10 VDP.Ortsweine, die man unbedingt probieren muss

© VDP by Peter Bender
Paul Kern war auf der Mainzer Weinbörse und sich bei den Ortsweinen durchgetrunken. Hier seine Tipps für weinkenner-Leser.

Orts­wei­ne stel­len eine mitt­le­re Stu­fe inner­halb der Qua­li­täts­py­ra­mi­de des VDP dar. Sie rei­hen sich hin­ter den Gro­ßen und Ers­ten Lagen ein und vor den Guts­wei­nen. Mitt­ler­wei­le haben auch zahl­rei­che Nicht-Mitglieder die vier­stu­fi­ge VDP-Klassifikation über­nom­men. Die Trau­ben dür­fen für Orts­wei­ne nur aus der Gemar­kung einer ein­zi­gen Gemein­de kom­men, kön­nen aber durch­aus ver­schie­de­nen Lagen ent­stam­men. Sie bie­ten dem Wein­trin­ker viel Spaß für rela­tiv wenig Geld, jeden­falls im Ver­gleich zu den Wei­nen der Ers­ten und der Gro­ßen Lagen – und manch­mal steckt sogar ein Touch von Ter­ro­ir in ihnen.

Es kommt auf den Ort an und seine natürlichen Gegebenheiten

Ein Bei­spiel aus dem Rhein­gau: Ein Orts­wein aus Lorch, von nach Wes­ten aus­ge­rich­te­ten Schie­fers­teil­hän­gen, hat wenig gemein mit einem Orts­wein aus Erbach, wo die Böden aus Löss bestehen, weni­ger steil sind, eine süd­li­che Aus­rich­tung haben und ent­spre­chend üppi­ger aus­fal­len. Das heißt: Es gibt durch­aus Orts-Terroirs, die sich von ande­ren unter­schei­den. Hin­ge­gen ist es schwie­rig, einen Erba­cher Orts­wein von einem aus dem Nach­bar­ort Hat­ten­heim aus­ein­an­der­zu­hal­ten. Die natür­li­chen Vor­aus­set­zun­gen bei­der Orte sind sehr ähnlich. 

Wer es den­noch kann: Cha­peau. Bei Lagen­wei­nen ist alles ein­fa­cher. Um beim Rhein­gau­er Bei­spiel zu blei­ben: Weils Gräfenberg-Riesling schmeckt ganz anders als Weils Turmberg-Riesling, obwohl bei­de Wein­ber­ge dicht bei­ein­an­der in Kied­rich lie­gen. Böden und Klein­kli­ma die­ser Lagen unter­schei­den sich. Ent­spre­chend mar­kant sind auch die geschmack­li­chen Unter­schie­de der Weine.

Paul Kern auf der VDP.Weinbörse in Mainz © VDP by Peter Bender

Eine Chance für Müller-Thurgau, Trollinger, Gutedel

Orts­wei­ne sind ein äußerst hete­ro­ge­nes Feld. Man­che sind kaum bes­ser als Guts­wei­ne  und kos­ten knapp über zehn Euro. Bei ande­ren Win­zern sind die Orts­wei­ne klei­ne Gro­ße Gewäch­se. Da Reb­sor­ten wie Sau­vi­gnon und Scheu­rebe nir­gend­wo für Gro­ße und Ers­te Lagen zuge­las­sen sind und Char­don­nay nur in Baden ein Gro­ßes Gewächs sein darf, kön­nen die bes­ten Qua­li­tä­ten der VDP-Güter aus die­sen Sor­ten nur als Orts­wein (oder als Guts­wein) auf den Markt kom­men. Glei­ches gilt für Trol­lin­ger, Müller-Thurgau, Gut­edel. Wein­gü­ter, die die­se Sor­ten anbau­en und aus ihnen alles, was mög­lich ist, her­aus­ho­len, um ihnen einen eige­nen Stem­pel auf­zu­drü­cken, grei­fen häu­fig auf die Ortswein-Kategorie zurück. 

Auch tau­chen immer wie­der Orts­wei­ne auf, die deklas­sier­te Gro­ße Gewäch­se sind (oder zum Teil aus Par­tien stam­men, die theo­re­tisch auch ein Gro­ßes Gewächs bezie­hungs­wei­se eine Ers­te Lage sein könn­ten): ein Schnäpp­chen für Wein­trin­ker, wenn sie es wis­sen und so für rela­tiv klei­nes Geld eine über­durch­schnitt­li­che Qua­li­tät bekommen. 

Im Fol­gen­den stel­le ich Ihnen, lie­be Leser, ein paar Orts­wei­ne vor, die ich im April auf VDP.Weinbörse in Mainz getrun­ken und als außer­or­dent­lich gut emp­fun­den habe.

Weingut Clemens Busch (Mosel)

2020 Pün­de­ri­cher Ries­ling Tro­cken „Vom Grau­en Schiefer“ 

Cle­mens Busch kel­tert die mit­un­ter eigen­sin­nigs­ten Wei­ne an der Mosel: immer wild, immer stof­fig und in der Jugend, gera­de bei den Gro­ßen Gewäch­sen, oft­mals etwas kan­tig. Der Orts­wein aus Pün­de­ri­cher Lagen ist bereits jung gut zu trin­ken, prä­sen­tiert sich dabei mit Aro­men von gemah­le­nem Stein und getrock­ne­ter Zitro­nen­scha­le sowie mit einer vibrie­ren­den Fri­sche, die sich durch das gan­ze Sor­ti­ment zieht und ziem­lich fun­ky ist: viel Cha­rak­ter für ver­gleichs­wei­se klei­nes Geld.

Bezug: 16,00 € ab Wein­gut

Weingut Wagner-Stempel (Rheinhessen)

Für­fel­der Ries­ling Tro­cken „Melaphyr“ 2021 

Dani­el und Cath­rin Wag­ners Gro­ße Gewäch­se gehö­ren regel­mä­ßig zu den bes­ten Ries­lin­gen des Jahr­gangs. Aber auch der Unter­bau stimmt bei ihnen. Der auf Melaphyr vul­ka­ni­schen Ursprungs gewach­se­ne Für­fel­der Ries­ling aus ver­schie­de­nen Ers­ten Lagen ist 2021 der wil­des­te der drei Orts­wei­ne, mit gra­si­ger Kräu­ter­aro­ma­tik, Sau­er­amp­fer und einer piksend-komplexen Säu­re, die für Län­ge und Biss sorgt. Kei­ne blo­ße Easy-Drinking-Inter­pre­ta­ti­on eines Orts­weins, son­dern ein Ries­ling mit Anspruch.

Bezug: 18,00 € ab Wein­gut

Weingut Kaufmann (Rheingau)

2021 Hat­ten­hei­mer Ries­ling trocken 

Ein klas­si­scher Rheingau-Riesling aus der Manu­fak­tur eines Schwei­zers. Der ehe­ma­li­ge Käser Urban Kauf­mann und sei­ne Part­ne­rin Eva Raps über­nah­men 2013 das Wein­gut Hans Lang in Hat­ten­heim und bau­ten es nach ihren Vor­stel­lun­gen um. Ihr Orts­wein aus Hat­ten­hei­mer Lagen ist ein mus­ter­gül­ti­ger Ries­ling der Regi­on mit kna­cki­ger grü­ner Apfel­frucht, dezen­ter Apri­ko­se, Kräuter- und Zitrusaromen. 

Bezug: 14,00 € ab Wein­gut

Weingut Aldinger (Württemberg)

2020 Fell­ba­cher Trol­lin­ger „Sine“ 

„Ein Trol­lin­ger, wie ihn unse­re Urgroß­el­tern gemacht haben“, sagt Hans­jörg Aldin­ger. Ohne Schwe­fel, ohne Fil­tra­ti­on, ohne Zucker, ohne Mai­sch­er­hit­zung, ohne Ent­rap­pen der Trau­ben – ohne alles. Latei­nisch sine omni­bus. Daher der Name. Das Resul­tat ist ein fein­bit­te­rer, schlan­ker Rot­wein mit viel Biss, durch­aus kräf­ti­gem aber kom­pak­tem Tan­nin und kna­cki­ger roter Johan­nis­bee­re und Him­bee­re sowie einer stram­men Säure. 

Bezug: 14,50 € ab Wein­gut

Weingut Blankenhorn (Baden)

2020 Schli­en­ger Gutedel

2014 über­nah­men Yvonne und Mar­tin Män­ner das Wein­gut Blan­ken­horn im Mark­gräf­ler­land, wo sie sich neben Bur­gun­dern auch der süd­ba­di­schen Leit­reb­sor­te der Her­zen wid­men – dem Gut­edel. Der Schli­en­ger Orts­wein reift lan­ge auf der Fein­he­fe, 2020 ist dem­nach der aktu­el­le Jahr­gang. Ein ruhi­ger, sanf­ter aber den­noch tief­sin­ni­ger Wein mit mode­ra­ter Säu­re, fei­ner Hefig­keit, dezen­ten Noten von Baguette und Zitrus. 

Bezug: 12,00 € ab Wein­gut

Weingut Rudolf May (Franken)

2021 Retz­städ­ter Silvaner 

Das Wein­gut May liegt etwas ab vom Schuss einem klei­nen Sei­ten­tal des Mains im Ort Retz­stadt, den vor Rudolf Mays Pio­nier­ar­beit seit Ende der 1980er Jah­re nie­mand auf dem Schirm hat­te. Die heu­te von Rudolf und Sohn Bene­dikt May gekel­ter­ten Sil­va­ner GGs gehö­ren zu den bes­ten die­ser Reb­sor­te. Aber auch der Orts­wein kann sich sehen las­sen: grü­ner und gel­ber Apfel, druck­voll, aber gleich­zei­tig ver­spielt mit zar­ten wei­ßen Blü­ten und süf­fi­ger Fruchtkomponente.

Bezug: 12,00 € ab Wein­gut

Weingut Bernhard Huber (Baden)

2020 Mal­ter­din­ger Weiß 

Juli­an Huber ist längst ein Kult­win­zer für Spät­bur­gun­der. Min­des­tens genau­so span­nend ist der­zeit aber die Ent­wick­lung der Weiß­wei­ne. 2013 ver­bann­te Huber Weiß- und Grau­bur­gun­der aus den Gro­ßen Gewäch­sen, die Trau­ben lan­den nun im Orts- und Guts­wein. Der Mal­ter­din­ger Weiß­wein aus Char­don­nay und Weiß­bur­gun­der ist mit der typi­schen flin­ti­gen Huber-Aromatik ver­se­hen, die sich aus der Kom­bi­na­ti­on von Holz, reduk­ti­vem Aus­bau und nied­ri­gem pH-Wert ergibt. Die blü­ti­ge weiß­fruch­ti­ge Typi­zi­tät des Weiß­bur­gun­ders ist der per­fek­te trink­ani­mie­ren­de Gegenpol.

Bezug: 21,00 € bei Loben­bergs

Weingut Horst Sauer (Franken)

2021 Eschen­dor­fer Müller-Thurgau 

Muss ein Müller-Thurgau etwas Ver­werf­li­ches sein? Nicht wenn man ihn so ele­gant in die Fla­sche bringt wie Horst Sau­er. Sein fri­scher, kna­cki­ger Weiß­wein ver­eint Fri­sche und Säu­re mit aus­la­den­der Frucht, leicht tro­pi­schen Noten. Um den Eisbonbon-Touch, der aus Rein­zucht­he­fe und kal­ter Gärung resul­tiert, wird hier kein Hehl gemacht. Er glie­dert sich ele­gant in den Wein ein. Ein schö­nes Bei­spiel, dass die Reb­sor­te zu Unrecht ver­schrien ist.

Bezug; 9,00 € ab Wein­gut

Weingut Michel (Baden)

2019 Ach­kar­re­n­er Spät­bur­gun­der „Tephrit“ 

Das Fami­li­en­wein­gut am Kai­ser­stuhl bleibt immer etwas unter dem Radar, lie­fert aber Jahr für Jahr Spät­bur­gun­der ab, die zu den bes­ten Badens gehö­ren. Der Orts­wein aus einer nicht-klassifizierten Lage in Ach­kar­ren am Kai­ser­stuhl ist rau­chig, zeigt Noten von Gra­phit und Holz, bringt aber auch eine gute fri­sche Frucht­struk­tur mit, die saf­tig, aber nicht über­la­den ist, son­dern eher schlank wirkt. 

Bezug: 25,00 € ab Wein­gut

Weingut Hey (Saale-Unstrut)

2019 Naum­bur­ger Blau­er Zweigelt

Zwei­gelt fand schon zu DDR-Zeiten sei­nen Weg an die Saa­le, als man sich nach einer Rei­he feuch­ter Herbs­te gegen die Fäul­nis zur Wehr set­zen muß­te. Mat­thi­as Hey trimmt die ertrag­rei­che Reb­sor­te in sei­nen Naum­bur­ger Steil­la­gen auf nied­ri­ge Erträ­ge run­ter und kel­tert so einen Rot­wein, der zwar die Opu­lenz der Reb­sor­te vor­führt, dabei nach dunk­lem Obst, Pflau­men und Him­bee­ren duf­tet, aber auch immer mit dem Quänt­chen Fri­sche und Säu­re gegen­zu­steu­ern weiß.

Bezug: 20,00 € Saale-Unstrut-Vinothek oder ab Wein­gut 

5 Kommentare

  • Bei aller Lie­be für unse­re Freun­de an der Nahe, so freu­en wir uns doch, dass Dani­el und Cath­rin Wag­ner mit ihrem Wein­gut Wagner-Stempel in Rhein­hes­sen zu Hau­se sind und am Für­fel­der Eichel­berg, einer der höchst­ge­le­ge­nen Lagen Rhein­hes­sens, ein höchst span­nen­des Cool-Climate-Riesling-Projekt initi­iert haben, das in die­sem Für­fel­der Ries­ling so wun­der­bar zum Aus­druck kommt.

  • Das Wein­gut Wagner-Stempel gehört zum Wein­an­bau­ge­biet Rhein­hes­sen. Die Zuord­nung zum Nahe­ge­biet ist falsch.

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