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Unter 10 Euro: Scheurebe feinherb von Sinß

Wenn das Wort nicht so schrecklich steif klingen würde, könnte man von diesem Wein durchaus sagen, er sei seriös: gradlinig, sauber, mineralisch-fruchtig mit einem zarten Grapefruit-Einschlag. Seine Restsüße ist so sparsam dosiert (17 Gramm), dass  er fast trocken schmeckt. Und der Preis ist moderat. 6,60 Euro kostet die Flasche.

Unkompliziert, aber nachhaltig

„Einfach und lecker“ sagt der Winzer selbst über ihn, und man könnte ihm vollauf zustimmen, wenn „lecker“ nicht ein noch schrecklicheres Adjektiv wäre als seriös. Aber für junge Weintrinker ist lecker oft das entscheidende Geschmackskriterium. Und hier passt es ausnahmsweise. Der größte Vorteil dieser leichten Scheurebe (11,5 Vol.%) ist, dass sie völlig unkompliziert getrunken werden kann, aber dennoch nachhaltig ist. Sie ist nicht breit, nicht parfümiert und könnte auch jene Weintrinker überzeugen, die eine Scheurebe normalerweise nicht anrühren (für alle, die nicht genau wissen, was Scheurebe ist: eine Kreuzung von Riesling x Buketttraube).

Riesling-Herkunft unverkennbar

Scheureben neigen allgemein dazu, Stachelbeer-, Paprika- und schwarze Johannisbeer-Aromen zu entwickeln, wie sie für Sauvignon blanc-Weine typisch sind. Für die Sinß’sche Scheurebe gilt das nicht. Sie erinnert mit ihrer kräftigen Säure eher an einen Riesling als an einen Silvaner. Die Fan-Gemeinde des Philadelphia-Frischkäses wird diesen Wein lieben, die Freunde selbst gewickelter Reisblatt-Frühlingsrollen mit Hoisin-Sauce höre ich schon kreischen vor Freude. Ich selbst würde diese Scheurebe zu einem Leberwurstbrot trinken oder in der Hängematte ohne alles, gut gekühlt natürlich, und wenn mir niemand die Flasche wegnimmt, könnte es sein, dass ich trinke, bis sie leer ist. Political correctness verbietet es zwar, so etwas zu schreiben. Aber sich das vorzustellen, ist nicht verboten.

Hoffnungsvoller Nahe-Winzer

Der Winzer heißt übrigens Johannes Sinß. Er wird in wenigen Tagen 29 Jahre alt und gehört zu den hoffnungsvollen Nachwuchs-Winzern der Nahe. Er arbeitet im Weingut seiner Eltern in Windesheim. Der Geisenheim-Absolvent, der bei Mossbacher in der Pfalz praktiziert hat und schon mal eine Lese in Neuseeland mitgemacht hat, ist für den Keller zuständig und hilft dem Vater bei der Pflege der Weinberge. Zehn Hektar kann einer nicht allein bewirtschaften. Die Mutter kümmert sich um Büro und das Lager – die normale Arbeitsteilung eines typischen deutschen Familienweinguts.

Beeindruckende Kollektion

Auffallend ist hohe Qualität der Sinß-Weine, nicht nur der Scheurebe. Weißburgunder, Grauburgunder, Spätburgunder, Riesling – sie alle beeindrucken durch Substanz, Präzision, Vielschichtigkeit. Dabei gehört Windesheim nicht zu den Brennpunkten des Anbaugebiets. Es liegt in einem kühlen Seitental der Nahe, das bei Langenlonsheim endet. Berühmte Steillagen wie an der mittleren Nahe gibt es dort nicht. Um mit den großen Naheweinen auf Augenhöhe zu sein, ist viel Arbeit nötig. Und Leidenschaft. Johannes besitzt sie. Er macht keinen Wein, er lebt ihn. Selbst im Urlaub muss er Reben sehen, egal ob sie in der Champagne, an der Loire, in Südtirol oder am Douro in Portugal stehen.

Jedenfalls findet man eine so beeindruckende Kollektion an Weinen, wie Sinß sie hat, nicht immer nicht bei Weingütern, die sich mit drei Trauben im Gault Millau schmücken können. Sinß hat nur eine Traube.


2014 Scheurebe feinherb | Weingut Rudolf Sinß
Preis: 6,60 Euro
Bezug: www.weingut-sinss.de


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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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