Ulmer Weinstudie: Durch Wein wird niemand zum Moppel

Junge Frau trinkt Wein und isst Chips dazu
Ist man am Ende des Jahres 5 Kilo schwerer, wenn man jeden Tag ein Glas Wein trinkt? Diese Behauptung hat eine Fernsehsendung aufgestellt. Sicher, Wein ist nicht kalorienfrei. Aber dick machen Schokoriegel, Kartoffelchips, Nutellabrote, Gummibärchen, Cola, Eistee. Wer sich vernünftig ernährt und moderat Wein trinkt, nimmt eher ab als zu. Das hat die Ulmer Weinstudie gezeigt.

Was ist dran an der TV-Behauptung? Nichts! Den­noch war der Tenor des jun­gen, über­wie­gend weib­li­chen TV-Publikums im Chat nach die­ser Sen­dung klar: Nie wie­der Wein. Nur noch Mine­ral­was­ser, Frucht­saft, Obst.

Wer diätet, greift schneller zu Süssigkeiten

Wer sich eine Hun­ger­di­ät ver­ord­net und von Obst und Mine­ral­was­ser ernährt, greift – das weiß die Süs­sig­kei­ten­in­dus­trie längst – zwi­schen­durch beson­ders gern zu Scho­ko­la­de, Müs­li­rie­gel, Papri­ka­chips, Gum­mi­bär­chen, Cra­cker, Knab­ber­ge­bäck. Oder trägt in den Netz­sei­ten­ta­schen sei­nes Ruck­sacks einen Tetra­pack Eis­tee oder Apfel­schor­le mit sich her­um, um sich zwi­schen­durch immer wie­der zu dopen. Der Zucker­ge­halt der meis­ten die­ser Pro­duk­te ist hoch. Des­halb wir­ken die­se heim­li­chen Kalo­rien­bom­ben auch so gut. Sie hal­ten die Lebens­geis­ter bei Laune.

Natür­lich ist Wein kein kalo­rien­frei­es Pro­dukt. Ein Glas Weiß­wein mit 12 Vol.% ent­hält knapp 70, zwei Glas 140 Kalo­rien. Zwei Glas Wein pro Tag ist die Men­ge, die Frau­en nach Mei­nung der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on (WHO) risi­ko­los kon­su­mie­ren kön­nen (wenn sie nicht gera­de schwan­ger sind). Risi­ko­los – das heißt: auch ohne die Gefahr, über­ge­wich­tig zu werden.

Heidi Klum & Co. progagieren die Abstinenz

Sicher, Wein ist nicht lebens­not­wen­dig. Ernäh­rungs­phy­sio­lo­gisch könn­te man pro­blem­los auf ihn ver­zich­ten. Models wie Eva Pad­berg, Hei­di Klum, Nao­mi Cam­pell tun es. Sie beto­nen bei jeder Gele­gen­heit, dass sie abs­ti­nent leben. Wenn sie kei­nen Wein mögen oder kei­nen Alko­hol ver­tra­gen – okay. Aber der Kalo­rien wegen – pure Heuchelei.

Viel dring­li­cher wäre es, die klei­nen, kalo­rien­träch­ti­gen Zwi­schen­mahl­zei­ten vom Spei­se­zet­tel zu strei­chen. Doch gera­de auf sie kön­nen die figur­be­wuss­ten Kalo­rien­zäh­ler am schwers­ten ver­zich­ten. Sie brau­chen sie. Wegen ihrer unge­sun­den Fruchtsaft-, Quark- und Obst­di­ät sind sie lebens­wich­tig für sie.

Apro­pos Frucht­säf­te: Ein 0,25-Glas han­dels­üb­li­cher Apfel-, Orangen- oder Grape­fruit­saft hat in der Regel genau­so so vie­le Kalo­rien wie ein 0,1-Glas schwe­rer Rot­wein (näm­lich 120 Kalo­rien). Fast alle die­se Säf­te sind gesüßt. In einem Glas sind umge­rech­net zwi­schen drei und zehn Zucker­wür­fel. Rot­wein ist dage­gen trocken.

Auch frisches Obst hat viele Kalorien

Natür­lich kann man sich sei­nen Frucht­saft selbst pres­sen, hat Hei­di Klum in einer Zei­tungs­in­ter­view vorg­schla­gen. Pri­ma Idee! Ein ein­zi­ger Apfel ent­hält aller­dings auch schon rund 50 Kalo­rien – genau­so viel wie eine Oran­ge oder ein Pfirsich.

Der Saft von drei Oran­gen ist also eben­so kalo­rien­hal­tig wie zwei Glas Wein. Eine Bana­ne hat sogar 90 Kalo­rien. Und wer täg­lich 300 Gramm Wein­trau­ben roh oder als Saft zu sich nimmt, müss­te – um in der TV-Logik zu blei­ben – am Ende des Jah­res sogar 10 Kilo schwe­rer sein. Die Weintrauben-Ration hat näm­lich 200 Kalorien.

Sein Gewicht hal­ten wird nicht, wer hero­isch auf Wein ver­zich­tet. Über­ge­wicht ver­hin­dern kann nur, wer sein gesam­tes Ess- und Trink­ver­hal­ten kon­trol­liert. Leicht ist das nicht, beson­ders für Wein­trin­ker. Denn Wein macht Appe­tit, nicht nur auf ein zwei­tes oder drit­tes Glas, son­dern auch auf fes­te Nah­rung. Schnell ißt man einen Tel­ler Spa­ghet­ti mehr, wenn der Rot­wein dazu gut mun­det. Nur wer auch beim Essen maß­hält, ver­hin­dert, dass er auf Dau­er zum Mop­pel wird.

Die Ulmer Weinstudie

Das ist zumin­dest das Ergeb­nis einer Unter­su­chung, die Dr. Her­wig Dit­schuneit vor drei Jah­ren mit 40 über­ge­wich­ti­gen Pati­en­ten an der Abtei­lung für Inne­re Medi­zin der Uni­ver­si­täts­kli­nik Ulm durch­ge­führt hat. Alle mach­ten eine Reduk­ti­ons­di­ät. Ein Teil durf­te zum Abend­essen ein Glas Weiß­wein trin­ken, der ande­re Teil nicht. Dit­schuneit konn­te beob­ach­ten, dass die Wein­trin­ker teil­wei­se schnel­ler abnah­men als die Abs­ti­nen­ten. „Mode­ra­ter Wein­ge­nuss gefähr­det nicht den Diä­t­er­folg, son­dern scheint ihn ten­den­zi­ell sogar zu unter­stüt­zen“, fasst der Ernäh­rungs­exper­te zusam­men. Sei­ne Unter­su­chung ist als Ulmer Wein­stu­die in die For­schungs­li­te­ra­tur eingegangen.

Nächs­te Woche erscheint Teil 2 zum The­ma „Wein als Dick­ma­cher“. Dar­in ist zu erfah­ren, wie vie­le Kalo­rien ein­zel­ne Wei­ne haben.

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