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Unter 10 Euro: toller 2011 Chianti Rufina von Villa Travignoli

Der Chianti Rufina von Villa Travignoli hat alles, was das Toskana-Herz begehrt: diesen unverwechselbaren Duft von Veilchen und dunkler Beerenfrucht, diese typisch mediterrane Würze, in der Lorbeer, Wacholder, Pinienholz und Rosmarin eine unwiderstehliche Duftmelange bilden, dieses körnige, nicht ganz glatte, aber auch nicht rumpelige Tannin, das den Wein strafft und innerlich zusammenhält. Dazu die zarte, aber deutlich spürbare Säure, die verhindert, dass er seine Spannung verliert und marmeladig wird. Und natürlich dieses herrlich fruchtige Finale, bei dem man sich wünscht, dass mit dem ersten Glas eine Bruschetta mit Steinpilzen, ein Spießchen mit Rosmarin-Schweineleber, eine Portion Pappardelle al lepre (mit Wildhasenragout) oder eines der zahlreichen anderen Bauerngerichte der Toskana serviert werden möge.

Authentisch, delikat, anspruchsvoll

Ein authentischer Chianti also, der zeigt, dass dieser Wein auch in seiner einfachen Version, also ohne mehrjährigen Fassreife oder gar Barrique-Ausbau, ein höchst delikater und durchaus anspruchsvoller Wein sein.

Giovanni Busi | Foto: © Travignoli
Giovanni Busi

„Unser einfacher Chianti Rufina ist der Wein, den die Menschen in der Gegend früher täglich tranken und der ihr Leben begleitete wie ein Schutzengel“, sagt Giovanni Busi, der Besitzer von Villa Travignoli.

Natürlich klemmt die Aussage ein wenig. Denn der Chianti von heute ist wesentlich feiner als die bäuerlichen Chianti von einst, die in der Bastflasche auf den Tisch kamen und über den Gaumen rumpelten wie ein Ochsengespann über die Feldwege. Aber noch heute ist der Chianti für die Menschen in der Toskana jener Alltagswein, der er damals auch war: herzhaft, wohlschmeckend, vertraut und erschwinglich auch bei kleinem Budget. Mit 8,15 Euro pro Flasche fällt der Travignoli-Chianti in die Kategorie „bezahlbar“.

Ist Chianti schlechter als Chianti Classico?

Einen Chianti Classico in dieser Preislage zu finden, ist inzwischen fast unmöglich geworden – zumindest einen der besseren. Die Preise für diese Weine haben sich in den letzten 20 Jahren stetig erhöht. Die führenden Erzeuger verlangen heute zwischen 14 und 18 Euro für den jungen Wein, wobei der Ehrlichkeit halber hinzugefügt werden muss, dass die Qualität der sogenannten einfachen Weine teilweise sehr hoch ist. Manchmal weisen sie fast schon Riserva-Qualitäten auf.

Ist ein Chianti nun schlechter als ein Chianti Classico? Die Antwort lautet: nicht zwangsläufig. Es gibt exzellente Chianti-Weine und schwache Chianti Classico-Vertreter. Umgekehrt natürlich auch. Der Unterschied zwischen beiden Weinen liegt in der Herkunft. Ein Chianti Classico kommt immer aus jenem historischen Bereich zwischen Florenz und Siena, der schon im 18. Jahrhundert als für den Wein besonders geeignetes Anbaugebiet beschrieben wurde. Doch gibt es auch außerhalb dieses Gebiets hervorragende Lagen, die potenziell genauso gute Weine hervorbringen können.

Terroir-Wein, kein homogenisiertes Produkt

Der Travignoli-Chianti ist ein Beispiel dafür. Er kommt aus einer der sieben Unterzonen des Chianti: Rufina. Sie ist etwas kühler ist als das Chianti Classico. Weintrinker, die feine Unterschiede herausschmecken können, werden merken, dass die Weine dieser Unterzone eine etwas höhere Säure und ein etwas raueres Tannin aufweisen. Terroir-Weine also, keine homogenisierten, industriellen Produkte.

Villa Travignoli | Foto: © Travignoli
Villa Travignoli

Das Weingut liegt 25 Kilometer von Florenz entfernt bei Pontassieve, eingebettet zwischen Reben, Oliven und Wald. Um 1100 wurde der Name Travignoli erstmals dokumentarisch erwähnt, um 1800 wurden die Grafen Busi Besitzer. Heute gehören ihnen 70 Hektar Weinberge. Sie sind größtenteils mit Sangiovese kultiviert, der Leitsorte der Toskana. Ihr einfacher Chianti ist ein reinsortiger Sangiovese-Wein, der sechs Monate im großen Holzfass ausgebaut wurde.

Genusszeit? Jetzt oder nie!

Giovanni Busi, Präsident der Rufina-Winzer und des Schutzkonsortiums Vino Chianti, sagt, er könne 10 bis 15 Jahre altern. Mag sein. Aber jetzt ist die Frucht frisch, packt das Tannin richtig zu, ist folglich der ideale Zeitpunkt, den Wein zu genießen.

Etikett 2010 Chianti Rufina | © Travignoli
Etikett 2011 Chianti Rufina

Übrigens war es Mussolini, der fand, dass auch Gegenden der Toskana, die nicht zur historischen Kernzone gehören, vom Bekanntheitsgrad des Namens „Chianti“ profitieren sollten. Folglich ließ er 1927 die Grenzen weit ziehen. In einem Dekret wurden die Hügel nördlich von Florenz ins Chianti eingemeindet, außerdem die ganze westliche Toskana von Pistoia über San Gimignano bis nach Pisa. Im Osten reichte das Chianti bis nach Arezzo, im Süden bis nach Montalcino. Alle, die in diesen Zonen Rotwein nach traditionellen Regeln erzeugen, durften und dürfen noch heute ihren Wein Chianti nennen.

Qualität gut, Bezeichnung umstritten

Erst 1932 wurden die Grenzen des Chianti Classico präzise festgelegt und damit vom Chianti abgegrenzt. Die Verwendung des Attributs „Classico“ war fortan auf Weine beschränkt, deren Herkunft in der historischen Zone liegt. Seitdem sind die Beziehungen zwischen den Winzern beider Chianti frostig. Klar: Die Classico-Winzer hätten den Ausdruck „Chianti“ gerne für sich reserviert.

Die Chianti-Winzer aber denken gar nicht daran, den Namen herzugeben, zumal die Produktionsstatuten für den Chianti in den meisten Punkten mit denen des Chianti Classico gleich sind. Die Weine müssen zu 80 Prozent aus der Sorte Sangiovese bestehen, dürfen aber auch reinsortig aus Sangiovese gekeltert sein. Der Zusatz von weißen Trauben ist seit 1996 strikt verboten. Die Trauben-Höchsterträge sind im Chianti Classico mit 7500 Kilogramm pro Hektar nur unwesentlich niedriger als im Chianti (8000 Kilogramm), wobei es keinem Chianti-Winzer verboten ist, sie zu unterschreiten. Allerdings dürfen sie ihre Weine nicht mit dem Schwarzen Hahn schmücken. Er ist das Symboltier ausschließlich der Chianti Classico-Winzer.

Doch darauf kann dieser Wein gut verzichten. Übrigens: Im Weinshop der Wochenzeitung „Die Zeit“ war der Wein ganz schnell ausverkauft.

Preis: 8,15 Euro
Bezug: Titanic Warenhandelsgesellschaft

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2 Kommentare

  1. Die Darlegungen von Jens Priewe über das Weingut  „Villa Travignoli“ haben mich sehr erfreut. Besuche des Weinguts und Gespräche mit Giovanni Busi haben mich zu einer ähnlichen Beurteilung des Weinguts kommen lassen. Seit mehr als drei Jahren habe ich den Wein dieses Weinguts in das kleine, aber umsichtig ausgewählte Sortiment meines Importunternehmens aufgenommen.

    Armin Hebel

    La Vite  – Weinimport
    http://www.lavite-enoteca.de

  2. Der liebste Weg, neue Weine zu entdecken ist für mich auch der Urlaub in die Toskana. Am besten noch von kleinen unbekannten Weingütern. Oft wird man sehr freundlich empfangen und kann nach Belieben probieren. Die Preise sind meist auch günstig – das selbe gilt im Übrigen auch für Olivenöl.
    Leider kann man diese Weine oft nicht in Deutschland nachkaufen, auch nicht online.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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