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Trotz Mandelblüte und Frühlingsgefühlen: Väterchen Frost lauert…

Wenn die Mandelbäume blühen und die Cafés Stühle und Tische vor die Tür stellen, beginnen die Winzer zu zittern. Die Eisheiligen stehen vor der Tür. Nach dem Kalender kommen sie erstmals am Freitag dieser Woche. Außerhalb Deutschlands haben sie dieses Jahr schon zugeschlagen: Die Champagne hat ihren ersten verheerenden Spätfrost erlebt.

In der letzten Woche stiegen die Temperaturen im Osten und im Süden Deutschlands bis auf 23 Grad – die Natur explodierte. Birken und Kastanien ergrünten, Maiglöckchen und Primeln blühten auf, Mandelbäume präsentierten sich im kitschigsten Rosa.

Ein gefährliches Szenario. Denn der Winter ist noch nicht vorbei. Immer wieder dringen arktische Luftströmungen nach Europa ein und richten schwere Schäden an. Besoders hart trifft es die Obst- und Weinbauern. Die vorhergehende Wärme hat den Saft in Reben und Bäume schießen lassen. Die Knospen springen auf, Blätter und Blüten entwickeln sich. Bei einem plötzlichen Temperaturabfall auf minus 3 Grad oder tiefer gefriert der Saft. Folge: Die Pflanzen sterben ab.

Böse Erinnerung: der 2011er Frost in Franken

So geschehen im letzten Jahr in Franken. Nach dem heißesten April der letzten 30 Jahre drang in der Nacht vom 5. auf den 6. Mai plötzlich polare Kaltluft aus Polen in das Weinanbaugebiet ein und zerstörte große Teile der Reben. Die Stöcke standen schon voll im Laub. Erst ließen sie die Blätter, dann die Triebe hängen. Einige Weingüter haben in jener Nacht über 50 Prozent ihrer Ernte verloren.

In diesem Jahr ist Deutschland von Spätfrösten bislang verschont geblieben. Aber die fünf Eisheiligen stehen vor der Tür. Mamertus, der erste Eisheilige, kommt laut Kalender schon am Freitag dieser Woche zu uns. Ab Samstag folgen dann Pankratius (12.5.), Servatius (13.5.), Bonifazius (14.5.) und die Kalte Sophie (15.5.). Sie ist die schlimmste dieser merkwürdigen Heiligen.

In Frankreich haben die Eisheiligen schon zugeschlagen

In Frankreich haben sie bereits ihr Unwesen getrieben. In der Nacht vom 12. auf den 13. April drangen sie in der Champagne ein und drückten das Thermometer auf minus 3 Grad Celsius. Bis zu einem Drittel der Weinberge waren betroffen. Ob sie nur frostgeschädigt oder zerstört sind, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.

Am schlimmsten traf es in dieser Nacht die Côte des Blancs. Just in den Dörfern Avize, Cramant und Chouilly, in denen die Chardonnay-Reben wegen ihrer guten Sonnenexposition schon zwei bis drei Blätter entwickelt hatten, richtete der Frost die schwersten Schäden an. Besonders konsterniert ist die Champagnerindustrie über das Wüten der Eisheiligen. Ernteeinbußen durch Frost führen zu steigenden Traubenpreisen, und einige große Champagnerhäuser, etwa Moët & Chandon, müssen ihre Trauben bis zu 100 Prozent zukaufen, weil sie keine eigenen Weinberge besitzen.

Große Schäden an der Côte des Blancs

Auch in den tiefer gelegenen Dörfern Aÿ, Mareuil-sur-Aÿ and Avenay wurde der wegen seiner Frühreife gegen Frost besonders anfällige Chardonnay hart getroffen. In der Nacht vom 16. auf den 17. April sank das Thermometer sogar auf minus 5 Grad Celsius. Selbst der später austreibende Pinot Noir hat gelitten.

Früher zündeten die Winzer in Frostnächten Autoreifen in den Weinbergen an, um die Kälte zu vertreiben. Oder sie stellten zwischen den Rebreihen Dutzende von Öfen auf, um zu verhindern, dass die kalte Luft am Boden liegen bleibt.

Ventilatoren gegen den Frost

Heute sind derartige Maßnahmen verboten. Inzwischen haben die Winzer in den besonders frostgefährdeten Teilen ihrer Weinberge Ventilatoren aufgestellt, die die kalte Luft beständig umwälzen. So können Blätter und Blüten nicht erfrieren. Auch im Weinanbaugebiet des Chablis, das wie die Champagne zu den nördlichsten Frankreichs gehört und ein hohes Frostrisiko birgt, findet man solche Ventilatoren.

Doch dieses Mal blieb Chablis vom Frost verschont. Stattdessen hat es die Gascogne im Südwesten Frankreichs getroffen – ein unerwarteter Kälteeinbruch in Form von Hagel. Im Weinanbaugebiet Madiran, das am Jakobsweg nach Santiago de Compostela liegt und berühmt für seinen tanninreichen, aus der Tannat-Rebe erzeugten Rotwein ist, wurden 200 Hektar Rebflächen zerstört. Bei Château Montus, dem berühmtesten Weingut der Zone, hat der Hagel die Hälfte der Reben zerstört.

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