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Sangiovese at its best: Fontalloro und Rancia von Felsina

Das Jahr 1983 hat für die Fattoria Felsina eine große Bedeutung. In diesem Jahr wurden zum ersten Mal die Chianti classico Riserva Rancia und der Fontalloro erzeugt – die beiden Spitzenweine des Weinguts. Sie bestimmen bis heute den Ruf und Rang der Fattoria Felsina als einer der besten Weinerzeuger im Chianti classico.

Für den Weinhändler Eberhard Spangenberg war 1983 ebenfalls ein wichtiges Jahr. Er gründete in München seine erste GARIBALDI-Weinhandlung, der in den folgenden Jahren sechs weitere folgen sollten. „Italien fängt bei GARIBALDI an“, lautet noch heute das Werbemotto des Unternehmens.

Zweimal Jubiläum

Felsina mit seinen Spitzenweinen und Spangenberg mit seiner GARIBALDI-Gründung feiern dieses Jahr also ihr 30-jähriges Jubiläum. Und Spangenberg  importierte die Felsina-Weine von Anfang an bis heute. Geschäftsbeziehungen, die 30 Jahre halten, sind heute eine Seltenheit in der Branche. Grund genug, eine kleine Vertikale der beiden wichtigsten Felsina-Weine in München zu organisieren.

Giuseppe Mazzocolin
Giuseppe Mazzocolin

Giuseppe Mazzocolin, der Direktor des Weinguts, war zu dieser Verkostung extra angereist. Der Schwiegersohn der Felsina-Besitzer hatte 1978 die Leitung des Gutes übernommen, nachdem er seinen angestammten Beruf – Gymnasiallehrer für alte Sprachen – aufgegeben hatte. Der heute 64-Jährige ist für den Aufstieg der Weine und das hohe Renomée verantwortlich, das Felsina heute in der ganzen Welt genießt.

Die alte Chianti-Formel wurde obsolet

„Das Chianti classico ist Sangiovese-Land“, begründete Mazzocolin die damalige Entscheidung, die Riserva Rancia und den Fontalloro reinsortig aus Sangiovese zu erzeugen. Ein Bekenntnis, das zur damaligen Zeit keineswegs selbstvertändlich war. Der Chianti classico wurde seinerzeit noch aus drei anderen Sorten erzeugt, darunter zwei weißen.

Nachdem diese Chianti-Formel in den achtziger Jahren obsolet geworden war, ersetzten die meisten Produzenten die beiden weißen Sorten durch Merlot, Cabernet Sauvignon oder Syrah. Der Sangiovese trauten nur wenige zu, einen Spitzenwein allein zu tragen. Bis heute erlauben die Statuten des Chianti classico einen Anteil von bis zu 20 Prozent internationaler Sorten im Wein.

Einschneidende Maßnahmen

Fattoria Felsina in Castelnuovo Berardenga„Wir waren überzeugt, dass aus der Sangiovese-Traube, die seit Jahrhunderten in der Toskana angebaut wird, ein besserer Wein erzeugt werden kann, als in den Bastflaschen der damaligen Zeit steckte“, war und ist Mazzocolin überzeugt. Allerdings waren dazu einschneidende Maßnahmen nötig. Reduzierung der Traubenerträge im Weinberg, neue Erziehungssysteme, spätere Lese und dadurch höhere Reife der Trauben – so lauteten die wichtigsten neuen Vorgaben. Außerdem mussten Vinifikation und der Ausbau der Weine geändert werden.

Sangiovese reinsortig

Dennoch zeigte sich, dass Sangiovese allein auch unter diesen Bedingungen nur dann einen Spitzenwein ergibt, wenn er in einer Spitzenlage wächst. Einer Lage, in der die spätreife Sangiovese jedes Jahr zuverlässig ausreifen kann. Doch nicht jeder Weinberg ist eine Spitzenlage. Felsina, mit fast 400 Hektar Land begütert, besitzt nur zwei solcher Lagen, die hinsichtlich Sonnenausrichtung und Bodenzusammensetzung höchste Anforderungen erfüllen. Von der einen kommt die Riserva Rancia, von der anderen der Fontalloro.

Felsinas BacksteinfassadeObwohl auch Felsina in kleinen Mengen Cabernet Sauvignon, Syrah und Merlot anbaut, lehnt Mazzocolin das Mischen dieser Trauben mit Sangiovese ab – zumindest im Gebiet des Chianti classico. Fontalloro und die Riserva Rancia werden bis heute nur aus Sangiovese-Trauben gewonnen. Inzwischen ist auch Felsinas einfacher Chianti classico ein Wein, der ausschließlich aus Sangiovese besteht – Klonenselektion, zunehmendes Alter der Reben und die Auswirkungen des Klimawandels haben es möglich gemacht.


CHIANTI CLASSICO RISERVA RANCIA

Sangiovese-TraubenRancia ist eine Lagen-Riserva und der Spitzen-Chianti classico der Fattoria Felsina. Sie wurde erstmal mit dem Jahrgang 1983 produziert. Der Wein ist nach dem Podere Rancia benannt, einem kleinen Hof, der tief versunken zwischen Wäldern und Feldern im äußersten Süden des Chianti classico liegt. Die Weinberge um ihn herum umfassen 8,5 Hektar und liegen 400 Meter hoch, überwiegend auf steinigen Albarese-Böden (grau-blauer quarzitischer Kalkstein) mit Sandstein-Einlagerungen. Die meisten Rebstöcke wurden zwischen 1958 und 1982 gepflanzt. Bei den neueren Anpflanzungen wurde altes genetisches Sangiovese-Material aus der gleichen Lage benutzt. Der maximale Traubenertrag liegt bei 45 Hektoliter pro Hektar, oft weniger.

Wider alle Moden

Rancia ist ein reinsortiger Sangiovese-Wein mit allen Vor- und Nachteilen, die diese Sorte mit sich bringt. Das Tannin ist robust, die Säure markant. Und die Jahrgangsunterschiede sind enorm. In warmen Jahren gelingen Spitzenqualitäten. In heißen und kühlen Jahren kann das Tannin stumpf bleiben. Kein Mainstream-Chianti classico also, sondern ein eigenständiger Wein, der weder gefallen noch schmeicheln, sondern nur die Verhältnisse widerspiegeln will, in denen die Sangiovese in dieser Lage wächst: tannin- und säurebetont, neben wildem Veilchenduft und Chianti-typischer Beerenfrucht immer auch mit mit einer mineralischen, leicht schmauchigen Note ausgestattet. Er reift 12 bis 18 Monate in Barriques.

In den ersten Jahren stand die Riserva Rancia immer im Schatten des größeren Fontalloro. Spätestens mit dem Jahrgang 1997 hat sie jedoch gezeigt, dass sie dem Fontalloro gleichwertig ist. Auch preislich ist sie dank der starken internationalen Nachfrage an den Fontalloro herangerückt. Sie kostet zwischen 28 und 36 Euro.

Die Weine


2004 Chianti classico Riserva Rancia2004 Chianti classico Riserva Rancia | Fattoria Felsina
Tiefer, sehniger Wein mit lakritzig-fruchtiger Nase, leicht ledrig, nicht reich oder gar fett, aber extrem elegant mit großem Entwicklungspotenzial: einer der besten Rancia-Jahrgänge. Sollte nur dekantiert genossen werden.
Bewertung: 94/100 Punkte


2001 Chianti classico Riserva Rancia2001 Chianti classico Riserva Rancia | Fattoria Felsina
Reich, üppig, vielschichtig, mit Massen von Tannin, auf der Zunge extrem pelzig, noch völlig unaufgeschlossen: 2001 wurde als großer Jahrgang in der Toskana gefeiert, doch bleiben Zweifel, ob die gewaltige Struktur dieses Wein sich jemals in Eleganz verwandeln wird.
Bewertung: 91-94/100 Punkte


1999 Chianti classico Riserva Rancia1999 Chianti classico Riserva Rancia | Fattoria Felsina
Feines, sehr charakteristisches, rauchig-lakritziges Bouquet mit Unternoten von süßem Brombeergelee und Leder, am Gaumen frisch und ausbalanciert, zusammengehalten durch feinkörniges, reifes Tannin: höchst vielversprechender Wein, der sich langsam zu öffnen beginnt.
Bewertung: 94/100 Punkte


1993 Chianti classico Riserva Rancia1993 Chianti classico Riserva Rancia | Fattoria Felsina
Guter, aber kein großer Rancia: offen im Bouquet mit schönem, wilden Chiantiduft, Beerencocktail, Möbelpolitur, auch im Mund elegant, aber etwas undifferenziert und spannungslos, eisenharter Tanninkern.
Bewertung: 92/100 Punkte


1990 Chianti classico Riserva Rancia1990 Chianti classico Riserva Rancia | Fattoria Felsina
Morschig-alt in der Nase, Anflug von Bratensaft, auf der Zunge jedoch reich, komplex und voller Leben – nur eben nicht mehr ganz frisch. Interessant: letzter Jahrgang, der nach dem governo-Verahren vinifiziert wurde, um die Frische zu erhalten.
Bewertung: 89/100 Punkte


1985 Chianti classico Riserva Rancia1985 Chianti classico Riserva Rancia | Fattoria Felsina
Nase wenig ausdrucksvoll, im Mund jedoch weich und rund mit milder Säure: abgeklärter, aber noch nicht oxydierter Wein, Ecken und Kanten weg, aber noch viel Spannung da. Irgendwie unberührt vom Zahn der Zeit der Zeit, nur das Tannin ist etwas pelzig geblieben.
Bewertung: 91/100 Punkte


Bezug: Die jüngeren Jahrgänge sind u.a. erhältlich bei GARIBALDI, Lobenbergs GUTE WEINE, SUPERIORE


FONTALLORO

Der Fontalloro kam ebenfalls erstmals mit dem Jahrgang 1983 auf den den Markt, und zwar als Vino da Tavola, weil er zu 100 Prozent aus Sangiovese erzeugt war, was nach den damaligen Chianti classico-Statuten nicht erlaubt war. Die Traubenbasis bildete ein alter, mitten in einem Wald befindlicher Weinberg (Poggio al Sole bzw. Fontalloro) mit Rebstöcken, die (heute) über 50 Jahre alt sind. Er liegt innerhalb des Chianti classico, allerdings auf sehr steinigen, kalkhaltigen Böden.

Der Fontalloro war als „moderner“ Sangiovese-Wein geplant, der sich von der traditionellen Chianti classico Riserva durch seine Frucht und sein weiches Tannin unterscheidet. Tatsächlich entsprach er diesem Typus erst in den folgenden Jahren. Wegen des internationalen Erfolgs und der anhaltenden Nachfrage sollte die Produktion dieses Weins vergrößert werden. Mangels geeigneter Landreserven wurden auf zwei außerhalb der Chianti classico-Grenzen liegende Weinberge zurückgegriffen (Casalino, Arcidossino). Von diesen Weinbergen kommt heute der größte Teil der Fontalloro-Trauben.

Fontalloro nur IGT-Status

Die beiden Weinberge liegen nur wenige hundert Meter vom Ursprungs-Weinberg entfernt, gehören aber bereits zur Crete Senese, dieser weißgelb bis ambergelb leuchtenden Hügelzone, die sich von der Südgrenze des Chianti classico bis nach Montalcino und Montepulciano zieht. Die Böden dort sind weniger steinig, mehr sandig und lehmhaltig. Sie ergeben leichtere, fruchtbetontere Weine. So gesehen, repräsentiert der Fontalloro, wie Mazzocolin sagt, „die andere Seite“ von Felsina. Weil teilweise außerhalb der der DOCG-Appellation gewachsen, kann der Fontalloro nicht als Chianti classico auf den Markt kommen, sondern ist ein IGT-Wein (Landwein-Status).

Teurer, aber nicht besser als die Riserva Rancia

Der Fontalloro ist etwas teurer als die Riserva Rancia. Es wäre jedoch ein Irrtum zu glauben, er sei der bessere, langlebigere Wein. Er zeigt nur ein anderes Profil: ist durchweg etwas fruchtiger, weicher, früher antrinkbar, meist sechs Monate länger in Barriques gereift (18 bis 22 Monate) als die Riserva Rancia  und entspricht vielleicht etwas mehr dem Geschmack internationaler Weintrinker. Doch ändert das nichts daran, dass der Fontalloro eine Cuvée von drei authentischen Terroir-Weinen ist. Er unterscheidet sich herkunftsbedingt deutlich von anderen reinsortigen Sangiovese-Weinen im Chianti classico, etwa dem Flaccianello, dem Le Pergole Torte, dem Percarlo. Preis: zwischen 30 und 40 Euro.

Die Weine


2000 Fontalloro2000 Fontalloro | Fattoria Felsina
Im Bouquet schon offen mit Pflaumen, Brombeeren und rauchiger Mineralik, ansonsten noch relativ verschlossen und extrem jung wirkend, kaum gealtert, vorherrschend fruchtig am Gaumen, dabei im Tannin noch etwas unrund. Braucht Luft, Luft, Luft.
Bewertung: 93/100 Punkte


1998 Fontalloro1998 Fontalloro | Fattoria Felsina
Leicht unfrisch in der Nase (Flasche?), ansonsten straff gewoben mit ausdrucksvoller, durchaus lebendiger Kirschfrucht und erdiger Würze, weichem Tannin, guter Länge: mittelgewichtiger Wein, schon erstaunlich gut antrinkbar.
Bewertung: 89/100 Punkte


1997 Fontalloro1997 Fontalloro | Fattoria Felsina
Feiner Veilchenduft mit malziger Würze und Noten von Röstkaffee, auf der Zunge sehr rund, weich mit viel Fruchtschmelz und trotz des leicht pelzigen Tannins schon gut zu trinken: attraktiver, muskulöser Wein, aber kein „Bodybuilder“.
Bewertung: 93/100 Punkte


Fontalloro ohne Jahrgang1995 Fontalloro | Fattoria Felsina
Wilder Chiantiduft mit leicht trüffeligem Unterton, dazu ein Hauch von Weihrauch, am Gaumen weich und elegant mit junger, durchaus noch frischer Frucht und gut verschmolzenem Tannin: kein perfekter, aber ein attraktiver Wein, der langsam getrunken werden sollte.
Bewertung: 91/100 Punkte


1994 Fontalloro1994 Fontalloro | Fattoria Felsina
Erdig-rauchig mit Tabaknoten, wenig Frucht, viel trockenem, harten Tannin, am Gaumen etwas trocken: insgesamt noch recht frisch, aber mehr eiserne Faust als samtener Handschuh.
Bewertung: 90/100 Punkte


Fontalloro ohne Jahrgang1990 Fontalloro | Fattoria Felsina
Tolles, hochkomplexes Bouquet von schwarzer Johannisbeere mit Noten von Iris, Leder, Trüffel. Auch im Mund überraschenderweise noch extrem jung, fast noch frisch, perfekte Balance, gut eingebettetes, reifes Tannin, viel Spannung: unter den frühen Jahrgängen sicher der beste.
Bewertung: 95/100 Punkte


Bezug: Die jüngeren Jahrgänge sind u.a. erhältlich bei GARIBALDI, Lobenbergs GUTE WEINE, SUPERIORE


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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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