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Über den Glasrand hinaus: leichtere Weinflaschen

„Es kommt nicht auf das Äußere an“ wird uns seit frühester Kindheit eingebläut. Und doch achten wir häufig auf Äußerlichkeiten, auch beim Wein. Oder besser gesagt, besonders beim Wein. Wir wissen, dass Glas für gut ein Drittel des CO2-Fußabdrucks von Wein verantwortlich ist. Dass der Transport und die Herstellung von Glasflaschen mehr als die Hälfte der Treibhausgas-Emissionen eines Weinproduzenten ausmachen. Wir wissen, dass etwa der Wechsel von Glas zu alternativen Verpackungsformaten bis zu 750 Millionen Kilogramm CO2-Emissionen pro Jahr allein in England einsparen könnte – und doch hängen wir an dem 400 Jahre alten Irrglauben, dass Wein in Glasflaschen gehört.

Wenn schon Glas, dann bitte leicht

Interessanterweise sind es nicht die alternativen Verpackungsmethoden, die im Laufe des vergangenen Jahres am meisten Aufmerksamkeit erhielten, sondern eine alternative Herangehensweise an traditionelle Verpackungsformen. Das Stichwort hier ist: leicht.

Gegen Ende des vergangenen Jahres verkündete die europäische Glasmanufaktur Verallia, die leichteste Bordeaux-Flasche der Welt entworfen zu haben, mit nur 300 Gramm Gewicht. Der Glas-Standard lag bisher bei knapp 400 Gramm. Eine durchschnittliche 0,75 Liter-Weinflasche wiegt etwa 575 Gramm, einige Schwergewichte bringen sogar 900 Gramm auf die Waage. Die Produktion der Bordelaise Air 300G wird noch in diesem Jahr beginnen. Darüber hinaus testete Verallia im März letzten Jahres die leichteste Champagner-Flasche, die nochmal 35 Gramm leichter ist und damit noch einmal 4 Prozent weniger CO2 ausstößt.  Die Champagne war übrigens die erste Weinregion, die sich bereits vor über zehn Jahren mit diesem Thema beschäftigte.

Alois Lageder liess eine Burgunder-Leichtflasche entwickeln

Der italienische Bio-Produzent Alois Lageder hat vor kurzem eine leichte Flasche im Burgunder-Stil angeboten, entwickelt zusammen mit der Schweizer Glasmanufaktur Vertropack. So konnte der jährliche Glasverbrauch des Produzenten um 17 Prozent (beziehungsweise um 87 Tonnen) reduziert werden. Für Lageder erstreckt sich der Wille zur Veränderung sogar über die eigenen Grenzen hinaus: Lageder entschied, die 450 Gramm leichte Flasche mit Namen „Summa“ nicht patentieren zu lassen, in der Hoffnung, dass dies andere Produzenten animieren wird, ebenfalls auf „leicht“ umzustellen.

Auch der VDP setzt auf eine leichtere Flasche für die GG

In der Branche steigt der Druck auf die Produzenten, ihren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Der Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) berichtet, dass im vergangenen Jahr 45 seiner 200 Verbandsmitglieder die leichten Glasflaschen mit der Prägung des GG-Signets für ihre Großen Gewächse verwendeten. Diese speziell gestalteten Flaschen wiegen 580 Gramm, statt vorher 750 Gramm. Weitere Beispiele sind auf der gesamten Lieferkette zu finden. Die britische Weinkritikerin Jancis Robinson, eine lautstarke Verfechterin leichter Glasflaschen, gibt neuerdings auch das Flaschengewicht in ihren Punktbewertungen auf https://jancisrobinson.com an. Und das staatliche schwedische Unternehmen Systembolaget, das über ein Monopol auf den Einzelhandel mit alkoholischen Getränken verfügt, hat für Still- und Schaumwein-Einwegflaschen eine strenge Gewichtsbeschränkung zum 1. März 2024 eingeführt.

Fortsetzung nächste Woche: Alternativen zur Glasflasche für Wein

AUTOREN:

Paula Redes Sidore ist eine US amerikanische Weinjournalistin, die seit vielen Jahren in Deutschland lebt und für die Weinplattform Purple Pages von Jancis Robinson schreibt. Sie ist eine IHK-geprüfte Sommelière, Inhaberin der Wein-Übersetzungsagentur „Weinstory“ und Co-Gründerin des englischsprachigen Internet Magazins „Trink“, das sich mit deutschen, österreichischen, Südtiroler und Schweizer Weinen beschäftigt.

Stuart Piggott, 1960 in London geboren, ist Weinkritiker, Buchautor und einer der weltweit besten Kenner des deutschen Weins. Er lebt seit vielen Jahren in Deutschland und schreibt Tasting Reports für die internationale Weinplattform von James Suckling.

 

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