Saale-Unstrut – alles im Fluss

Statt nach Frankreich, Italien oder Spanien reiste Patrick Hemminger gen Osten, um sich bei den Winzern an Saale und Unstrut umzuschauen. Was er sah? Viel Dynamik, hohe Ziele, aber von der Spitze noch ein Stück entfernt.

Inhalt:


Obwohl Wein an Saa­le und Unstrut seit mehr als 1000 Jah­ren ange­baut wird, ist es ein jun­ges Wein­bau­ge­biet. Denn wenn man die gro­ßen Betrie­be der Regi­on – die Genos­sen­schaft Win­zer­ver­ei­ni­gung Freyburg-Unstrut, die Rotkäppchen-Sektkellerei und das Lan­des­wein­gut Klos­ter Pfor­ta – mal bei­sei­te lässt, blei­ben gera­de mal rund 30 ernst­zu­neh­men­de Betrie­be übrig. Und vie­le von ihnen sind Neugründungen.

Aber auch Wein­gü­ter mit län­ge­rer Tra­di­ti­on – etwa das VDP-Mitglied Lütz­ken­dorf –  beka­men erst nach der Wen­de ihre Flä­chen zurück. Denn pri­va­te Land­wirt­schaft, und damit auch Wein­bau, gab es in der DDR nicht. Wer Trau­ben anbau­te, konn­te sie an die drei erwähn­ten Groß­trie­be ver­kau­fen. Was die­se dar­aus mach­ten, war meist nicht der Rede wert.

Die großen 3: Freyburg-Unstrut, Kloster Pforta, Rotkäppchen

Bei mei­ner Rei­se durch das Anbau­ge­biet Saale-Unstrut, das sich über die Bun­des­län­der Sachsen-Anhalt, Thü­rin­gen und Bran­den­burg erstreckt, habe ich auch sie besucht, aber kaum etwas Span­nen­des gefun­den. Die Win­zer­ver­ei­ni­gung Freyburg-Unstrut macht abso­lut sau­be­re Wei­ne zu fai­ren Prei­sen. Klos­ter Pfor­ta lie­fert eben­falls Stan­dard­qua­li­tä­ten und ver­sucht sich neben­her an eini­gen fast aus­ge­stor­be­nen Sor­ten – mit durch­wach­se­nen Ergeb­nis­sen. Die Sekt­kel­le­rei Rot­käpp­chen ist ein Industrieunternehmen.

Weinberg bei Kloster Pforta | ©www.deutscheweine.de
Wein­berg bei Klos­ter Pfor­ta | Foto: ©www.deutscheweine.de

Inter­es­san­ter sind die klei­nen, jun­gen Betrie­be. Aber auch hier habe ich eini­ges gefun­den, das mir nicht son­der­lich zusag­te. Das fin­de ich in die­sen Fäl­len aber nicht wei­ter schlimm. Denn meist hat­te ich den Ein­druck, dass die Win­zer vie­les pro­bier­ten und auf der Suche nach ihrem Weg waren. Immer wie­der hielt ich mir vor Augen, dass ein zehn Jah­re altes Wein­gut bis­lang ja gera­de mal zehn Ver­su­che mit einem Wein gemacht hat. Es gibt in die­sen Wein­gü­tern kei­ne Tra­di­ti­on und somit auch kei­nen Erfah­rungs­schatz, von dem die Win­zer pro­fi­zie­ren könnten.

Das Beispiel Hey

Beson­ders deut­lich wur­de das für mich auf dem Wein­gut Hey. Die Eltern von Mat­thi­as Hey kauf­ten im Jahr 2001 einen ein Hekt­ar gro­ßen Wein­berg. In ihrer Frei­zeit befrei­ten sie die alten Reben von Brom­beer­ge­strüpp, pflanz­ten neue und repa­rier­ten alte Ter­ras­sen. Dem Juni­or gefiel die­se Arbeit so gut, dass er in Gei­sen­heim und im ita­lie­ni­schen Udi­ne Wein­bau stu­dier­te und 2007 mit sei­nen Eltern das Wein­gut grün­de­te. Inzwi­schen bewirt­schaf­tet die Fami­lie fünf Hektar.

“Holz zu beherr­schen, ist eine gro­ße Kunst.”

Im Guts­wein­be­reich kel­tert Hey über­zeu­gen­de Wei­ne: fruch­tig, süf­fig und klar. Am bes­ten gefiel mir sein Weiß­bur­gun­der 2016. Je höher es in der Qua­li­tät ging, des­to rat­lo­ser wur­de ich. Hey liebt den Holz­fass­aus­bau. Aber oft schießt er dabei über das Ziel hin­aus. Sei­ne Top­wei­ne haben nichts mehr von der Leich­tig­keit der Guts­wei­ne. Sie wir­ken dick und fett. Nach zwei Schlu­cken bin ich gesät­tigt. Aber wie gesagt: Das ist kein Vor­wurf an Hey. Holz zu beherr­schen, ist eine gro­ße Kunst. Der jun­ge Mann hat Talent, und ich bin mir sicher, dass er sich in den kom­men­den Jah­ren stei­gern wird.

Lokaler Konsum, gepfefferte Preise

Die Anbau­flä­che Saale-Unstruts ist seit der Wen­de enorm gewach­sen, von damals rund 500 Hekt­ar auf mitt­ler­wei­le 768. Die meist ange­bau­ten Sor­ten sind übri­gens Müller-Thurgau und Weiß­bur­gun­der, Ries­ling spielt nur eine Neben­rol­le. Der meis­te Wein wird in der Regi­on selbst getrun­ken. Die Win­zer­ver­ei­ni­gung ver­kauft 80 Pro­zent im Umkreis von 100 Kilometern.

Reben an der Saale
Reben an der Saale

Stel­len sich die Wei­ne dem Ver­gleich mit ande­ren Regio­nen, haben sie von Anfang an einen Nach­teil: Sie sind teu­rer. Mat­thi­as Hey erklärt, war­um das so ist: „Weil es bei uns so wenig reg­net, haben wir nied­ri­ge Erträ­ge. Im lang­jäh­ri­gen Mit­tel machen die Win­zer gera­de mal 60 Hek­to­li­ter pro Hekt­ar“, sagt er. „Des­halb sind unse­re Wei­ne im Schnitt ein Drit­tel teurer.“

Winzervereinigung Breitengrad 51

Tro­cken­heit ist nicht das ein­zi­ge Wet­ter­phä­no­men, mit dem die Win­zer zu kämp­fen haben. Das Kli­ma in Saale-Unstrut ist kon­ti­nen­tal geprägt, also hei­ße Som­mer mit bis zu 40°C und kal­te Win­ter mit teil­wei­se minus 30°C. Immer wie­der erfrie­ren Reb­stö­cke oder die Ern­te­men­ge lei­det unter Spät- oder Frühfrösten.

Das Wein­gut Hey gehört übri­gens zu einer Win­zer­ver­ei­ni­gung, die über Gren­zen der Regi­on hin­aus Beach­tung fin­det: Brei­ten­grad 51. Sie gilt, so war hier und da zu hören, als Nach­wuchs­pool für den VDP. „Da haben sich acht Wein­gü­ter zusam­men­ge­fun­den, die was ändern wol­len“, sagt Hey. Zwei Jah­re lang tra­fen sich die Mit­glie­der erst ein­mal, um Wein zu trin­ken und aus­zu­lo­ten, was ande­re machen und wohin ihr Weg füh­ren könnte.

Spitzenweine hoch im Alkohol

Bald waren sie sich einig: an die Spit­ze. Des­halb küren sie jedes Jahr die Breitengrad-Weine, ihre Spit­zen­ge­wäch­se. Pro Wein­gut kann ein Weiß- und ein Rot­wein die­se Aus­zeich­nung erlan­gen. Zuge­las­sen sind Ries­ling, Weiß- oder Grau­bur­gun­der, Roter Tra­mi­ner, Zwei­gelt und Spät­bur­gun­der. Die Min­de­strei­fe liegt bei 95 Grad Oechs­le, der Höchs­ter­trag pro Hekt­ar bei 50 Hek­to­li­ter. Ich konn­te eini­ge der aktu­el­len Breitengrad-Weine pro­bie­ren und war eini­ger­ma­ßen ernüch­tert: auf­fäl­lig hohe Alko­hol­ge­hal­te und viel Holz. Wah­re Spit­zen­wei­ne schme­cken anders.

Erfolg mit zwei Hektaren: Grober-Feetz

Ein Win­zer, der der Idee von Brei­ten­grad 51 skep­tisch gegen­über­steht, ist Tino Gro­ber. Er betreibt gemein­sam mit sei­ner Frau Ste­pha­nie Grober-Feetz, einer gelern­ten Wer­be­ge­stal­te­rin, das gera­de mal zwei Hekt­ar gro­ße Wein­gut Gro­ber Feetz. Die Geschich­te des Betrie­bes ist typisch für Saale-Unstrut. Gro­ber war bei der Natio­na­len Volks­ar­mee, Berg­mann und irgend­wann „Mäd­chen für alles“ bei der Genos­sen­schaft in Frey­burg. Vor sechs Jah­ren begann er mit sei­ner Frau im Neben­er­werb mit Wein­bau. Seit kur­zem erst ist es ihr ein­zi­ger Beruf. Win­zer wur­den die bei­den aus Man­gel an Alter­na­ti­ven – aber mit Lei­den­schaft. Denn was Gro­ber aus sei­nen zwei Hekt­ar Reben her­aus­holt, ist bemer­kens­wert. Fast alles schenkt er in ihrer 2014 eröff­ne­ten Wein­stu­be aus. In der Küche ste­hen Grober-Feetz und ihre Mut­ter – so lässt sich auch von zwei Hekt­ar leben.

Tino Grober und Stephanie Grober-Feetz
Tino Gro­ber und Ste­pha­nie Grober-Feetz

18 Reb­sor­ten wach­sen dar­auf. Das sieht in vie­len alten Wein­ber­gen in Saale-Unstrut ähn­lich aus. Gro­ber erklärt, war­um das so ist: „Im Win­ter 1986/87 ist vie­les erfro­ren. Und damals war es nicht so ein­fach, an neue Reb­stö­cke zu kom­men. Also pflanz­ten die Win­zer, was sie krie­gen konn­ten. Außer­dem woll­te man so mög­li­chen Aus­fäl­len ent­ge­gen­wir­ken, und schließ­lich konn­te man gestaf­felt lesen. Das war wich­tig, weil die ein­zi­gen Ern­te­hel­fer meist die Fami­li­en­mit­glie­der waren“, sagt der Winzer.

Wein für Touristen: Weingut Zahn

Das Wein­gut Zahn, von sei­nen Grün­dern „Erleb­nis­wein­gut“ genannt, hat die Ver­mark­tung im Guts­aus­schank an Tou­ris­ten per­fek­tio­niert. Der 15 Hekt­ar gro­ße Betrieb liegt direkt an der Saa­le und hat einen 130 Meter lan­gen Boots­an­le­ger. An einem schö­nen Som­mer­tag liegt dort Schlauch­boot neben Schlauch­boot, dazu kom­men zahl­rei­che Fahr­rad­tou­ris­ten. Für die­se Kun­den sind die Wei­ne gemacht, sie sind frisch, fruch­tig, sehr trin­kig – eben das, was man an einem hei­ßen Som­mer­tag ger­ne zu sich nimmt.

„Man muss den Zugang ver­ein­fa­chen, den Wein in Erleb­nis­se packen.“

„Wein wird viel zu eli­tär ange­se­hen“, sagt Tors­ten Zahn, der für die Ver­mark­tung zustän­dig ist. „Man muss den Zugang ver­ein­fa­chen, den Wein in Erleb­nis­se packen.“ Genau das ver­sucht er. Der Ver­an­stal­tungs­ka­len­der des Betriebs ist voll: Es gibt Pick­nick im Wein­berg, Yoga im Wein­berg, Schlauch­boot­fahr­ten im Mond­schein, Kri­mi­wan­de­run­gen, Kon­zer­te und mehr. Ein Kon­zept, das auf­zu­ge­hen scheint.

Auf Qualität gesetzt: Bernard Pawis

Einer, der eher auf die Qua­li­tät und Über­zeu­gungs­kraft sei­ner Wei­ne setzt, ist Ber­nard Pawis. Das Wein­gut Pawis ist (neben Lütz­ken­dorf) einer der bei­den VDP-Betriebe an Saa­le und Unstrut. Wie eini­ge ande­re Kol­le­gen begann auch er einst nach der Wen­de in sei­ner Gara­ge. „Damals haben wir noch die Eti­ket­ten mit Tusche selbst gemalt“, erzählt Pawis und quietscht fast vor Begeis­te­rung. Über­haupt ist der 53-Jährige ein Typ, der weder still sein noch still sit­zen kann, so vol­ler Ener­gie ist er. Dabei könn­te er sich eigent­lich ent­spannt zurück­leh­nen, den pas­sen­den Ort und den Erfolg hät­te er. 2001 nahm ihn der VDP auf, 2005 kauf­ten er und sei­ne Frau den Guts­hof des alten Klos­ter Zschei­plitz und sanier­ten ihn zwei Jah­re lang.

Bernard Pawis
Ber­nard Pawis

Sei­ne Wei­ne sind alle­samt gelun­gen, Pawis selbst beschreibt sei­ne Arbeit so: „Ich will Wein machen, der die Leu­te begeis­tert und nichts Ver­kopf­tes für Som­me­liers.“ Das führt dazu, dass ihm die ganz gro­ße Aner­ken­nung noch ver­wehrt bleibt – Spit­zen­wein­gü­ter wer­den nun mal in der Gas­tro­no­mie gemacht. Aber um an einem schö­nen Som­mer­abend auf der Ter­ras­se des Guts­ho­fes zu sit­zen, über die Hügel zu schau­en und Pawis zuzu­hö­ren, wie er eine Sto­ry nach der ande­ren zum Bes­ten gibt, sind sei­ne Wei­ne die per­fek­te Begleitung.

Ihrer Sache schon zu sicher?

Wenn ich nach mei­nem Besuch in der Regi­on Saale-Unstrut ein Fazit zie­hen soll, dann fällt das gemischt aus. Posi­tiv, weil vie­les in Bewe­gung ist, Win­zer sich Gedan­ken machen und aus­pro­bie­ren. Das über­wiegt auf jeden Fall. Beim einen oder ande­ren aber hat­te ich den Ein­druck, dass er oder sie sich sei­ner Sache schon zu sicher ist. Das ist scha­de. Denn für die meis­ten ist die Spit­ze noch ein gutes Stück entfernt.

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