei­nen bes­ser geseg­net sind. Doch was nur weni­ge wis­sen: Die Tos­ka­na hat immer auch Weiss­wein pro­du­ziert, in San Gimi­gi­a­no etwa oder auf dem schma­len Küs­ten­strich am Mit­tel­meer. In klei­nen Men­gen nur, aber für den loka­len Bedarf reich­te es – bis der Strand­tou­ris­mus explo­dier­te, und zwar so stark, dass den Restau­rants oft­mals schon vor Fer­ra­gos­to der Weiss­wein aus­ging. Und Rot­wein zu Spa­ghet­ti alle Von­go­le – nein danke.

Vermentino – die traditionelle Weisswein-Traube der Mittelmeerküste

Des­halb began­nen die Win­zer an der Küs­te schon vor zehn, zwan­zig Jah­ren, weis­se Reben zu pflan­zen. Sau­vi­gnon blanc, Vio­gnier, Char­don­nay, vor allem aber Ver­men­ti­no. Ver­men­ti­no ist die tra­di­tio­nel­le Weiss­wein­sor­te des Küs­ten­li­to­r­als der Tos­ka­na. Aus ihr wur­de frü­her ein bäu­er­li­cher, tro­cke­ner Wein gewon­nen, der dem Gau­men der Ein­hei­mi­schen genüg­te. Doch die Ansprü­che der Men­schen stie­gen. Die neu­en Vermentino-Weine soll­ten mehr als ein Durst­lö­scher sein. Eine neue Gene­ra­ti­on von Ver­men­ti­no ent­stand: herzhaft-fruchtig mit fri­scher Säu­re und sal­zi­gem Unter­ton – wie die Luft am Meer. Auf Sar­di­ni­en hat­te sich die Sor­te schon vor­her bewährt. Der Ver­men­ti­no di Gal­lu­ra war und ist der meist getrun­ke­ne Weiss­wein an der Cos­ta Sme­ral­da. Auch in Ligu­ri­en und in der Pro­vence (wo die Vermentino-Traube „Rol­le“ genannt wird) ist die Sor­te verbreitet.

Einfach und unkompliziert, aber mit Charakter

Inzwi­schen gibt es so viel Ver­men­ti­no in der Tos­ka­na, dass er auch expor­tiert wer­den kann. Zwei beson­ders inter­es­san­te Ver­sio­nen die­ses Weins kom­men von Val del­le Rose, einem Wein­gut nur weni­ge Kilo­me­ter von der Stadt Gros­se­to ent­fernt. Der ein­fa­che­re, leich­te­re Wein heißt Lito­r­a­le: ein typisch medi­ter­ra­ner Wein, inten­siv fruch­tig mit Aro­men von Apfel, Zitrus und Bir­nen, herz­haft, unkom­pli­ziert (Impa­ra­tow­ein Ober­hau­sen, 10,50 Euro). Er wird immer jung und gut gekühlt getrun­ken. Trotz sei­ner Unkom­pli­ziert­heit besitzt der Lito­r­a­le Cha­rak­ter. Die Reb­stö­cke, an denen die Trau­ben für ihn wach­sen, ste­hen auf tro­cke­nem, stei­ni­gen Unter­grund und sind im Dicht­stand gepflanzt. Ent­spre­chend nied­rig sind die Erträ­ge. Die drei bun­ten Lie­ge­stüh­le auf dem Eti­kett deu­ten an, wann und wozu der Wein getrun­ken wer­den soll­te: im Som­mer, vor­zugs­wei­se zu Gerich­ten, die etwas mit Meer zu tun haben, also Muscheln, Pes­to, Scam­pi, Fisch.

Cobalto – der Vermentino für Anspruchvolle

Der zwei­te Ver­men­ti­no von Val del­le Rose wen­det sich nicht an Strand­ur­lau­ber und Terrassenwein-Trinker, son­dern an Fein­schme­cker, die einen edlen Wein zu Krus­ten­tie­ren suchen. Aus Vermentino-Trauben ist auch er gewon­nen, aller­dings aus den reifs­ten und gesun­des­ten des Val del­le Rose-Besitzes. Sein Frucht­ge­schmack ist weni­ger stark aus­ge­prägt als beim Lito­r­a­le, sein Aro­ma erin­nert eher an getrock­ne­te Kräu­ter wie Ver­ben und Melis­se. Ein anspruchs­vol­ler Weiß­wein, der sich erst nach zwei, drei Jah­ren öff­net, aber dann per­fekt zu den Köst­lich­kei­ten des Mit­tel­meers passt. Er wird zur Hälf­te in gros­sen Holz­fäs­sern, zur ande­ren Hälf­te in Ampho­ren und Edel­stahl­tanks ver­go­ren und danach 8 Mona­te auf der Hefe gela­gert. Danach darf er sich noch ein hal­bes Jahr auf der Fla­sche ver­fei­nern, bevor er in den Ver­kauf geht. Die Fla­sche trägt ein kobalt­blau­es Eti­kett, und so heisst auch der Wein: Cobal­to. Nur 2000 Fla­schen wer­den der­zeit von ihm erzeugt. In Deutsch­land ist er noch gar nicht auf dem Markt.

Vernaccia di San Gimignano: der Wein, der auch nach dem Urlaub schmeckt

Wer es klas­sisch liebt, kann natür­lich auch auf einen Vernac­cia di San Gimigna­no zurück­grei­fen. Die Zei­ten, an denen nur unbe­darf­te Tou­ris­ten aus Asi­en und Ame­ri­ka die­sen Wein tran­ken, sind längst vor­bei. Der Vernac­cia di San Gimigna­no ist inzwi­schen in die höchs­te Qua­li­täts­wein­ka­te­go­rie Ita­li­ens auf­ge­stie­gen (DOCG). Ent­spre­chend streng sind die Qua­li­täts­pa­ra­me­ter und die Kon­trol­len. Trotz­dem ist der Vernac­cia di San Gimigna­no ein unkom­pli­zier­ter Wein geblie­ben: gehalt­voll, aber den­noch leicht und easy zu trin­ken. Ein beson­ders ein­drück­li­ches Exem­plar die­ses Weins kommt vom Cas­tel­lo Mon­taù­to, einem his­to­ri­schen Wein­gut ein paar Kilo­me­ter aus­ser­halb der mit­tel­al­ter­li­chen Stadt, aber im Kel­ler modernst aus­ge­stat­tet. Er wird aus der Trau­ben­sor­te Vernac­cia erzeugt (die zur Fami­lie der Trebbiano-Gewächse gehört) und nach einer kur­zen Kalt­mai­schung im Edel­stahl­tank ver­go­ren. Ein Cha­rak­ter­wein auch er, schmelzig, fruch­tig, tro­cken, all­tags­taug­lich. Und das Bes­te: Er schmeckt auch nach dem Urlaub noch (Impa­ra­tow­ein Ober­hau­sen, 11,20 Euro).

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