Nur wenige Weine haben das Potenzial, 50 Jahre alt und älter zu werden. Die wenigen Flaschen, die es aus dieser Zeit noch gibt, gelten als Pretiosen und werden zu Spitzenpreisen gehandelt. Dass sie überhaupt so alt werden konnten, hat mit dem gutem Jahrgang, mit dem Genie der alten Kellermeister und mit einem geeigneten Keller zu tun.
Robuste Alltagsweine
Die meisten Weine sind robuster als früher, weil bei ihrer Herstellung nichts dem Zufall überlassen wird. Sie werden »lehrbuchmäßig« erzeugt: geschönt, stabilisiert, filtriert und mit einer genau bemessenen Dosis Schwefel versehen, die auf ihre Lebenserwartung abgestimmt ist. Auf Hygiene während des Produktionsprozesses wird sehr viel akribischer geachtet als früher. Unerwünschte Keime und Bakterien sind schon im Frühstadium abgetötet, Flasche und Korken penibel sterisilisiert worden. Zumindest die Alltagsweine sind in diesem Punkt Industrieprodukten nicht ganz unähnlich – durchaus zum Vorteil des Konsumenten. Sie überstehen auch lange Autofahrten schadlos. Eine Schiffsreise um den halben Erdball mindert nicht ihre Qualität. Kurzfristige Temperaturschwankungen machen ihnen wenig aus. Sie sind hitzestabil und ziemlich kälteresistent. Selbst heftige Erschütterungen bringen sie nicht dauerhaft aus der Balance. Kurzum: Die meisten Weine sind strapazierfähiger, als besorgte Journalisten die Weintrinker glauben machen möchten.
Empfindliche Spitzenweine
Ihre Strapazierfähigkeit ist jedoch nicht unbegrenzt. Dauerhaft ungünstige Lagerbedingungen haben einen negativen Einfluss auf die Entwicklung des Weins. Das gilt besonders für hochwertige, teure Weine. Sie sind in der Regel weniger »zugerichtet« worden als die einfachen Alltagsweine. Jeder anspruchsvolle Weinproduzent bemüht sich nämlich, Trauben, Most, Maische und Wein in seinem Keller möglichst schonend zu behandeln, um Duft, Geschmack und natürliche Harmonie zu erhalten. Die feinen Weine werden meist nur minimal geschönt, oft gar nicht filtriert und fast immer niedrig geschwefelt. Zu warme Lagerung, Lichteinfluss oder häufiges Bewegen können diesen Weinen erheblich schaden. Wer Weine kauft, die länger als zwei oder drei Jahre lagern sollen, muss deshalb auf richtige Lagerbedingungen achten.
Temperatur und Feuchtigkeit
Eine optimale Kellertemperatur ist eine konstante Temperatur. Sie sollte irgendwo zwischen 6 °C und 16 °C liegen. Auch 20 °C schaden dem Wein nicht. Allerdings verdunstet der Alkohol bei höheren Temperaturen schneller. Außerdem kann bei Weinen, die nicht perfekt stabilisiert worden sind, bei Wärme eine Nachgärung stattfinden. Unangenehme Folge: Sie drückt den Korken aus der Flasche. Ebenso wichtig wie die Temperatur ist die Luftfeuchtigkeit. 85% sind ideal – wie an den Stränden der Karibik. Bei weniger als 60% ist der Keller dagegen zu trocken. Der Kork schrumpft. Die Flaschen werden undicht, lecken oder weisen wegen der erhöhten Verdunstungsaktivität einen größeren Schwund auf. Allerdings passiert das erst nach drei oder mehr Jahren Lagerzeit. Bei über 90% faulen die Etiketten und schimmeln die Korken. Es kann ein muffig-modriger Geruch im Keller entstehen.
Altbaukeller
Glücklich, wer einen Altbaukeller besitzt. Er ist in der Regel dunkel und naturkühl. Da die Außenmauern nicht isoliert sind, ist die Luftfeuchtigkeit gewöhnlich höher als in Neubaukellern: Der Schwund in den Weinflaschen ist nur gering. Nahezu ideale Bedingungen für Weine – sofern nicht gerade Heizungsrohre an den Wänden verlaufen. Einziges Problem: die Temperaturschwankungen. Sie sind in nicht-wärmegedämmten Gebäuden groß. Zwischen Sommer und Winter schwanken sie um 10 °C und mehr. Das ist zu viel. Immerhin ließe sich das Kellerfenster (wenn vorhanden) verbauen und isolieren. In der Nähe verlaufende Heizungsrohre können mit einer dicken Schaumstoffmanschette ummantelt werden, so dass sie keine Wärme mehr abstrahlen. Nutzt das alles nichts, muss ein Kühlaggregat installiert werden. Ansonsten nimmt der Wein langfristig Schaden.
Tipps & Tricks: Flaschen stehend lagern
Nach gutem Brauch werden Weinflaschen heute generell waagerecht gelagert. Die Überlegung: Der Korken soll feucht bleiben. Einfache Konsumweine können freilich auch ohne Probleme stehend gelagert werden. Innerhalb weniger Monate trocknet der Korken nicht aus. Das Risiko eines »Korkschmeckers« wäre ebenfalls deutlich geringer. Aber auch bei alterungsfähigen Weinen hat die stehende Aufbewahrung Vorteile. Die Kontaktfläche zwischen Wein und Sauerstoff ist geringer als in der liegenden Position. Der Wein reift langsamer und hält sich länger frisch. Allerdings müsste der Lagerraum eine erhöhte Luftfeuchtigkeit (etwa 80%) aufweisen, damit der Korken nicht austrocknet.