Cremisan heißt das Weingut der Salesianer Don Boscos in Beit Jala, einem Vorort von Bethlehem nur wenige Kilometer von der Grenze zu Israel entfernt. Bethlehem ist eine der wenigen christlichen Hochburgen im Westjordanland und Cremisan das einzige Weingut Palästinas.
Da 75 Prozent der Bevölkerung im Westjordanland aus palästinensischen Muslimen besteht, für die ein striktes Alkoholverbot gilt, ist der Markt für Wein auf die christlichen und jüdischen Bevölkerungsteile begrenzt.
Griffiges Tannin
Der größte Teil der Weinbergterrassen von Cremisan liegt direkt um das Kloster herum. Angebaut werden viele einheimische Sorten, etwa Daboukey, Hamdani, Jandaley und Baladije abjad. Sie ergeben delikate, leicht zitrusfruchtige Weißweine mediterraner Prägung. Interessanter sind die Rotweine, insbesondere der samtig-weiche Baladi aus der einheimischen Rebsorte Balatije azmar. Er ist nicht marmeladig, sondern frisch mit griffigem, reifen Tannin. Er weist einen überraschend niedrigen Alkoholgehalt auf (12,5 Vol.%), was man bei einem Wein aus dem heißen Westjordanland auch nicht unbedingt erwarten kann.
Besser als Acalon und Cabernet Cubin
Und wenn man ihn mit deutschen Rotweinen wie Dornfelder, Acalon oder Cabernet Cubin oder anderen modischen Kreuzungsreben vergleicht, fällt auf, dass der Baladi keine unreifen, „grünen“ Noten aufweist. Kurz: ein gut gemachter, reicher Wein mit feinem Beeren- und Würzaroma, der Spaß macht und nie ins Banale abdriftet. Gleiches gilt für den Cabernet Sauvignon, der in geringeren Mengen produziert wird und noch aromentiefer und strukturierter ist.
Cotarella schickt Kellermeister
Meister-Önologe Riccardo CotarellaVielleicht ist die gute Qualität dem Umstand geschuldet, dass ein großer Teil der Weinberge des Cremisan-Klosters zwischen 600 und 800 Metern hoch liegt, wo die Temperaturen nachts stark abfallen und die Tageshitze mildern. Sicherlich hat sie aber mit dem italienischen Önologen Riccardo Cotarella zu tun, einem der gefragtesten Weinberater Europas. Rund 80 Weingüter hören auf seinen Rat, größtenteils in Italien, aber auch in Bordeaux, in Übersee – und seit einigen Jahren in Palästina. Cotarella achtet penibel darauf, dass die Trauben nicht überreif gelesen werden. Er hat angeordnet, dass sie danach schnellstmöglich auf die Kelter kommen. Er lässt den Wein zwölf Monate in gebrauchten, kleinen Holzfässern ausbauen. Er hat einen seiner besten Schüler nach Palästina geschickt und zum Kellermeister des Salesianer-Klosters gemacht.
Lokaler Markt zusammengebrochen
Viel schwieriger als die technischen Abläufe im Inneren sind freilich die politischen Voraussetzungen, unter denen das Kloster arbeiten muss. Seit der zweiten Intifada im Jahre 2000 ist die lokale Nachfrage nach dem Cremisan-Wein immer weiter zurückgegangen. Die Einfuhrverbote für Waren aus Palästina und der Bau der Sperranlage zwischen Israel und dem Autonomiegebiet haben den lokalen Markt nahezu zusammenbrechen lassen.
Der Ausweg aus der drohenden wirtschaftlichen Katastrophe konnte nur darin bestehen, auf den Exportmärkten Fuß zu fassen. Seitdem werden die Cremisan-Weine auch in Japan, England und Deutschland angeboten. Dort hat sich ein weinkundiger Pfarrer der Bethlehem-Weine angenommen: Georg Dittrich aus dem fränkischen Pleinfeld. Er hat intensiv über die Wurzeln des Weinbaus im Nahen Osten recherchiert und eine kleine Monografie über den Weinbau im Heiligen Land geschrieben. Seit 2004 importiert er auch die Cremisan-Weine.
„Eine Schandmauer“
Die „Schandmauer“Doch die größte Katastrophe passierte im letzten Jahr: Eine acht Meter hohe Sicherheitsmauer wurde quer durch das Cremisan-Tal gezogen: eine Sicherheitsmaßnahme Israels, um zwei neu errichtete jüdische Siedlungen in der Nähe vor möglichen Angriffen palästinensischer Radikaler zu schützen. Seitdem ist das Salesianer-Kloster samt Weinkeller von Bethlehem getrennt. 58 christliche Palästinenser-Familien sind dadurch von ihren Weinbergen und Olivenhainen abgeschnitten. Faktisch enteignet. Dabei sind es ihre Trauben, aus denen ein großer Teil der Cremisan-Weine erzeugt wird. Mit den Erlösen konnten die Salesianer eine Berufsschule finanzieren, in der über 100 Studenten eine technische Berufsausbildung erhalten – übrigens Christen und Muslime gleichermaßen. „Eine Schandmauer“, sagt Dittrich.
Die Weine
2011 Baladi | Cremisan Wine Estate, Bethlehem
Preis: 10,60 Euro
2011 Cabernet Sauvignon | Creminsan Wine Estate, Bethlehem
Preis: 11,50 Euro
Bezug: Cremisan.de
Nachtrag: Ursprünglich war dieser Beitrag für die Rubrik „Unter 10 Euro“ vorgesehen. Die Preise für die Weine wurden angesichts der bedrängten Situation des Klosters Cremisan gerade leicht erhöht.