Eine Reform der deutschen Etikettensprache ist überfällig. Was der Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) am 25. Januar 2012 in Neustadt an der Weinstraße beschlossen hat, geht in die richtige Richtung. Erstens: Reduzierung des Lagen-Dschungels auf die tatsächlich hochwertigen Terroirs. Zweitens: Abschaffung der Prädikate für alle trockenen Weine. Die Prädikate Kabinett, Spätlese bis hin zur Trockenbeerenauslese sollen künftig nur den restsüßen beziehungsweise edelsüßen Weinen vorbehalten sein – ähnlich wie in Österreich.
Keine trockenen Prädikatsweine mehr
Damit werden die rund 200 VDP-Güter ab dem Jahrgang 2012 keine trockenen Kabinettweine mehr auf den Markt bringen, und auch keine trockenen Spätlesen. Diese sollen als einfacher Gutswein (etwa Robert Weil Riesling QbA trocken), als gehobener Ortswein (etwa Westhofener Silvaner trocken) oder als Lagenwein deklariert werden, wobei das burgundische Prinzip gilt: Je kleiner die Herkunft, desto hochwertiger der Wein.
Die bisherige Erste Lage wird zur Großen Lage
Eine Lagenklassifizierung hatte es bereits 2001 gegeben. Das Resultat waren die Großen Gewächse, abgekürzt GG: trockene Spitzenweine von wenigen herausragenden Terroirs. Sie wird es auch weiterhin geben, mit dem Unterschied, dass die Spitzenlagen nicht mehr Erste Lagen, sondern aus Gründen sprachlicher Angleichung Große Lagen heißen sollen. Diese Änderung der Nomenklatur ist vielfach kritisiert worden. Verständlich, wird doch hier etwas geändert, was die in- und ausländischen Kunden gerade mühsam begriffen hatten. Doch die Änderung war unumgänglich: Im Burgund kommen die Grands Crus auch von Grands Crus, nicht von Premiers Crus. Und die Bezeichnung Erste Lage wird für einen anderen Wein gebraucht.
Neu: die Erste Lage
Die auffälligste Neuerung des VDP-Beschlusses ist die Einführung der Ersten Lage. Damit soll die Möglichkeit geschaffen werden Lagen herauszuheben, die zwar nicht groß, aber sehr gut und es damit wert sind, erhalten zu werden. Ein Kataster der Ersten Lagen existiert noch nicht. Es muss von den VDP-Regionalverbänden angelegt und genau definiert werden. Damit entsteht ein 4-gliedriges Herkunftssystem:
Gutswein
Ortswein
Erste Lage
Große Lage
Würde diese Klassifikation Gesetz in Deutschland, wäre der gesamte Lagen-Dschungel schlagartig entrümpelt. Zwar haben VDP-Entscheidungen Signalwirkung, doch von einer flächendeckenden gesetzlichen Regelung ist Deutschland weit entfernt. Zu stark hängen die Weingüter von Sachsen bis zum Bodensee an ihren zahlreichen Pseudo-Lagenbezeichnungen, die angeblich unverzichtbar sind.
Das Einweinprinzip
Auch unter VDP-Regionalverbänden dürfte es zu harten Auseinandersetzungen über die künftigen Ersten Lagen kommen. Viele Güter werden versuchen, einfache und mittlere Lagen zu einer Ersten Lage aufzuwerten, um sie zu retten. Die nächsten Monate werden zeigen, ob die neuen Regeln wirklich „restriktiv“ ausgelegt werden, wie der Bundes-VDP beschlossen hat. Ausnahmen sind allerdings vorgesehen. Sie betreffen vor allen das Einweinprinzip. Nach dem VDP-Beschluss darf jedes Gut in einer Großen Lage nur einen Wein aus der jeweils zugelassenen Rebsorte erzeugen – so die Regel.
Probleme für große Güter mit vielen Großen Lagen
Wer also im Iphöfer Julius-Echter-Berg ein GG vom Silvaner erzeugt, darf dort weder eine trockene Spätlese noch einen trockenen Kabinett mit gleicher Lagenbezeichnung abfüllen. Er müsste seinen bisherigen Kabinett zum Beispiel als Ortswein (Iphöfer Silvaner) auf den Markt bringen. Für das Würzburger Juliusspital wäre das laut Betriebsleiter Horst Kolesch kein Problem. Sein Lagenbesitz im Julius-Echter-Berg hält sich in Grenzen. Aber im Würzburger Stein, wo das Gut 28 Hektar besitzt, setzt sich Kolesch für eine Ausnahme ein, weil er nicht seinen gesamten Wein von dort als GG vermarkten kann.
Kabinettwein durch die Hintertür wieder eingeführt?
Ähnliche Probleme haben auch andere Betriebe, die mit Großen Lagen reich gesegnet sind und dort nicht nur GG produzieren können, sondern auch einfache Weine abfüllen müssen: im Rheingau Schloss Schönborn und Schloss Vollrads zum Beispiel. Sie werden vermutlich per Ausnahmeregelung einen zweiten trockenen Wein machen und auf die Angabe der Lage nicht verzichten wollen. Damit wäre der Kabinettwein durch die Hintertür wieder eingeführt. Im Einzelfall mag das hinnehmbar sein. Ein Problem entsteht dann, wenn die Ausnahmen überhand nehmen oder unbefristet gelten. Dann wird die gesamte neue Qualitätshierarchie verwässert.
Horst Kolesch, Betriebsleiter Weingut Juliusspital, Würzburg (Franken):
„Ich begrüße das neue VDP-Modell. Nachdem die Würzburger Güter in der Vordiskussion ja oft Stein des Anstoßes waren, und es entsprechend kräftig rumort hatte im fränkischen Regionalverband, hat der Bundes-VDP jetzt einen Königsweg gefunden, der unsere spezifischen Probleme lösen könnte. Das Juliusspital besitzt zum Beispiel 28 Hektar in der Lage Würzburger Stein. Da können wir nicht nur Große Gewächse produzieren. In dieser Qualitäts- und Preisklasse ist die Nachfrage begrenzt. Das Einweinprinzip ist hier nicht realisierbar. Wir brauchen einen zweiten trockenen Wein aus dieser Lage. Im Moment ist dieser Wein ein Kabinett. Aber kein leichter Kabinett wie früher, sondern ein Wein, der 12,5 und 13 Vol.% aufweist, zwischen 8 und 11 Euro kostet, alterungsfähig ist und Terroir-Noten aufweist. Warum sollten wir bei so einem Wein den Namen der Lage verschweigen? Nur weil wir schon ein GG aus dieser Lage haben? Wir werden also versuchen, hier eine Ausnahme zu erwirken, um vom Riesling, Silvaner und Weißburgunder weiterhin jeweils einen trockenen Kabinettwein vom Würzburger Stein erzeugen zu können. Wenn diese Ausnahme vom fränkischen VDP genehmigt und vom Bundes-VDP abgesegnet wird, wären wir auch bereit, auf die Bezeichnung Kabinett zu verzichten. Ansonsten respektieren wir das Prinzip des Einlagenweins. Unser einfacher Silvaner kommt einfach als Ortswein auf den Markt, also als Würzburger Silvaner. Auch wenn die Trauben für ihn teilweise vom Stein kommen, verzichten wir bei diesem Wein auf die Lagenbezeichnung. Der Kunde versteht das.“
Dieter Greiner, Geschäftsführer Hessische Staatsweingüter Kloster Eberbach (Rheingau):
„Die Bezeichnung Kabinett trocken für den Riesling wird bei den Hessischen Staatsweingütern schon seit 2006 nicht mehr aktiv verwendet. Wir haben den Begriff in den Hintergrund gestellt zugunsten des alten Begriffs „Cabinetkeller“. Der steht bei uns allerdings seit dem 18. Jahrhundert für die Spitzenweine, also für das, was im Rheingau die Ersten Gewächse, in der VDP-Terminologie die Großen Gewächse sind. Das Prädikat Kabinett taucht bei uns nur noch auf dem Rücketikett auf. Da wir mit klassifizierten Lagen reich gesegnet sind, werden wir in Zukunft allerdings Ausnahmen brauchen. Wir machen aus dem Rauenthaler Baiken, wo wir mit 12 Hektar begütert sind, beispielsweise zwei trockene Weine: ein Großes Gewächs, das bei uns Rauenthaler Baiken „aus dem Cabinetkeller“ heißt, und eine Erste Lage nach der neuen VDP-Terminologie, also Rauenthaler Baiken Riesling trocken. Darunter gibt es nur den Ortswein und den Gutswein. In ihnen wird der trockene Kabinett aufgehen. Wir werden den Begriff Kabinett dann gar nicht mehr benutzen, auch nicht auf dem Rücketikett.“
Hansjörg Rebholz, Weingut Ökonomierat Rebholz, Siebeldingen (Pfalz):
„Wir verzichten schon seit mehreren Jahren auf die Prädikate Kabinett und Spätlese. Aber in meiner Brust wohnen zwei Seelen. Einerseits unterstütze ich den VDP-Vorschlag, der die Prädikate abschafft zugunsten einer Herkunftsbezeichnung. Andererseits bedaure ich es, wenn der trockene Kabinett verschwindet. Als leichter Wein hätte er durchaus seine Berechtigung. Allerdings gibt es diesen Kabinett nur noch selten. In der Pfalz haben trockene Kabinettweine in vielen Jahren 13, bisweilen auch 13,5 Vol.% Alkohol und liegen in einer gehobenen Preisklasse. Wenn es gelänge, den leichten Kabinett, wie es ihn früher gab, zu relaunchen, wäre das meiner Meinung nach nicht schlecht. Er könnte auch mit einem Orts- oder Lagennamen verbunden sein, so wie es in der Wachau geschieht. Da ist es möglich, von jeder Lage eine Steinfeder, ein Federspiel und einen Smaragd zu erzeugen. Die Österreicher haben den Alkoholgehalt einfach gedeckelt. Ein Federspiel darf nicht mehr als 12,5 Vol.% haben.“
Clemens Busch, Winzer aus Pünderich (Mosel):
„Unser Weingut ist 2007 in den VDP aufgenommen worden. Da gab es schon eine Tendenz, den trockenen Kabinettwein abzuschaffen. Deswegen haben wir von vornherein auf die Prädikate verzichtet. Das fiel uns damals nicht leicht. Schließlich hatten wir jahrelang für den trockenen Kabinett gekämpft. Heute erzeugen wir einen Gutswein ohne Lagenbezeichnung, der einfach Riesling trocken heißt, obwohl 80 Prozent der Trauben aus der ersten Lage Marienburg stammen. Dazu kommt ein Ortswein. Da der Name unseres Ortes Pünderich so schwer auszusprechen ist, nennen wir ihn einfach Riesling „vom grauen Schiefer trocken“. Darüber thronen die Großen Gewächse. Wir haben also eine dreistufige Betriebshierarchie, die den künftigen Anforderungen des VDP voll entspricht. Bei den fruchtigen, rest- und edelsüßen Weinen unterscheiden wir dagegen wie bisher zwischen Kabinett, Spätlese und den höherwertigen Prädikaten.“
Als langjähriger Konsument von trockenen Kabinettweinen finde ich die vom VDP für seine Mitglieder
empfohlene Änderung als sehr ärgerlich. Insbesondere die Tatsache, daß bei Weinen mit höherem
Restzucker die Prädikate bestehen bleiben und bei trockenen Weinen aber nicht! Der Hintergrund ist sicherlich eine größere Variabilität bei weniger sonnigen Jahren!
Wer garantiert, daß die VDP-Weingüter sich an das bestehende Weingesetz hinsichtlich des Most-gewichtes halten? Wenn das Prädikat Kabinett weggelassen wird dann kann ein „Qualitätswein trocken“ OHNE Prädikat (auch ein großes Gewächs), entsprechend der Weinverordnung durch Zucker angereichert werden, um den Alkoholgehalt zu erhöhen. Auf diese Unsicherheit kann ich verzichten!
Pro Jahr kaufe ich 400 bis 500 Flaschen Wein, z.Zt. bei 3 versch. Weingütern. Früher waren dabei
2 VDP-Weingüter. Diese wurden nun, nach dem Wegfall des trockenen Kabinetts, durch 2 andere Weingüter ersetzt, die sogar einen – subjektiv betrachtet – besseren Wein zum günstigeren Preis erzeugen.
Hallo Zusammen,
es tut mir leid da eine komplett entgegegengesetzte Meinung zu vertreten.
Der Dschungel wird doch jetzt erst eröffnet.
Riesling trocken, Kabinett trocken und Spätlese trocken.
Egal welches Weingut, welche Region, ich weiss was ich hier kaufe und bekomme und suche genau nach diesen Kriterien.
Jetzt muss ich mich hier komplett in den Dschungel der Lagen und Bezeichnungen einlesen.
Für mich eine klare Verkomplizierung der Zugänglichkeit.
Gruss der Bacchant
Glücklicherweise gibt es sehr gute Weine auch außerhalb der VDP-Weingüter zu kaufen,
bei denen diese Klassifizierung noch als Unterscheidungsmerkmal im Qualitätsbereich dienlich ist!
M.E. dient diese Veränderung einer Marktabgrenzung und trägt eher zur Verunsicherung bei.
Weinkenner werden auch weiterhin gute Weine, nicht nur im VDP-Bereich zu schätzen wissen.