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Sachsen und Saale-Unstrut: Väterchen Frost schlägt zu

Elisabeth Born vom Weingut Günter Born aus Höhnstedt im Norden des Anbaugebiets Saale-Unstrut ahnt Schlimmes: „Es sieht nicht gut aus, ich komme gerade zurück aus dem Weinberg. Das Minimum-Maximum-Thermometer hat in der vergangenen Nacht eine Tiefsttemperatur von minus 23,5 Grad aufgezeichnet“.

Die 26-jährige studierte Geisenheimerin, überdies derzeit amtierende deutsche Weinprinzessin, geht davon aus, dass es im elterlichen Weingut beim 2012er Wein Ertragseinbußen geben wird. „Gerade der Müller-Thurgau, der bei uns ohnehin immer schon knapp ist, ist besonders sensibel gegen Frost“.

Lützkendorfs Thermometer zeigte minus 22°C

Auch Uwe Lützkendorf vom gleichnamigen Weingut aus Naumburg an der Saale sieht die derzeit herrschende Kälte mit Sorge: „Wir haben minus 22 Grad gemessen, ab minus 20 wird’s eng.“ Lützkendorf verweist zwar darauf, dass es noch zu früh für eine konkrete Erhebung der Schäden sei. „Erst wenn der Frost vorbei ist, zeigt sich, ob die Augen noch grün sind oder braun, also erfroren.“

Der gegenwärtige frühe Zeitpunkt vor Beginn der Vegetationsperiode berge außer der Gefahr des Erfrierens zusätzlich auch noch diejenige des Vertrocknens: „Nun hoffen wir, dass die Kältewelle wenigstens nicht noch länger andauert.“

Auch in Sachsen hat Väterchen Frost zugeschlagen. Malgorzata Chodakowska, die Ehefrau des Dresdener Winzers Klaus Zimmerling, blickte in den vergangenen Nächten ebenfalls sorgenvoll aufs Thermometer: „Wir bibbern ganz schön, zumal kein Schnee liegt, der die Reben schützen könnte. Heute Morgen gab es minus 20 Grad. Allerdings sind unsere Sorten, vor allem der Riesling, recht widerstandsfähig gegen Frost.“

Müller-Thurgau, Silvaner, Dornfelder und Portugieser betroffen

Riesling und Burgundersorten gelten als relativ unempfindlich gegen Winterfrost. Zu den sensiblen Sorten zählen hingegen Müller-Thurgau, Silvaner, Dornfelder und Portugieser. Daneben entscheidet jedoch auch der Standort mit seinem jeweiligen Mikroklima darüber, wie stark ein Weinstock der Kälte ausgesetzt ist. An Hängen fließt die Kaltluft nach unten, dementsprechend sind Lagen in der Ebene und am Hangfuß stärker frostgefährdet als solche im Hang.

„Unserer Steillagen wegen sind wir wahrscheinlich mit einem blauen Auge davon gekommen“, resümiert daher ein anderer sächsischer Winzer, Walter Schuh aus Sörnewitz bei Meißen. „Der eine oder andere Stock hat auf jeden Fall was abbekommen – vor allem diejenigen Reben, die schon in 2009 und 2010 Frostschäden hatten, werden nun wohl den Rest gekriegt haben.“ Schuh sieht dennoch keinen Grund zur Klage: „Jammern hilft auch nicht weiter. Wir arbeiten mit der Natur, da gehören Höhen und Tiefen dazu.“

Im Westen bislang keine Schäden

Weitgehend Entwarnung geben die meisten von weinkenner.de befragten Betriebe aus den westlichen Anbaugebieten. Aus dem höchst gelegenen Weinbaugebiet Frankens, dem Steigerwald, meldet Wolfgang Weltner aus Rödelsee minus 16 Grad: „Es ist noch zu früh, um Schäden abzuschätzen. Aber da die Kälte recht langsam kam, sind wir relativ guter Dinge“. Auch den Höhenlagen des Remstals und der Hessischen Bergstraße scheint das Schlimmste erspart geblieben zu sein.

Allerdings spricht der Württemberger Winzer Helmut Dolde, der in Neuffen bei Reutlingen auf 530 Metern Meereshöhe mit die höchsten Weinberge hierzulande bewirtschaftet, von „leichten Bauchschmerzen“. Bei Temperaturen von zuletzt minus 18, minus 19 Grad Celsius seien Schäden nicht auszuschließen. Da er noch nicht mit dem Rebschnitt begonnen habe und hoffe, dass noch kein Saft in die Ruten aufgestiegen sei, vertraue er indes momentan auf das Beste. Für die kommende Nacht allerdings sagt der Wetterbericht weiter fallende Temperaturen voraus.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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