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Verheerende Fröste zerstören Weinberge in Österreich

Als Manfred Tement, Winzer aus Berghausen in der Südsteiermark, am Freitag Nachmittag letzter Woche zurück aus den Weinbergen kam, fand er kaum Worte für das, was er gesehen hatte. Die frischen, hellgrünen Jungtriebe hingen an fast jedem Rebstock schlaff herunter. An manchen Stellen waren sie bereits schwarz. Oder anders gesagt: tot. „Mindestens 80 Prozent unserer Weinberge sind in den drei letzten Frostnächten zerstört worden. Wenn wir Glück haben, ernten wir in 2016 zehn oder 20 Prozent. Mehr nicht.“

Alois Gross: „Totalausfall droht“

Ähnliche Hiobsbotschaften hörte man einen Tag später auf der Präsentation der Weingüter der Steirischen Klassik (STK), die diesmal in Ratsch an der Weinstraße beim Winzer Wolfgang Maitz stattfand. Walter Polz, Alois Gross, Willi Sattler, Katharina Lackner-Tinnacher und die anderen Spitzenwinzer der Süd-Steiermark beklagten den Verlust fast eines ganzen Jahrgangs. „Vielleicht erholt sich die eine oder andere Rebe noch“, klammerte sich Alois Gross an das letzte Fünkchen Hoffnung. „Aber wir müssen mit einem Totalausfall des Jahrgangs rechnen.“

Erfrorene Jungtriebe in der Steiermarkeit 1981 hat es in Österreich, speziell in der Steiermark, ein solches Desaster nicht mehr gegeben. Schon in der Nacht zum Mittwoch ließen Temperaturen von minus 6° Celsius die Triebe in den tiefen Lagen absterben. In den beiden folgenden Nächten kamen Strahlungsfröste dazu, ausgelöst durch plötzlichen Schneefall. Dadurch hat es auch die Reben in den höheren Lagen erwischt. Eisige Luft sowie die vom frischen Schnee ausgehende Kälte haben die zarten Jungtriebe zerstört.

Und die Schäden sind nicht nur auf die südliche Steiermark begrenzt. In der Weststeiermark hat der Frost genauso gewütet. Schilcher-Produzent Christian Reiterer aus Wies war am Freitag ganz blass im Gesicht ob des Anblicks seiner Weinberge. „Wir müssen mit 100 Prozent Schaden rechnen“, klagte er. „Aber der Winzer arbeitet nun einmal in einer Werkstatt unter offenem Himmel.“

Trauer auch im Burgenland und in Niederösterreich

Auch aus dem Burgenland werden schwere Frostschäden gemeldet. In Deutschkreutz an der ungarischen Grenze ist ein Großteil der Reben erfroren. Einige Winzer haben Strohballen in den Weinbergen verbrannt. Der aufsteigende Rauch verdrängt die Kaltluft. „Dadurch haben wir 60 bis 70 Prozent unserer Reben schützen können“, berichtet Albert Gesellmann vom gleichnamigen Weingut. Silvia Heinrich meldet dagegen schwerste Schäden. Alarm auch aus Gols am Nordufer des Neusiedlersees. Winzer Hannes Pittnauer ist sprachlos: „Es wurden sogar die Hanglagen in Mitleidenschaft gezogen, ich kann mich nicht erinnern, dass das bei Spätfrost jemals so massiv der Fall war.“


Wenig ausrichten gegen die plötzlich hereinbrechenden eisigen Temperaturen konnten die Winzer im Kamptal und in Krems. Dort wird ebenfalls mit bis zu 100 Prozent Ernteausfall gerechnet. In der Wachau haben vor allem die tieferen Lagen und die Lagen im Spitzer Graben unter der ungewöhnlichen Kälte gelitten. Viele Marillenbäume sind ebenfalls erfroren. Schwer in Mitleidenschaft gezogen wurden schließlich die Gebiete Carnuntum und das Weinviertel. Allerdings sind die Schäden noch nicht endgültig erfasst. Der Weinbauverband Niederösterreich spricht von rund 30 Prozent Schadensquote. Dass es gerade Österreich so schwere Schäden angerichtet hat, hängt mit dem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium der Reben zusammen. Die warm-heißen Temperaturen Anfang April haben die Vegetation explodieren lassen, aber gleichzeitig die Frostanfälligkeit vergrößert im Vergleich zu Weinbergen, die weniger fortgeschritten waren.

Eiseskälte auch in Deutschland – aber nicht so kalt wie Österreich

Auch in Deutschland hat der Frost gewütet, allerdings nicht mit so verheerenden Folgen wie in Österreich. Pfalz, Rheinhessen, Nahe, Ahr, Franken – sie alle sind mehr oder weniger betroffen. Das Würzburger Bürgerspital registriert in einzelnen Lagen Ausfälle von bis zu 50 Prozent, wie Gutsdirektor Robert Haller berichtet – aber nicht über die gesamte Betriebsfläche. Und Uwe Mattheus vom Weingut Wirsching in Iphofen stellt fest. „Der 2011er Frost war schlimmer in Franken.“  Auch in kältegefährdeten Lagen an der Mosel und am Mittelrhein werden dagegen große Schäden gemeldet. Die Schäden an der Mosel betreffen weniger die flussnahen Hanglagen, sondern die hoch gelegenen Hügellagen, die seit jeher als frostgefährdet gelten. Dort werden ebenfalls Ausfälle von bis zu 90 Prozent gemeldet.

Armes Burgund – wieder ein Schicksalsjahr

Wärmekerzen zur Frostabwehr in ChablisGanz schlecht begonnen hat das Jahr in Frankreich, speziell im südlichen Burgund. An der Côte de Beaune und in Santenay, aber auch weiter südlich bis hinunter nach Chénon, einem der nördlichsten Cru des Beaujolais, hat der Frost in der Nacht vom 26. auf 27. April brutal zugeschlagen. Mehrere tausend Hektar Reben sind dort schwer geschädigt, die Premiers und Grands Crus von Meursault, Puligny-Montrachet und Beaune eingeschlossen. Bereits am 13. April hatte ein schwerer, nur 20 Minuten lang dauernder Hagelsturm im Maconnais alle jungen Blätter von den Knospen gerissen. Resultat: Totalausfall. Dass aus Chablis schlechte Nachrichten kommen, überrascht kaum. Die kleine Weißwein-Appellation am Flüsschen Serein ist eines der frostgefährdetsten Gebiete ganz Frankreichs. Auch diesmal machte es keine Ausnahme. Chablis-Winzer sind allerdings auf Temperaturen von minus vier Grad und tiefer eingestellt. Ihnen gelang es, auf 1.000 von insgesamt 5.000 Hektaren rechtzeitig Wärmekerzen aufzustellen. Sie vertreibt die kalte Luft aus den Weinbergen und bietet ein optisches Spektakel.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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