Gibt es Menschen, die eine feinere Zunge haben als andere? Gibt es »Schmeckblinde«, denen die Welt der Weinaromen verborgen bleibt? Ist die Fähigkeit zu riechen und zu schmecken angeboren? So viel ist sicher: Die Sinnesorgane sind bei den Menschen unterschiedlich ausgeprägt. Wenn einige weniger schmecken als andere, sind jedoch nicht immer nur Nase und Zunge Schuld.
Was schmecken wir wo und wie?
Gaumen, Rachen und Zunge sind mit mehreren tausend Geschmacksknospen besetzt, die auf chemische Verbindungen empfindlich reagieren. Die größte Anzahl an Geschmacksknopsen befinden sich an der Zungenspitze und an den Zungenrändern. Die Zunge ist für Schmeckempfindungen daher wichtiger als Gaumen und Rachenraum. Allerdings ist die Menge der Geschmacksknospen von Mensch zu Mensch verschieden. Manchmal beträgt ihre Zahl nur knapp 100, manchmal gut 400 pro Quadratzentimeter – je nach Erbanlagen. Superschmecker mit 400 Geschmacksknospen reagieren zum Beispiel stark auf scharfe Gewürze, während Menschen mit nur 100 Geschmacksknospen fast als »schmeckblind« gelten können. Zumindest ist ihre Wahrnehmungsschwelle stark herabgesetzt. Beide Gruppen umfassen je 25 Prozent der Bevölkerung. 50 Prozent der Menschen gelten als Normalschmecker. Allerdings nimmt die Schmeckfähigkeit im Laufe des Lebens kontinuierlich ab. Mit 80 Jahren besitzt der Mensch nur noch ein Drittel der Geschmacksknospen, über die er mit 20 Jahren noch verfügte. Dieser Abbauprozess ist nicht aufzuhalten. Zudem kann die Zunge nur vier Geschmacksrichtungen wahrnehmen: süß, sauer, salzig und bitter. Zu feineren Unterscheidungen ist die Zunge nicht fähig. Die Zentren für die Wahrnehmung dieser Geschmacksunterschiede liegen in verschiedenen Zonen auf der Zunge. Dort konzentrieren sich die Geschmacksknospen.
Die Nase
Ein erheblich sensibleres Sinnesorgan als die Zunge ist jedenfalls die Nase. Genauer gesagt: die Riechschleimhaut. Sie ist mit etwa 1,5 Millionen Riechzellen besiedelt, die ein breites Spektrum von Gerüchen unterscheiden können. Das meiste, was der Mensch zu schmecken glaubt, riecht er in Wirklichkeit. Die Schwelle, ab der Gerüche wahrgenommen werden, ist bei den Menschen unterschiedlich ausgeprägt. Auch sie nimmt mit zunehmendem Alter ab. Im Gegensatz zum Schmecken kann der Riechsinn jedoch trainiert werden. Das heißt: Auch alte Weintrinker können eine »Supernase« haben, während untrainierte, junge Menschen in punkto Wein durchaus »Nichtriecher« sein können. Wenn man mit der Nase besser »schmeckt« als mit der Zunge, stellt sich die Frage: Weshalb möchten Weintrinker den Wein unbedingt kosten? Ganz einfach: Weil die Ge- schmacksknospen nicht nur schmecken, sondern auch tasten. Sie sind mit dem Trigeminus-Nerv verbunden, über den die Tastempfindungen an das Gehirn weitergeleitet werden. Mit der Zunge wird daher auch die Viskosität (Dickflüssigkeit) des Weins, seine Samtigkeit (oder Rauheit) und seine Temperatur erlebt.
RIECHEN UND SCHMECKEN
Riechreiz: Die Geruchsmoleküle gelangen durch die Nase (1) an den Riechkolben (2). Über die Cilien (3, Härchen) wird der chemische Reiz in ein elektrisches Signal umgewandelt.
Geruchswahrnehmung:
Auf dem Weg vom Riechkolben (2) zum Großhirn passiert der Duftreiz zunächst den Hypothalamus (4), der Lust- und Unlustempfindungen auslöst. Erst danach wird der Geruch im Cortex (5) bewusst erlebt. Im Schläfengehirn (6, Hippocampus) wird das Geruchsbild gespeichert.
Schmeckreiz:
Der Wein auf der Zunge reizt die Geschmacksknospen (7), die mit dem Schmeckzentrum (8, Gyrus hippocampi) im Cortex verbunden sind. Auf dem Weg dorthin wird er als angenehm oder unangenehm erlebt. Gleichzeitig wird der Wein über den Trigeminus-Nerv »ertastet«.
Riechen retronasal:
Nach dem Schlucken steigt der Duft des Weins im Hals (9) wieder auf und gelangt in die Nasenhöhle (1). Über den Riechkolben (2) wird der Riechreiz nochmals in den Cortex (5) geleitet, mit dem im Geruchsgedächtnis (6) abgelegten »Bild« verglichen, identifiziert und so neu erlebt.
TIPPS & TRICKS: SCHMECKTEST
Mit einem einfachen Test lässt sich feststellen, ob man zur Gruppe der Nichtschmecker oder zu der der Normalschmecker gehört. Mit einem Teelöffel verkostet man einmal blind Frischmilch (3,5% Fett) und ein anderes Mal Sahne (30% Fett). Wenn die Geschmacksknospen die unterschiedliche Viskosität der beiden fetthaltigen Substanzen nicht unterscheiden können, zählt man zu den Nichtschmeckern, die auch andere Geschmacksunterschiede nur unzureichend wahrnehmen.
WIE DIE ZUNGE SCHMECKT
bitter, salzig, sauer, süß
Die Zunge kann nur vier Geschmacksempfindungen wahrnehmen, zu mehr Unterscheidungen ist sie nicht fähig.