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Sauerstoff

Keine Luft mehr zum Atmen

Sauerstoff ist der größte Feind des Weins. Er sorgt dafür, dass dieser schnell unfrisch wird. Er fördert die Oxydation und beschleunigt den Verderb. Kurz: Sauerstoff killt den Wein.

Wein braucht keinen Sauerstoff, um auf der Flasche zu reifen.

Aus diesem Grund achtet jedes Weingut darauf, dass möglichst wenig Sauerstoff in die Flasche gelangt. Moderne Abfüllanlagen spülen die leeren Flaschen mit Stickstoff aus, bevor der Wein in sie gefüllt wird. Danach werden die Flaschen sofort mit einem Korken verschlossen. In dem daumenbreiten Zwischenraum zwischen Füllniveau und Korkenspiegel (handelsüblich: 30 Millimeter) befindet sich deshalb viel Stickstoff und wenig Sauerstoff. Dieser Sauerstoff wird vom freien Schwefel, der sich im Wein befindet, sofort gebunden und kann somit keinen Schaden anrichten.

Allerdings dringen im Laufe der Zeit kleine Mengen Sauerstoff durch den Korken bzw. zwischen der Außenwand des Korkens und dem Glas in die Flasche ein. Solange noch freier Schwefel vorhanden ist, wird auch dieser Sauerstoff unschädlich gemacht. Doch irgendwann kann der eindringende Sauerstoff nicht mehr gebunden werden. Er reagiert mit dem Wein und beginnt ihn zu verändern. Zunächst polymerisieren die Anthocyane mit den Sauerstoffmolekülen: Der Wein ändert seine Farbe. Rotwein wird orangebraun, Weißwein goldgelb. Die Kohlenwasserstoffmoleküle, Träger der meisten Weinaromen, gehen Verbindungen mit dem Sauerstoff ein. Fruchtige Aromen schwächen sich ab, Aromen von Wachs, Leder, Tabak, Lakritze treten in den Vordergrund. Die Zusammensetzung der Fettsäuren ändert sich unter dem Einfluss von Sauerstoff.

Furfural, ein nach Mandelöl riechendes Aldehyd, und Eugenol, ein Monoterpen mit dem Geschmack von frischem Klee, nehmen zu. Das Tannin des Rotweins reagiert sogar heftig mit dem Sauerstoff. Bevor dieser die anderen Substanzen angreifen kann, wird er vom Tannin „gefressen“, das seinerseits dadurch weicher wird.

Sauerstoff ändert auch den mikrobakteriellen Zustand des Weins. Essigbakterien vermehren sich. Übersteigen sie ein bestimmtes Maß, droht der Wein „umzukippen“. Am Ende greift der Sauerstoff auch den Alkohol an. Es entstehen schal riechende Aldehyde – untrügliche Zeichen für den schleichenden Niedergang des Weins. Alles negative Vorgänge? Nach der alten Schule braucht Wein Sauerstoff, um zu reifen, allerdings nur in kleinen Mengen. Es kommt auf die Balance an. Der Naturkork mit seiner nur geringen Luftdurchlässigkeit ist für die Vertreter dieser Schule daher der ideale Flaschenverschluss. Mit der Entwicklung der neuen luftdichten Edelschraubverschlüsse wird diese Auffassung allerdings in Frage gestellt. Alan Hart, Wissenschaftler bei der großen australischen Weinkellerei Penfolds, hat jüngst Untersuchungen präsentiert, nach denen ein Wein, der unter „anaeroben“ Bedingungen (mit gasdichtem Edelschraubverschluss) gelagert wird, ebenfalls einen Reifeprozess durchmacht, nur langsamer als der in Flaschenmit Korkverschluss aufbewahrte Wein. Der Schraubverschluss-Wein erwies sich nach sieben Jahren Lagerung als wesentlich frischer als der Vergleichswein. Harts Fazit: „Sauerstoff ist kein notwendiges Element für die Reifung des Weins.“

Mit anderen Worten: Es gibt einen „anaeroben“ Reifeprozess, den auch Weine durchmachen, die mit einem Edelschraubverschluss versehen und somit luftdicht abgeschlossen sind.

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