Start WineHappens Portrait Ses Talaioles: Zwei tolle Rotweine aus Mallorca

Ses Talaioles: Zwei tolle Rotweine aus Mallorca

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Nur zwei Weine kommen aus dem Keller der Finca Ses Talaioles. Beide sind rot. Beide werden mehr oder minder aus den gleichen Rebsorten erzeugt. Beide sind auffallend gut – nicht nur vor dem Hintergrund des eher bescheidenen mallorquinischen Weinniveaus. Der eine Wein heißt Sestal. Er wird aus kerngesunden, vollreifen Trauben gewonnen, die auf extrem steinigen Rebflächen im Osten der Insel wachsen: ein dunkelrubinroter Wein, vollmundig und schwer, aber leicht zu trinken mit schöner, ausdrucksvoller Frucht und mineralischer Fülle, die es gestattet, ihn neben einige der großen Weine des spanischen Festlandes zu stellen.

Der andere Wein heißt Sestalino. Er wird aus den Fässern mit dem Wein der restlichen Trauben zusammengestellt – eine Art kleinerer Bruder des Sestal. Beide besitzen Charakter und Individualität und sind auch für Weintrinker, die mit Mallorca nichts im Sinn haben, ein großer Genuss. „Die Weine sind in ihrer Fülle ein Spiegelbild des warmen mediterranen Klimas, das auf Mallorca herrscht“, sagt Sebastian Keller, der die Weine verantwortet.

Steinigste Böden der Insel

Der 30Jährige, der im württembergischen Weinsberg studiert hat, ist für die Weinproduktion von Ses Talaioles zuständig. Bevor er 2003 auf die Insel kam, hat er Praktika in Südafrika, Frankreich, Chile und Portugal absolviert sowie in Kallstadt bei Bernd Philippi gearbeitet, dem früheren Besitzer des renommierten Rieslingguts Koehler-Ruprecht. Mit ihm verbindet Keller eine lange Freundschaft. Nachdem die Hamburger Unternehmerfamilie De Waal (architektonisch spektakuläre Bauprojekte in der Hansestadt wie der Astra-Turm und der Elbberg Campus) die Finca im Jahre 2000 erworben hatte, wurde Philippi als Berater engagiert, um die Weinberge neu anzulegen.

Dieser schlug Keller für den Job des Weinmachers vor Ort vor. Der junge Mann akzeptierte, lernte Spanisch und kniete sich in die Arbeit hinein. Die Reben sollten an den steinigsten Stellen des Besitzes gepflanzt werden, da wo die Hochebene um die Stadt Manacor sanft zum Meer abfällt und der harte Kalkmergel bis an die Oberfläche reicht. Die Einheimischen schüttelten den Kopf über das Vorhaben. Nach ihrer Meinung sind derart karge Böden für eine landwirtschaftliche Nutzung ungeeignet. Für Gemüse und Getreide mag ihr Urteil gelten, für Wein nicht. Denn die Reben bringen auf diesen Böden beste Traubenqualitäten hervor – genau das, was das Gespann Philippi/Keller sich wünschte. Mit schwerem Gerät wurde der Untergrund aufgelockert, die tonnenschweren Gesteinsbrocken entfernt und die Reben im Dichtstand gesetzt: Cabernet Sauvignon, Cabernet franc, Merlot, Syrah, Tempranillo sowie die einheimischen Sorten Callet und Manto Negro.

Künstliche Bewässerung nicht nötig

Vom ersten Jahrgang an, dem 2006er, zeigte sich, dass die Überlegungen richtig waren. Die kargen Böden und die Nahrungskonkurrenz der Rebstöcke untereinander führten dazu, dass diese schnell tiefe Wurzeln bildeten, um an Feuchtigkeit zu kommen. Resultat: An jedem Stock hängen nur wenige, aber umso hochwertigere Trauben. Sie bilden die Basis für die außerordentliche Qualität des Weins. „Wir haben keine speziellen Tricks und Kniffe, die wir anwenden “, bekennt Keller. „Wir verlassen uns darauf, dass der Boden, das Licht und die kühlen Brisen, die vom Meer herüber wehen, uns gute Traubenqualitäten bescheren.“ Reicht die Sonne aus, um die Trauben zu reifen? „Von der Sonne haben wir eher zu viel als zu wenig.“ Und die Trockenheit im Sommer? „Zur Sicherheit haben wir eine Anlage zur Tröpfchenberegnung installiert. Sie wurde aber bisher noch nie gebraucht.“

Chemie ist tabu auf Ses Talaioles

Tatsächlich sind die Weine von Ses Talaioles nicht nur üppig und schwer, sondern auch alkoholreich. 14,5 Vol.% sind fast die Regel. Doch der Alkohol ist gut eingebunden. Hohe Extrakte sorgen für ein Gegengewicht: „Außerdem tun wir alles, um die Frische und Frucht zu erhalten.“ Der ebenerdige Keller, eine alte Remise, in der früher die Pferde untergestellt wurden, ist thermoisoliert und wird klimatisiert.

Die Verarbeitung der Trauben im Keller folgt einfachen Vorgaben: Spontanvergärung, drei bis vier Wochen Schalenkontakt, Stoßen der Maische von Hand, danach Ausbau des Weins in Barriques. Sestal und Sestalino werden auf gleiche Weise ausgebaut. Nach 24 Monaten gehen die Weine unfiltriert auf die Flasche. Die Frische ist aber auch ein Resultat der geografischen Lage der Finca. Sie liegt nur wenige Kilometer von der Küste entfernt. Von dort weht ständig ein leichter, milder Wind herüber, der die Luft zwischen den Rebzeilen abkühlt und besonders abends die Temperaturen fallen lässt. Und wenn es mal regnet, trocknet der Wind Blätter und Trauben schnell ab, so dass die Gefahr von Schimmel und anderen Pilzkrankheiten gering ist. Fungizide müssen nicht gespritzt werden. Chemie ist auf Ses Talaioles tabu.

Tief versunken zwischen Steineichenwäldern

Das Anwesen liegt abseits der großen Verkehrswege der Insel. Tief versunken zwischen Steineichen-Wäldern, Magerwiesen und Feldern mit rostroter Erde, war die Finca jahrelang unbewohnt, bevor die Familie De Waal sie erwarb. Der markante viereckige Turm, von dem aus man in der Ferne das blaue Band des Mittelmeeres sieht, stammt aus der Zeit der islamisch-christlichen Glaubenskämpfe, die im 13. Jahrhundert auch auf Mallorca tobten. Von den insgesamt hundert Hektar Land, die zu Ses Talaioles gehören, sind derzeit sechs Hektar mit Reben bestockt. Das restliche Land ist mit Steineichen bedeckt, unter denen 50 Schweine der alten mallorquinischen Rasse Pata Negra legen. Außerdem werden Getreide und Oliven angebaut sowie Mandeln, Feigen, Johannisbrot und Gemüse. In den dichten Steineichenwäldern werden 20 Schweine der alten Rasse Negro Mallorquin gehalten. „Die Besitzerfamilie hat sich zum Ziel gesetzt, die Mischkultur, die das Landgut früher charakterisierte, wieder herzustellen“, sagt Keller.

Übrigens: Auf Mallorca sind die Weine von Ses Talaioles schwer erhältlich. Lediglich in wenigen Restaurants stehen sie auf der Karte, etwa im Sal in Portocristo, bei Jens in Camp de Mar, im Rizzi und im Flanigan in Puerto Portals. Der größte Teil der Produktion wird in die Schweiz und nach Deutschland verkauft. „Auf Mallorca weiß man nie, ob der Händler oder Gastronom, nachdem er die Weine abholt und geladen hat, seinen Lieferwagen nicht ein paar Stunden in der Sonne stehen lässt, um Siesta zu machen“, weiß Keller aus leidvoller Erfahrung.

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