Woher der Geschmack kommt
Eine Beere besteht zu 90 Prozent aus Wasser. Die restlichen zehn Prozent bewirken, daß ein edles Getränk aus ihr wird.
Die Traube ist die Frucht der Weinrebe. Über sie ist wenig zu berichten. An ihrem Stielgerüst (auch Kamm oder Rappen genannt) sitzen im Herbst 80 bis 150 Beeren, entsprechend der Größe der Traube. Diese variiert von Sorte zu Sorte. Riesling und Pinot Noir haben sehr kleine, kompakte Trauben. Die Picolit-Traube aus dem italienischen Friaul, aus der teure Dessertweine erzeugt werden, bringt meist nur 50 kleine Beeren hervor, die auch noch locker und unregelmäßig an den Stielenden sitzen. Die Sorte neigt zum „Verrieseln“: Nur ein kleiner Teil der Blüten wird befruchtet. Die weiße Ugni Blanc, aus der der Grundwein für die Cognac-Herstellung gewonnen wird, ist dagegen von wesentlich üppigerem Wuchs und trägt bis zu 150 Beeren.
Weinbereitung ohne Stiele
Der Weinbauer erntet Trauben, braucht aber nur deren Beeren. Rote Trauben werden, kaum daß die Trauben am Weingut angekommen sind, sofort entrappt. Das heißt: Die Beeren werden vom Stielgerüst getrennt. Das Stielgerüst selbst wird – von wenigen Ausnahmen abgesehen – zur Weinerzeugung nicht benötigt. Es enthält hart und unreif schmeckende Tannine. Weiße Trauben werden meist mit den Stielen abgepreßt, der ablaufende Most aber ohne sie vergoren.
Weißwein aus roten Beeren
Art und Qualität des Weins hängen von der Beschaffenheit der Beeren ab. Ihr Fruchtfleisch enthält den zuckerreichen Most, der vergoren wird. Der Saft hat eine graugrüne Farbe, gleich, ob es sich um weiße oder rote Beeren handelt. Rot wird ein Wein nur dadurch, dass die Schalen mitvergoren werden. Sie enthalten die Farbpigmente. Wer den Saft roter Beeren ohne die Schalen vergärt, erhält Weißwein (außer bei speziell gezüchteten Hybridreben wie der rotfleischigen Teinturier-Rebe). Das geschieht in der Champagnerproduktion. Zwei der Trauben, aus denen dieser Schaumwein traditionell hergestellt wird (Pinot Noir, Pinot Meunier), tragen rote Beeren. Sie werden zu Weißwein verarbeitet.
Qualität steckt in der Schale
Wichtiger als die Größe der Trauben ist die Größe der Beeren. Weintrauben, die als Tafelobst dienen, haben dicke, runde Beeren, die bis zu 15 Gramm wiegen und viel Saft enthalten. So schmecken sie dem, der sie ißt, am besten. Einige Trauben, die für die Weinbereitung benutzt werden, haben ebenfalls relativ dicke Beeren. Entsprechend groß ist die Mostausbeute, wenn sie abgepreßt werden. Darüber freuen sich vor allem die Massenweinwinzer. Alle höherwertigen Rebsorten haben dagegen kleine Beeren, die nur ein bis zwei Gramm wiegen. Die Mostausbeute ist gering, die Inhaltsstoffe sind entsprechend konzentriert. Vor allem haben viele dieser Beeren eine dicke Schale. Sie enthält jene Stoffe, die die Qualität des Weins ausmachen – vom Zucker einmal abgesehen – die Phenole.
Auf die Phenole kommt es an
Die Schale enthält den größten Teil der Phenole. Phenole umfassen die Farbpigmente, die Tannine und einen Teil der Geschmacksstoffe. Deshalb lautet der Sammelbegriff Polyphenole. Polyphenole sind Sauerstoff-Wasserstoff-Moleküle, die polymerisieren und immer neue Verbindungen eingehen. Im Saft einer Weinbeere finden sich unzählige Phenolverbindungen. Grundsätzlich weisen rote Beeren einen größeren Anteil an Phenolen auf als weiße. Besonders Rotweinwinzer bemühen sich, Trauben mit möglichst hohem Phenolgehalt zu erzeugen, um farb- und geschmacksintensive, gerbstoffreiche Weine zu erhalten. Der größte Anteil an Phenolen befindet sich in den Traubenkernen. Deren Phenole sind jedoch wenig erwünscht. Die für den Rotwein feinsten Phenole sitzen in der Schale der Beere.
Die Anthocyane
Die blauen Farbpigmente der Beere werden Anthocyane genannt. Sie sitzen fast ausschließlich in der Schale und sind vor allem in Alkohol, etwas schwerer auch in Wasser löslich. Deshalb genügt es, daß Rotweinmost vor der Gärung, wenn der Zucker noch nicht in Alkohol transformiert worden ist, einige Stunden Kontakt mit den Schalen hat, um die hellrote Tönung für Roséweine hervorzurufen. Die Schale weißer Beeren enthält keine Anthocyane, dafür Flavone, die gelbe Pigmente enthalten. Weißweine, die ein paar Stunden Schalenkontakt gehabt haben, tendieren daher farblich ins Zitronen- oder Goldgelb.
Die Tannine
Tannin (oder Gerbstoff) ist eine geruchlose phenolische Verbindung, die leicht bitter schmeckt und die Zunge zusammenzieht (adstringierender Geschmack). Es sitzt in der Schale, aber auch in den Traubenkernen und in den Kämmen. In Weißweinen ist Tannin unerwünscht und nur in unbedeutenden Mengen enthalten. In Rotweinen ist Tannin dagegen ein erwünschtes Element, weil es dem Wein Komplexität gibt und ihn altersbeständig macht. Es bindet den Sauerstoff, der in die Flasche dringt, so daß dieser den Wein nicht so schnell verderben kann.
Die Geschmacksstoffe
Es gibt flüchtige und nichtflüchtige Geschmacksstoffe. Zu den flüchtigen, also duftenden, gehören zum Beispiel Methoxypyrazin, das für den krautigpfeffrigen Duft des Cabernet Sauvignon verantwortlich ist, Nerol für den blumig-muskatartigen Duft des Riesling, Megastigmatrienon für den Tabak- und Ledergeschmack eines Brunello di Montalcino. Die nichtflüchtigen geben dem Wein seinen Geschmack. Einige dieser Geschmacksstoffe sind zum Beispiel an Zuckermoleküle gebunden und entwickeln sich erst mit zunehmender Alterung des Weins.