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Obwohl Wein an Saale und Unstrut seit mehr als 1000 Jahren angebaut wird, ist es ein junges Weinbaugebiet. Denn wenn man die großen Betriebe der Region – die Genossenschaft Winzervereinigung Freyburg-Unstrut, die Rotkäppchen-Sektkellerei und das Landesweingut Kloster Pforta – mal beiseite lässt, bleiben gerade mal rund 30 ernstzunehmende Betriebe übrig. Und viele von ihnen sind Neugründungen.
Aber auch Weingüter mit längerer Tradition – etwa das VDP-Mitglied Lützkendorf – bekamen erst nach der Wende ihre Flächen zurück. Denn private Landwirtschaft, und damit auch Weinbau, gab es in der DDR nicht. Wer Trauben anbaute, konnte sie an die drei erwähnten Großtriebe verkaufen. Was diese daraus machten, war meist nicht der Rede wert.
Die großen 3: Freyburg-Unstrut, Kloster Pforta, Rotkäppchen
Bei meiner Reise durch das Anbaugebiet Saale-Unstrut, das sich über die Bundesländer Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg erstreckt, habe ich auch sie besucht, aber kaum etwas Spannendes gefunden. Die Winzervereinigung Freyburg-Unstrut macht absolut saubere Weine zu fairen Preisen. Kloster Pforta liefert ebenfalls Standardqualitäten und versucht sich nebenher an einigen fast ausgestorbenen Sorten – mit durchwachsenen Ergebnissen. Die Sektkellerei Rotkäppchen ist ein Industrieunternehmen.
Interessanter sind die kleinen, jungen Betriebe. Aber auch hier habe ich einiges gefunden, das mir nicht sonderlich zusagte. Das finde ich in diesen Fällen aber nicht weiter schlimm. Denn meist hatte ich den Eindruck, dass die Winzer vieles probierten und auf der Suche nach ihrem Weg waren. Immer wieder hielt ich mir vor Augen, dass ein zehn Jahre altes Weingut bislang ja gerade mal zehn Versuche mit einem Wein gemacht hat. Es gibt in diesen Weingütern keine Tradition und somit auch keinen Erfahrungsschatz, von dem die Winzer profizieren könnten.
Das Beispiel Hey
Besonders deutlich wurde das für mich auf dem Weingut Hey. Die Eltern von Matthias Hey kauften im Jahr 2001 einen ein Hektar großen Weinberg. In ihrer Freizeit befreiten sie die alten Reben von Brombeergestrüpp, pflanzten neue und reparierten alte Terrassen. Dem Junior gefiel diese Arbeit so gut, dass er in Geisenheim und im italienischen Udine Weinbau studierte und 2007 mit seinen Eltern das Weingut gründete. Inzwischen bewirtschaftet die Familie fünf Hektar.
„Holz zu beherrschen, ist eine große Kunst.“
Im Gutsweinbereich keltert Hey überzeugende Weine: fruchtig, süffig und klar. Am besten gefiel mir sein Weißburgunder 2016. Je höher es in der Qualität ging, desto ratloser wurde ich. Hey liebt den Holzfassausbau. Aber oft schießt er dabei über das Ziel hinaus. Seine Topweine haben nichts mehr von der Leichtigkeit der Gutsweine. Sie wirken dick und fett. Nach zwei Schlucken bin ich gesättigt. Aber wie gesagt: Das ist kein Vorwurf an Hey. Holz zu beherrschen, ist eine große Kunst. Der junge Mann hat Talent, und ich bin mir sicher, dass er sich in den kommenden Jahren steigern wird.
Lokaler Konsum, gepfefferte Preise
Die Anbaufläche Saale-Unstruts ist seit der Wende enorm gewachsen, von damals rund 500 Hektar auf mittlerweile 768. Die meist angebauten Sorten sind übrigens Müller-Thurgau und Weißburgunder, Riesling spielt nur eine Nebenrolle. Der meiste Wein wird in der Region selbst getrunken. Die Winzervereinigung verkauft 80 Prozent im Umkreis von 100 Kilometern.
Stellen sich die Weine dem Vergleich mit anderen Regionen, haben sie von Anfang an einen Nachteil: Sie sind teurer. Matthias Hey erklärt, warum das so ist: „Weil es bei uns so wenig regnet, haben wir niedrige Erträge. Im langjährigen Mittel machen die Winzer gerade mal 60 Hektoliter pro Hektar“, sagt er. „Deshalb sind unsere Weine im Schnitt ein Drittel teurer.“
Winzervereinigung Breitengrad 51
Trockenheit ist nicht das einzige Wetterphänomen, mit dem die Winzer zu kämpfen haben. Das Klima in Saale-Unstrut ist kontinental geprägt, also heiße Sommer mit bis zu 40°C und kalte Winter mit teilweise minus 30°C. Immer wieder erfrieren Rebstöcke oder die Erntemenge leidet unter Spät- oder Frühfrösten.
Das Weingut Hey gehört übrigens zu einer Winzervereinigung, die über Grenzen der Region hinaus Beachtung findet: Breitengrad 51. Sie gilt, so war hier und da zu hören, als Nachwuchspool für den VDP. „Da haben sich acht Weingüter zusammengefunden, die was ändern wollen“, sagt Hey. Zwei Jahre lang trafen sich die Mitglieder erst einmal, um Wein zu trinken und auszuloten, was andere machen und wohin ihr Weg führen könnte.
Spitzenweine hoch im Alkohol
Bald waren sie sich einig: an die Spitze. Deshalb küren sie jedes Jahr die Breitengrad-Weine, ihre Spitzengewächse. Pro Weingut kann ein Weiß- und ein Rotwein diese Auszeichnung erlangen. Zugelassen sind Riesling, Weiß- oder Grauburgunder, Roter Traminer, Zweigelt und Spätburgunder. Die Mindestreife liegt bei 95 Grad Oechsle, der Höchstertrag pro Hektar bei 50 Hektoliter. Ich konnte einige der aktuellen Breitengrad-Weine probieren und war einigermaßen ernüchtert: auffällig hohe Alkoholgehalte und viel Holz. Wahre Spitzenweine schmecken anders.
Erfolg mit zwei Hektaren: Grober-Feetz
Ein Winzer, der der Idee von Breitengrad 51 skeptisch gegenübersteht, ist Tino Grober. Er betreibt gemeinsam mit seiner Frau Stephanie Grober-Feetz, einer gelernten Werbegestalterin, das gerade mal zwei Hektar große Weingut Grober Feetz. Die Geschichte des Betriebes ist typisch für Saale-Unstrut. Grober war bei der Nationalen Volksarmee, Bergmann und irgendwann „Mädchen für alles“ bei der Genossenschaft in Freyburg. Vor sechs Jahren begann er mit seiner Frau im Nebenerwerb mit Weinbau. Seit kurzem erst ist es ihr einziger Beruf. Winzer wurden die beiden aus Mangel an Alternativen – aber mit Leidenschaft. Denn was Grober aus seinen zwei Hektar Reben herausholt, ist bemerkenswert. Fast alles schenkt er in ihrer 2014 eröffneten Weinstube aus. In der Küche stehen Grober-Feetz und ihre Mutter – so lässt sich auch von zwei Hektar leben.
18 Rebsorten wachsen darauf. Das sieht in vielen alten Weinbergen in Saale-Unstrut ähnlich aus. Grober erklärt, warum das so ist: „Im Winter 1986/87 ist vieles erfroren. Und damals war es nicht so einfach, an neue Rebstöcke zu kommen. Also pflanzten die Winzer, was sie kriegen konnten. Außerdem wollte man so möglichen Ausfällen entgegenwirken, und schließlich konnte man gestaffelt lesen. Das war wichtig, weil die einzigen Erntehelfer meist die Familienmitglieder waren“, sagt der Winzer.
Wein für Touristen: Weingut Zahn
Das Weingut Zahn, von seinen Gründern „Erlebnisweingut“ genannt, hat die Vermarktung im Gutsausschank an Touristen perfektioniert. Der 15 Hektar große Betrieb liegt direkt an der Saale und hat einen 130 Meter langen Bootsanleger. An einem schönen Sommertag liegt dort Schlauchboot neben Schlauchboot, dazu kommen zahlreiche Fahrradtouristen. Für diese Kunden sind die Weine gemacht, sie sind frisch, fruchtig, sehr trinkig – eben das, was man an einem heißen Sommertag gerne zu sich nimmt.
„Man muss den Zugang vereinfachen, den Wein in Erlebnisse packen.“
„Wein wird viel zu elitär angesehen“, sagt Torsten Zahn, der für die Vermarktung zuständig ist. „Man muss den Zugang vereinfachen, den Wein in Erlebnisse packen.“ Genau das versucht er. Der Veranstaltungskalender des Betriebs ist voll: Es gibt Picknick im Weinberg, Yoga im Weinberg, Schlauchbootfahrten im Mondschein, Krimiwanderungen, Konzerte und mehr. Ein Konzept, das aufzugehen scheint.
Auf Qualität gesetzt: Bernard Pawis
Einer, der eher auf die Qualität und Überzeugungskraft seiner Weine setzt, ist Bernard Pawis. Das Weingut Pawis ist (neben Lützkendorf) einer der beiden VDP-Betriebe an Saale und Unstrut. Wie einige andere Kollegen begann auch er einst nach der Wende in seiner Garage. „Damals haben wir noch die Etiketten mit Tusche selbst gemalt“, erzählt Pawis und quietscht fast vor Begeisterung. Überhaupt ist der 53-Jährige ein Typ, der weder still sein noch still sitzen kann, so voller Energie ist er. Dabei könnte er sich eigentlich entspannt zurücklehnen, den passenden Ort und den Erfolg hätte er. 2001 nahm ihn der VDP auf, 2005 kauften er und seine Frau den Gutshof des alten Kloster Zscheiplitz und sanierten ihn zwei Jahre lang.
Seine Weine sind allesamt gelungen, Pawis selbst beschreibt seine Arbeit so: „Ich will Wein machen, der die Leute begeistert und nichts Verkopftes für Sommeliers.“ Das führt dazu, dass ihm die ganz große Anerkennung noch verwehrt bleibt – Spitzenweingüter werden nun mal in der Gastronomie gemacht. Aber um an einem schönen Sommerabend auf der Terrasse des Gutshofes zu sitzen, über die Hügel zu schauen und Pawis zuzuhören, wie er eine Story nach der anderen zum Besten gibt, sind seine Weine die perfekte Begleitung.
Ihrer Sache schon zu sicher?
Wenn ich nach meinem Besuch in der Region Saale-Unstrut ein Fazit ziehen soll, dann fällt das gemischt aus. Positiv, weil vieles in Bewegung ist, Winzer sich Gedanken machen und ausprobieren. Das überwiegt auf jeden Fall. Beim einen oder anderen aber hatte ich den Eindruck, dass er oder sie sich seiner Sache schon zu sicher ist. Das ist schade. Denn für die meisten ist die Spitze noch ein gutes Stück entfernt.