Saumur Champigny: toller Cabernet franc von der Loire

Kapelle im Weinberg bei Parnay
Kapelle im Weinberg bei Parnay
Frankreich besteht nicht nur aus Bordeaux und Burgund. Stefan Krimm war in Saumur Champigny und hat dort hinreißende Rotweine und bescheidene Winzer entdeckt, die ihn, den mit Punkten meist knauserigen, voll aus der Reserve gelockt haben. Einige dieser Weine gibt es schon in Deutschland.

Frank­reich hat knapp 500 AOCs. Die meis­ten sind völ­lig unbe­kannt. Zu die­sen gehört auch Sau­mur, die zwi­schen Loire und Fou­et west­lich der berühm­ten Schlös­ser­land­schaft des Jar­din de la France liegt mit den zum Welt­kul­tur­er­be zäh­len­den Juwe­len von Ambo­i­se, Cham­bord, Chau­mont, Valen­çay, Vil­lan­dry. Ein Aschen­put­tel ist Sau­mur Cham­pi­gny zwar nicht, aber eben doch eine deut­lich klei­ne­re (1400 Hekt­ar) und unbe­kann­te­re Appel­la­ti­on als Chi­non und Bour­geuil mit ihren farb­star­ken, alte­rungs­fä­hi­gen Rot­wei­nen, die in Paris als Wei­ne der Intel­lek­tu­el­len gelten.

Idealer Boden für die Cabernet Franc

Erzeugt wer­den sie aus der Caber­net Franc, die man hier auch „Bre­ton“ nennt, und die fühlt sich nicht nur in Chi­non und Bour­geuil wohl, son­dern auch auf den ter­res blan­ches, den wei­ßen Böden von Saumur-Champigny. Das kalk­hal­ti­ge Gestein, Bau­ma­te­ri­al für die meis­ten Loire-Schlösser, kann pro Kubik­me­ter bis zu 300 Liter Was­ser spei­chern, was in den hei­ßen Som­mern ein erheb­li­cher Vor­teil ist.

Das hüge­li­ge Land nahe der unre­gu­liert dahin­strö­men­den Loire mit ihrem stei­len Süd­ufer, ihren Sand­bän­ken, der viel­fäl­ti­gen Vogel­welt und dem heu­te gern von Rad­lern genutz­ten Hoch­was­ser­damm war frü­her fast voll­stän­dig mit Chen­in blanc bepflanzt. Das hat sich seit den 50er Jah­ren grund­le­gend geän­dert. Die Sor­te Caber­net Franc, die in fast jedem Bor­deaux­wein ent­hal­ten ist (von St. Emi­li­on abge­se­hen aller­dings nur als klei­ne­rer Ver­schnitt­part­ner des Caber­net Sau­vi­gnon) hat den Chen­in Blanc hier weit­ge­hend verdrängt.

Potenzial der Cabernet franc nicht ausgereizt

Ein Umschwung zum Qua­li­täts­wein­bau war damit zunächst nicht ver­bun­den. Zu leicht ver­kauf­ten sich die „net­ten“, mit­tel­tie­fen, nach Him­bee­ren und Veil­chen duf­ten­den und häu­fig chap­ta­li­sier­ten Trop­fen in den Bis­tros von Paris. Und mit 70 Hek­to­li­ter pro Hekt­ar und mehr konn­ten kei­ne cha­rak­ter­star­ken Rot­wei­ne gelin­gen, die die Beson­der­hei­ten des Ter­ro­irs tat­säch­lich wider­ge­spie­gelt hätten.

Wur­de auf die Chap­ta­li­sie­rung ver­zich­tet, so erhielt man ver­gleichs­wei­se dün­ne, leicht gra­si­ge Wei­ne mit unele­gan­ten Noten von grü­ner Papri­ka und Nes­seln. Die Stär­ken der Caber­net Franc, ihre kraft­vol­le Struk­tur, ihre in der Jugend leicht unge­bär­di­ge Cha­rak­te­ris­tik, vor allem aber ihre Wür­ze kamen nicht recht zum Ausdruck

Die alten Meister und die jüngere Generation

Mauern in Cristals Clos Entre les Murs
Mau­ern in Cris­tals Clos Ent­re les Murs

Das hat sich mit der jün­ge­ren Gene­ra­ti­on der Win­zer geän­dert, die meist in den 90er Jah­ren das Ruder über­nahm. Sie brach­te nicht nur in Bor­deaux oder Dijon erwor­be­nes wein­bau­li­ches und öno­lo­gi­sches Wis­sen mit. Sie ließ sich auch inspi­rie­ren von eini­ge Spit­zen­win­zern, die in der Regi­on lan­ge als Außen­sei­ter betrach­tet wur­den: Nady und Char­ly Fou­cault vom Clos Rouge­ard in Cha­zé etwa, Denis Duveau von der Domaine des Roches Neu­ves oder René Noël Leg­rand, bei­de in Varrains.

Auch wenn die­se Win­zer für sich in Anspruch nah­men, nur das zu tun, was ihre Väter, Groß­vä­ter und Urgroß­vä­ter schon immer getan hat­ten, so wur­de das gro­ße Geld woan­ders ver­dient. Mitt­ler­wei­le haben sich die Gewich­te ver­scho­ben: Die Wei­ne der frü­he­ren Rand­fi­gu­ren sind frank­reich­weit und bis in den angel­säch­si­schen Raum hin­ein bekannt gewor­den. Und mit eini­gem Stau­nen wird das unglaub­li­che Qua­li­täts­stre­ben des Père (Antoine) Cris­tal wie­der ent­deckt, der sich um die Wen­de zum 20. Jahr­hun­dert vor­ge­nom­men hat­te, an der Loire Wei­ne von der Qua­li­tät eines Gevrey-Chambertin zu erzeu­gen und zu die­sem Zweck Mau­ern um den (heu­te unter Denk­mal­schutz ste­hen­den) Clos Cris­tal süd­west­lich von Cham­pi­gny errich­ten ließ.

Keine Alkoholbomben wie in Bordeaux

Ganz so weit wie Cris­tal, des­sen Wei­ne an den Tafeln der bes­ten Restau­rants in Paris und denen des eng­li­schen Hofes ser­viert wur­den, ist man heu­te noch nicht – abge­se­hen von den Brü­dern Fou­cault. Aber die Chan­cen ste­hen nicht schlecht.

Wenn Bor­deaux es – wie 2010 – nicht mehr schafft, das Pro­blem des mit 14,5 und mehr Vol.% über­bor­den­den Alko­hols in den Griff zu bekom­men, könn­te die Stun­de der Spit­zen­win­zer von der Loire gekom­men sein: Trotz Kli­ma­er­wär­mung lie­gen die Alko­hol­ge­hal­te ihrer Wei­ne zwi­schen 12,5 bis 13,5 Vol.% – bei gleich­zei­tig beein­dru­cken­der Geschmack­s­tie­fe und Struktur.

Vorbildliche Weinbergsarbeit einschließlich Biodynamie

Tuff-Ufer bei Parnay
Tuff-Ufer bei Parnay

Eine wich­ti­ge Rol­le spielt in die­sem Zusam­men­hang die bei­spiel­haf­te Wein­bergs­ar­beit der füh­ren­den Win­zer von Sau­mur Cham­pi­gny. Ein Groß­teil setzt auf bio­lo­gi­sche und bio­dy­na­mi­sche Ver­fah­ren. Das Zusam­men­spiel von inten­si­ver Boden­be­ar­bei­tung, zum Teil wie­der mit Pfer­den, deut­lich redu­zier­ten Erträ­gen, über­leg­tem Laub­ma­nage­ment, sorg­fäl­ti­ger Aus­le­se im Wein­berg und spä­ter bei der Anlie­fe­rung mit tables de tri, den Sor­tier­ti­schen, und soli­der Kel­ler­tech­nik auf der ande­ren Sei­te, gern auch unter Ver­wen­dung spon­ta­ner Hefen kann als gelun­gen bezeich­net werden.

Auch vom exten­si­ven Gebrauch neu­er Bar­ri­ques sind die meis­ten Win­zer abge­kom­men. Bevor­zugt wer­den Zweit- oder Dritt­be­le­gun­gen, oder gleich grö­ße­re Gebin­de, wie zum Bei­spiel bei Phil­ip­pe Vat­an (Châ­teau du Hureau), der bekennt, sich in Fuder von 30 Hek­to­li­ter „ver­liebt“ zu haben. Schlüs­sel­be­griff ist das ter­ro­ir, nicht der goût du mon­de mit Vanil­le, Scho­ko­la­de und Kaffee-Noten.

Mit die­sem Stil konn­te Paris ein zwei­tes Mal erobert wer­den – die­ses Mal auf der Qua­li­täts­schie­ne. Und auch in Deutsch­land und in der Schweiz regis­triert man ers­te posi­ti­ve Reak­tio­nen. Eine klei­ne Aus­wahl guter Wei­ne sei hier vorgestellt

Hospices de Saumur, Clos Cristal, Souzay-Champigny

Eric Dubo­is, der im Auf­trag des Hos­pi­tals seit 1995 den Clos Cris­tal führt, ist ein kom­pro­miss­lo­ser Anhän­ger des bio­dy­na­mi­schen Wein­baus. Er beach­tet die kos­mi­schen Zyklen, beschränkt den Ertrag durch grü­ne Lese und eine stren­ge Aus­wahl bei der Ern­te auf etwa 35 hl/ha, bear­bei­tet den Boden mit zwei Rös­sern, ver­gärt aus­schließ­lich mit natür­li­chen Hefen und ver­zich­tet unter Inkauf­nah­me eines nicht uner­heb­li­chen Sta­bi­li­täts­ri­si­kos sogar auf die Schwe­fe­lung vor der Abfül­lung. Ent­spre­chend der Ziel­set­zung des Stif­ters Antoine Cris­tal gehö­ren sei­ne Wei­ne zu den bes­ten, die in der Appel­la­ti­on erzeugt werden.

Château du Hureau, Dampierre-sur-Loire

Der 59jährige Agrar­in­ge­nieur Phil­ip­pe Vat­an ist seit sei­ner Über­nah­me der Ver­ant­wor­tung auf der 20-Hektar-Domaine 1987 einer der Grün­der­vä­ter des Wie­der­auf­stiegs der Appel­la­ti­on gewor­den. Seit 2009 ist sein Betrieb voll­stän­dig auf bio­lo­gi­schen Wein­bau umge­stellt. Ein Inne­hal­ten kennt der Hobby-Musiker und Kom­po­nist nicht, der immer wie­der auch mit sei­nen Kol­le­gen anony­me Degus­ta­tio­nen durch­führt, um die Qua­li­tät wei­ter zu ver­bes­sern. Sein Ziel ist, Châ­teau du Hureau zu einer fran­zö­si­schen Refe­renz­grö­ße für die Reb­sor­ten Caber­net Franc und Chen­in blanc zu machen. Eigent­lich ist ihm das – bei durch­schnitt­li­chen Hekt­ar­er­trä­gen von 30 hl – schon jetzt gelungen.

Domaine des Roches Neuves (Thierry Germain), Varrains

Thier­ry Ger­main, Ange­hö­ri­ger einer Fami­lie, der eine gan­ze Rei­he von Wein­gü­tern gehört, ist 1991 aus dem Bor­de­lais an die Loire gekom­men, Folg­lich hieß er lan­ge Zeit „der aus Bor­deaux“, und was er so mach­te, wur­de der Nicht­ver­traut­heit mit den ört­li­chen Ver­hält­nis­sen zuge­schrie­ben. Er ist beken­nen­der Bio­dy­na­mi­ker. Zum Schwei­gen gebracht wur­den miss­güns­ti­ge Stim­men durch die unbe­streit­ba­re Qua­li­tät der Wei­ne und sei­ne Bereit­schaft, mit den Kol­le­gen vor Ort zusam­men­zu­ar­bei­ten. Die Qua­li­tät hängt nicht zuletzt mit den nied­ri­gen Erträ­gen zusam­men. Sein Ter­res Chau­des wird mit durch­schnitt­lich 35 hl/ha erzeugt, beim Mar­gi­na­le sind es sogar nur 25 hl/ha. Mitt­ler­wei­le gilt die Domaine des Roches Neu­ves als einer der füh­ren­den Betrie­be von Sau­mur Champigny.

René Noël Legrand, Varrains

Der zurück­hal­ten­de René Noël Leg­rand gehört mit zu den ers­ten, die das Ruder in den 90er Jah­ren ent­schlos­sen her­um­leg­ten. Fruch­ti­ge und doch lang­le­bi­ge Wei­ne zu pro­du­zie­ren gehört auf sei­ner 15-Hektar-Domaine, die von der Fami­lie in der fünf­ten Gene­ra­ti­on geführt wird, zur Tra­di­ti­on. Als ich ihn 1991 erst­mals besuch­te, war bei Fami­li­en­fes­ten gera­de der in tie­fen Tuff­kel­lern bei kon­stan­ten 12° C gela­ger­te Jahr­gang 1947 erklär­ter Favo­rit. Wegen gesund­heit­li­cher Pro­ble­me hat Leg­rand die Zügel im Wesent­li­chen sei­ner Toch­ter in die Hand gege­ben, wäh­rend er sich auf die Arbeit im Kel­ler konzentriert.

Château de Villeneuve, Souzay-Champigny

Jean-Pierre Ché­val­li­er, in Bor­deaux als Öno­lo­ge aus­ge­bil­det, ist ein eher ruhi­ger, außer­ge­wöhn­lich sorg­fäl­ti­ger und qua­li­täts­ori­en­tier­ter Ver­tre­ter sei­ner Zunft. Mit dem 1969 erfolg­ten Erwerb des hüb­schen Châ­teau de Ville­neuve unweit Sou­zay ein­schließ­lich 28 Hekt­ar Reb­land durch sei­ne Fami­lie fand er nach dem Abschluss sei­nes Stu­di­ums sei­ne Lebens­auf­ga­be. Ohne viel Wind zu machen arbei­te­te er sich Schritt für Schritt in die Spit­zen­grup­pe der Appel­la­ti­on vor und wur­de dabei vom Öno­lo­gen immer mehr zum Wein­bau­ern: nied­ri­ge Erträ­ge, Zurück­fah­ren der künst­li­chen Dün­gung, Begrü­nung, radi­ka­ler Reb­schnitt im Win­ter, Laub­ar­beit, grü­ne Lese, Aus­bau bevor­zugt in gro­ßen Gebin­den oder mehr­fach beleg­ten Bar­ri­ques. Ché­val­li­er steht für soli­de Arbeit ohne Effekt­ha­sche­rei – und vor­züg­li­che Wei­ne. Das gilt auch für die Wei­ßen aus der wie­der ent­deck­ten Sor­te Chen­in Blanc!

Château Yvonne, Mathieu Vallée, Parnay

Matthieu Vallée, Chateau Yvonne
Mat­thieu Val­lée, Châ­teau Yvonne

Der freund­li­che Mat­thieu Val­lée, der selbst kurz vor dem Packen für die Hoch­zeits­rei­se Zeit für den zufäl­lig her­ein­ge­schnei­ten Gast fand, ist aus­ge­bil­de­ter Logistik-Ingenieur, kommt aber aus einer Wein­bau­ern­fa­mi­lie. Der von ihm gelei­te­te 11-Hektar-Betrieb wur­de 1996 durch einen Schwei­zer Ver­le­ger gegrün­det, der sich nach einem Jahr­zehnt wie­der von sei­nem Besitz trenn­te. Val­lées gera­de in der Start­pha­se außer­or­dent­lich hilf­rei­cher Bru­der Gérald ist Besit­zer der Domaine de la Cotel­ler­aie in Saint-Nicolas-Bourgeuil. Mat­thieu führt sei­nen Betrieb bio­lo­gisch, setzt auf begrenz­te Erträ­ge und hat sich in rela­tiv kur­zer Zeit in der Regi­on wie in der Fach­pres­se Respekt erwor­ben. Sei­ne modern wir­ken­den Wei­ne wer­den in einem Tuff­kel­ler bei kon­stan­ten 13 Grad Umge­bungs­tem­pe­ra­tur spon­tan ver­go­ren, die Küh­le sorgt vor dem Start für eine Art natür­li­cher Kalt­ma­zer­a­ti­on. Der Aus­bau der Cuvée La Folie erfolgt in Barriques.

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