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Terroir-Wein Bue Apis: alte Sorte, alte Reben, alte Winzer

Kommt man – insbesondere bei bedecktem Himmel – zum ersten Mal in die Weinbergslage Pantanella im Hang des Taburno-Massivs, spürt man fast so etwas wie Beklemmung: Die bis zu 27 Meter langen Äste der riesigen Weinstöcke scheinen zu leben. Wie dunkle Pythons schlängeln sie sich über die Erde und um die Pfähle, die sie stützen. Doch die Beklemmung weicht schnell, wenn man erfährt, was es mit diesem Weinberg auf sich hat.

Gepflanzt zu Zeiten des Wiener Kongresses

Das Taburno-Massiv liegt in der süditalienischen Region Kampanien. Genau: anderthalb Autostunden nordöstlich von Neapel. Ein karstiger Hügelzug inmitten wilder Natur, sieht man von den Weinbergen ab. Die Rebanlage, von der hier die Rede ist, gehört zu den ältesten in Italien, ja in Europa. Es sind Aglianico-Reben, die dort wachsen. Aglianico ist die beste und am häufigsten in Kampanien anzutreffende Rotweinsorte.

Alter Aglianico-Rebstock

Die Reben sind wahrscheinlich Anfang des 19. Jahrhunderts gepflanzt worden, zu Zeiten des Wiener Kongresses, also heute zwischen 180 und 200 Jahren alt und wurzelecht. Heißt: nicht veredelt. Oberarmdicke Reben, mannshoch, in sich verknotet, fast herrisch anmutend und den Ort, an dem sie stehen, komplett in Beschlag nehmend. Die Reblaus, die sonst überall in Europa seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts für tabula rasa sorgte und ganze Weinlandschaften verwüstete, hat es bis heute nicht geschafft, an diesen Ort zu gelangen. Das Insekt scheut sandige Böden.

Einer der spannendsten Rotweine Süditaliens

Angelo Piazza und Lucia Caporaso, die betagten Besitzer dieses Weinbergs, den man zum Welterbe der Weinkultur zählen darf, hüten ihre Reben wie einen Augapfel. Zwar tragen diese im Herbst nur wenige Trauben, die aber sind von allererster Güte. Der Wein, der aus ihnen gewonnen wird, ist die größte Kostbarkeit der Cantina del Taburno, die nur tausend Meter von dem alten Weinberg entfernt in dem Dorf Foglianise liegt.

Angelo Piazza und Lucia Caporaso

An sie liefern Angelo und Lucia ihre Trauben ab. Der Wein, den Genossenschaft daraus macht, heißt Bue Apis und ist einer der spannendsten, eigenständigsten und besten Rotweine Süditaliens. Sein Ruf reicht inzwischen weit über Italien hinaus bis nach Nordamerika, wo er seit Jahren schon eine große Liebhabergemeinde hat.

Bue Apis ist eine antike Figur aus ägyptischem Granit, die einen Stier darstellt und 1629 am Flüsschen Sabato bei Benevent gefunden wurde – nicht weit von Foglianise. Heute steht die Skulptur an der Ausfallstraße von Benevent zur Basilica della Madonna delle Grazie.

In der ägyptischen Mythologie spielte der Apis-Stier eine bedeutsame Rolle als Träger der Sonnenscheibe, als Fruchtbarkeitssymbol, bisweilen auch furchterregender und gewalttätiger „Herold“ des Schöpfer- und Totengottes Ptah. Als Symbol der Stärke ist der Name für den Wein geradezu maßgeschneidert.

Unter Kennern genießt der Wein höchsten Respekt

Die alten Stöcke, an denen die Trauben für den Bue Apis wachsen, repräsentieren den Aglianico amaro, eine besonders tanninstrenge Variante der alten Rebsorte, die von den Griechen aus ihrer Heimat mitgebracht und vor rund 2500 Jahren in ganz Süditalien kultiviert wurde. Sie genießt bei Kennern wegen der Komplexität, Eleganz und Alterungsfähigkeit ihrer Weine hohen Respekt. Professor Denis Dubourdieu, weltweit angesehener Önologe der Universität Bordeaux, hält sie für die älteste kommerziell angebaute Rotweinsorte weltweit.

Vor allem in Kampanien und der benachbarten Region Basilikata ist die Aglianco weit verbreitet. Fachleute unterscheiden drei Biotypen: den von Taburno, den von Taurasi und den vom Monte Vulture in der Basilikata. Die letztgenannten zwei Anbaugebiete ergeben mit ihren vulkanischen Böden strenge beziehungsweise pfeffrige Aglianico-Weine. Auf den sand- und kalkigen Lehmböden von Taburno fällt der Wein dagegen etwas würziger aus.

Aglianico pur

Die Cantina del Taburno ist eine Genossenschaftskellerei mit 600 Hektar Rebfläche. Sie hat den besonderen Schutz des Aglianico auf ihr Panier geschrieben und arbeitet dabei mit Professor Luigi Moio zusammen, der an der Universität Neapel den Lehrstuhl für Önologie innehat und als ausgesprochener Spezialist für diese Rebsorte gilt. Am besten ist nach den gemachten und sorgfältig ausgewerteten Erfahrungen eine Pflanzdichte von 5000 Stöcken pro Hektar. Im Hinblick auf Säurepufferung, Milderung der Tannine und Stabilisierung der Farbe gilt die Benutzung der richtigen Fässer als entscheidend. Die Winzer in der Region haben ihren Aglianico-Wein früher gerne mit Cabernet Sauvignon und Merlot verschnitten, um diese Ziele zu erreichen. Diese Sorten sind sowohl im Weinberg wie im Keller viel leichter zu handhaben als die sperrige Aglianico. Außerdem können sie eineinhalb bis zwei Monate früher gelesen werden: nämlich im September und nicht erst Ende Oktober bis Mitte November, wie die Aglianico. Die Beimischung der beiden französischen Rebsorten ist aber nicht zulässig und wird mittlerweile streng kontrolliert – bis hin zur Beschlagnahmung eines ganzen Jahrgangs durch die Finanzpolizei, wie vor einigen Jahren beim Brunello vorexerziert, wo der Verdacht der Beimischung von Merlot bestand.

Verzicht auf Barriques

Marco Giulioli, der Önologe der Cantina del Taburno, sagt, dass man keine Weine im internationalen Stil herstellen möchte. Deshalb reift der Bue Apis auch nicht mehr in Barriques oder in großen Fässern aus slawonischer Eiche, sondern in Kastanienholz-Fässern aus der Region. Etwa 6000 Flaschen werden von ihm pro Jahr gefüllt und sind sofort ausreserviert. In seiner Jugend ist der Wein sehr dicht, bisweilen streng und von hartem Tannin geprägt. Seine innere Komplexität und die feine Nuancierung zeigen sich erst nach einigen Jahren. Geduld ist also vonnöten, um den Bue Apis in vollen Zügen genießen zu können.

Logo der Cantina del Taburno

Bei den alten Ägyptern war die Lebenszeit des Apis-Stiers auf 25 Jahre beschränkt, die sich aus einer Kombination von Sonnen- und Mondzyklus ergaben. Dann wurde das heilige Tier im Nil ertränkt, betrauert und einbalsamiert, um einem Nachfolger Platz zu machen. In guten Jahren kann der Bue Apis diese Lebenszeit auch erreichen.

Der Wein


2011 Aglianico del Taburno DOCG „Bue Apis“| Cantina del Taburno

Saftige, dunkle Waldbeeren und zerriebene Blätter mit einem Hauch Bitterschokolade und einer Spur Tabak; am Gaumen dichte, saftige Fülle, Heidelbeeren und Schwarzkirschen mit feinem Johannisbeer-Biss, leichte, bestens integrierte Vanillenoten, stoffig mit schönem Körper, Spiel, Kraft und Eleganz, exzellente Spannung, langer Nachhall mit feinen Bitternoten. Sollte noch liegen und hat sehr gutes Entwicklungspotenzial.

Bewertung: 92 Punkte
Preis: ca. 55 Euro


2008 Aglianico del Taburno DOC „Bue Apis“ | Cantina del Taburno

In der Nase anfangs zurückhaltend, mit der Zeit entfalten sich intensive, leicht rauchig-erdige Aromen von Schwarzkirsche, würzigen Brombeeren und zerriebenen Blättern, unterlegt von etwas Tabak  und Süßholz; am Gaumen Schwarzkirsche und Waldbeeren, dicht und stoffig, beeindruckende Mineralität, Biss und innere Spannung, Tannine noch etwas sperrig, beachtlicher Körper, sehr langer Nachhall, braucht noch Zeit.

Bewertung: 91 Punkte
Preis: ca. 50 Euro


Bezug: www.la-cantina-weinhandel.de, www.nuritalienischeprodukte.de

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