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Super-Soave von Inama: Ein kleines Stück Luxus für den Alltag

Wenn Matteo Inama über seine Weine spricht, fällt fast immer der Satz: „Ich will, dass in meinen Weinen das Terroir zum Ausdruck kommt, nicht die Rebsorte.“ Sowas kann nur sagen, wer erstens über ein Terroir verfügt und zweitens es genau kennt. Im Falle von Inama ist beides der Fall. Das Terroir befindet sich im norditalienischen Anbaugebiet Soave, einer Hügelzone nicht weit von Verona, die wegen ihrer vulkanischen Böden berühmt ist und in der seit zwei Jahrtausenden Wein angebaut wird – Weißwein aus der Sorte Garganega. Die Familie Inama ist dort seit 1948 im Weinbau tätig. Wer auf die Website von Inama geht und die zahllosen Fotos von Basaltlavagestein, vulkanischem Tuff, rotem vulkanischem Lehm und Kalksandstein betrachtet, die Matteo gesammelt hat, kann keinen Zweifel haben, dass er seine Böden so genau gut kennt wie die Namen seiner Kinder. „Es gibt nur drei vulkanische Weinbauzonen in Italien“, sagt er und zählt auf: „der Ätna auf Sizilien, die Campi Flegrei bei Neapel und Soave. Die Böden dieser Gegenden sind es, die den Wein ihren florealen Duft und ihre mineralische Frische geben, sie also unverwechselbar machen.“

Vulkanbasalt in Soave

Ab den 1980er Jahren gingt die Unverwechselbarkeit verloren

Der Wein heißt Soave, wie das Anbaugebiet, und ist ein alter Bekannter. Bis in die 1970er Jahre war er der berühmteste Weißwein Italiens. Er füllte die Regale des Weinhandels und durfte auf keiner Weinkarte eines italienischen Restaurants fehlen, weder in Amerika noch in Deutschland, den beiden wichtigsten Absatzmärkten. Doch Anfang der 1980er Jahr begann der Stern des Soave zu sinken. Die weltweite Nachfrage war so groß, dass schon 1968 das Anbaugebiet großzügig in die Po-Ebene erweitert worden war. Dort aber befinden sich keine vulkanischen Böden. Bei einem großen Teil der Soave-Weine war plötzlich von Terroir nichts mehr zu schmecken, obwohl die Rebsorte die gleiche war. Der Soave wurde zum industriellen Massenprodukt. Die Unverwechselbarkeit ging verloren, obgleich sich die Rebsorte sich nicht geändert hatte.

Das Festhalten an traditionellen Qualitätsmaßstäben zahlte sich aus

Eine Handvoll von Produzenten aus der classico-Zone, also aus dem Bereich, wo die vulkanischen Böden sind, folgte nicht dem Markttrend, sondern hielt unbeirrt an den traditionellen Qualitätsmaßstäben für die Premium-Weine fest – darunter Matteos Großvater und Vater. Zum Glück. Mit dem langsam wachsenden Interesse an höheren Qualitäten wendete sich in den 2000er Jahren das Blatt wieder. Immer häufiger tauchten Soave-Weine auf, die bei internationalen Weinkritikern hohe und höchste Bewertungen erhielten. Der Name Inama war stets dabei. Das Festhalten am eingeschlagenen Kurs zahlte sich somit aus. Matteo hat, seit er 2010 in das Weingut eingetreten ist, den Qualitätskurs noch verschärft: separate Vinifizierung der Parzellen, strengere Traubenselektion, niedrigere Erträge, dazu die Umstellung auf biologischen Weinbau mit Verzicht auf jegliche Herbizide und Fungizide. Zwischen den Rebzeilen wuchern seitdem Wildgräser, Getreide, roter Klatschmohn, die Böden werden organisch gedüngt und schonend bearbeitet. Resultat: vitale Rebstöcke, die klimatische und andere Kalamitäten besser überstehen und homogenere Trauben liefern.

Matteo Inama (links) mit seinen Brüdern Alessio und Luca

Die beiden Premium-Weine heißen Carbonare und Foscarino

Die Vinifikation beginnt mit einer kurzen Maischestandzeit, anschließend wird der Wein spontan vergoren. Es folgt ein langer Ausbau auf der Hefe, wobei der Anteil des Neuholzes in den letzten Jahren kontinuierlich reduziert wurde. So entstand ein Wein, der heute zu den Spitzengewächsen Norditaliens gehört. Genau genommen, sind es zwei Premium-Weine: Carbonare und Foscarino. Beide sind zu hundert Prozent aus Garganega-Trauben gewonnen, kommen aber von verschiedenen Hügeln der classico-Zone, die sich in Struktur und Aromenprofil deutlich unterscheiden. „Es sind Weine mit eigenem Charakter, weil sie von einem einzigartigen Terroir kommen und aus einer alten, autochthonen Sorte gekeltert sind, die außerhalb von Soave nur ganz selten zu finden ist“, erklärt Matteo.

 

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In der Lage Foscarino besitzt das Weingut 20 Hektar Reben, in der Lage Carbonare nur knapp zwei Hektar. Entsprechend geringer sind die Anzahl der Carbonare-Flaschen. Vor zwei Monaten hat Inama einen dritten Premiumwein auf den Markt gebracht: I Palchi heisst er und ist eine Art Super-Soave. Er kommt von den höchst gelegenen, windigsten Terrassen am Monte Foscarino, wo es nachts am kühlsten ist und tags immer ein leichter Wind weht, der verhindert, dass sich die Hitze zwischen den Rebzeilen staut. Die Böden in diesen Terrassen sind besonders karg, und es stehen dort die ältesten Garganega-Reben, an denen im Herbst nur wenige Träublein hängen. All diese Umstände machen, dass dort ein Wein wächst, wie es ihn im Soave-Gebiet noch nicht gegeben hat. „Grande Cuvée Foscarino“ nennen ihn die Inama. Er gehört nicht nur zu den besten Weißweinen Norditaliens, sondern ganz Italiens. Der erste Jahrgang, der 2019er, war nach wenigen Tagen ausverkauft, obwohl er mit rund 45 Euro nicht gerade ein Schnäppchen ist. Wer diesen Wein probiert, wird nicht auf einen Soave tippen. In ihm kommt alles zum Ausdruck, was im Boden steckt: Flintstein, Granitpulver, Rauch, nasser Basalt. Matteo Inama erinnert dieser Wein an die berühmte Madame Pompadur, die auf die Frage, weshalb sie den Romanée-Conti so sehr liebt, antwortete: „Weil er nicht nach Pinot Noir schmeckt.“

2019 Soave classico „Carbonare“, Inama

Geschmeidiger Wein mit subtilen Pfirsich- und Mandelaromen, vibrierend-frischer Kopfnote, viel Zitrus, gutem Säurenerv, in der Nase Wiesenblumen, tiefgründig: aus einer kühlen Ost-Lage stammend, im Edelstahl vergoren und ausgebaut und ein halbes Jahr auf der Flasche nachgereift. Kommt im Herbst 2021 auf den Markt und braucht noch möglichst zwei Jahre, um die erste Trinkreife zu erhalten. Dekantieren ratsam.

Preis: 17 bis 20 Euro

Bezug: www.belvini.de, www.vipino-wein.de, www.vinidamato.ch

2019 Soave classico „Foscarino“, Inama

Reicher und ausladender als der Carbonare, in der Nase floreale Düfte, die mehr an mediterrane Blumen und Kräuter wie Kamille und Iris erinnern, am Gaumen Ananas und Mandeln, dazu ein Hauch von Marzipan: die warme, durch das schwarze Basaltgestein noch zusätzlich aufgeheizte Südost-Lage ergibt einen körperreichen, ausladenden Wein, der der mineralischen Frische, wie  sie für einen Soave classico typisch ist, jedoch nicht entbehrt. Vergärung in gebrauchten Barriqes (60%) sowie in großen Holzfässern und im Edelstahl (je 20%) bei regelmäßigem Aufrühren der Hefe. Auch der Foscarino wird erst im Herbst 2021 freigegeben, braucht aber danach Zeit, um sein ganzes Potenzial voll zu entfalten.

Preis: 17 bis 20 Euro

Bezug: www.belvini.de, www.vipino-wein.de, www.dallmayr-versand.de,  www.vinidamato.ch, www.weinco.at

2019 Soave classico I Palchi, Inama

Dieser Super-Soave ist nicht konzentriert, sondern einfach nur dicht gewoben, etwa wie ein Seidentuch. Entsprechend elegant gleitet er über den Gaumen: frische Limette und Reifenoten von Trockenblumen erzeugen Spannung, die (noch im Hintergrund befindlichen) Feuerstein-Noten deuten an, welch geschmackliche Komplexität in diesem Wein steckt. Die Trauben kommen von 50jährigen Rebstöcken, der Hektarertrag liegt bei etwa 12 Hektoliter/Hektar. Nach einer kurzen Maischestandzeit wird der Wein in Taransaud-Barriques (60%) und Stockinger-Fässern aus österreichischer Eiche vergoren. 6000 Flaschen wurden gefüllt, im nächsten Jahren werden es 13000 Flaschen sein. Wer den I Palchi jetzt schon trinkt, sollte ihn lange vorher dekantieren. Der volle Genuss wird sich erst in fünf bis zehn Jahren einstellen.

Preis: 45 Euro

Bezug: www.dallmayr-versand.de

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1 Kommentar

  1. Guten Tag Herr und danke für den spannenden Artikel. Ich muss zugeben das ich die Lagen Weine von Inama nicht kenne. Das hat allerdings den einfachen Grund, das der Gutswein so flach und wenig aussagekräftig war, daß ich mir die Mühe gespart habe. Jetzt haben Sie mich aber neugierig gemacht und ich werde einen neuen Versuch starten.
    Was die besten Weißwein Italiens angeht, sollte man erst die Gewächse von Daniele Ricci probieren, die er aus dem Timorasso keltert. Wie wäre es mal mit einem Artikel über diese spannende Rebsorte?

    Grüße

    Christian v. Dresky
    rioja-and-riesling

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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