Glücklich ist Roman Niedwodiczanski nicht über den Jahrgang 2010. Die Menge, die er geerntet hat, ist so gering, dass er erhebliche finanzielle Einbußen haben wird. “Katastrophal” bedauert er. Wegen der Qualität macht sich der Besitzer des Weinguts Van Volxem in Wiltingen an der Saar dagegen keine Gedanken:
“Wir haben Qualitäten im Keller, die von hervorragend bis groß reichen.”
Niewodniczanski gehört zu den ganz wenigen, die im Jahr 2010 nicht entsäuert haben. Warum nicht? “Weil wir es nicht mussten.” Bei den einfachen, quasi trockenen Wein auch nicht? “Die Säurewerte lagen zwischen neun und elf Gramm, damit kann ein Liebhaber der Saar-Weine leben.” Die kleine Restsüße, die auch die trockenen Weine aufweisen, hat die hohe Säure zusätzlich gepuffert.




Andere Mosel-Winzer haben jedoch Säurewerte gehabt, die zwischen 11 und 15 Gramm lagen. Sie waren gezwungen zu entsäuern. Warum Van Volxem nicht?
Niewodniczanski verweist auf seine Lesetechnik: Er lässt die Trauben immer extrem lange hängen – was ihm hin und wieder übrigens den Vorwurf einbringt, seine Weine seien – weil zu füllig – “untypisch” für die Saar. 2010 hat sich die Geduld aber ausgezahlt. Die Säuren sind mit zunehmender Reife gesunken. Förderlich war der geringe Behang: Van Volxem gehört zu den Weingütern mit den niedrigsten Hektarerträgen an der Mosel. Jedenfalls sind Niedwodniczanskis einfacher Saar Riesling sowie seine (Klein-)Lagenweine Goldberg und Volz – obwohl noch im Fass liegend – schon jetzt erstaunlich stimmig. Säure? Nun ja. Aber die Säure ist reif und der Extrakt hoch. Vor allem der Goldberg und der Volz, beides trockene Weine nach der Formel “Säure plus Zwei“, knistern förmlich vor Spannung.
Ähnlich die Situation bei Markus Molitor an der Mittelmosel. Er hat seine Trauben ebenfalls bis weit in den November hängen gelassen – “in der Hoffnung, dass sich die Säuren noch nach unten bewegen”.
Doch in seinem Fall bewegte sich die Säure nicht. Trotz später Lese blieb sie bei 10 bis 12 Gramm stehen. Ein Fall für die Entsäuerung? Nicht bei Molitor. Auch nicht bei seinen kleinen Weinen. Der 2010 Zeltinger Sonnenuhr tut, obwohl “nur” Kabinett (vom Mostgewicht her eine Spätlese), die hohe Säure sogar richtig gut: ein glockenreiner, verspielter, geradezu genialer Wein, der den Gaumen viel abverlangt, ihm aber nicht weh tut. Wie das möglich ist? Ganz einfach: Der Wein ist nicht trocken, sondern fruchtsüß ausgebaut. Der kleine Anteil unvergorener Restzucker nimmt der Säure die Schärfe. “Sensorisch trocken” sagt Molitor dazu.
Es geht also auch ohne Kalziumkarbonat (Entsäuerungsmittel). Natürlich wissen das auch andere Winzer an der Mosel, vor allem wenn sie an ihre edelsüßen Weine denken. Bei Mosten, die für Auslese, Beeren- und Trockenbeerenauslese vorgesehen sind, haben auch sie von einer Entsäuerung Abstand genommen. 12 bis 15 Gramm Säure im Wein – das gibt es nicht alle Tage.
Fazit: Für edelsüße Moselweine war 2010 ein Traumjahrgang! Bei den anderen Weinen heißt es: probieren.