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Mädchentraube reloaded: Rumänien – Ein Weinland im Aufbruch

In Rumänien boomt nicht nur die Wirtschaft, wie neueste Daten belegen. Das von den Karpaten durchzogene und westlich vom Schwarzen Meer gelegene Land verfügt über besonders begünstigte Weinbaubedingungen die von engagierten Winzern genutzt werden.

Zu tun gibt es viel. Schließlich wurde in der kommunistischen Ära das vorhandene Qualitätspotential wenig ausgeschöpft. Hier galt Masse mehr als Qualität und Rumänien erlangte fragwürdigen Ruhm als Billigweinlieferant. Mädchentraube und süßer Cadarca dürften manchen Weinfreunden noch aus Studentenzeiten bekannt sein. Auch heute noch wird sehr viel Wein als namenlose Tankware nach Schweden oder Deutschland verkauft. Vor allem Rumänischer Merlot und Pinot Grigio landet in Bag-in-Boxes oder im untersten Supermarktregal. Das macht es natürlich nicht einfach für Premium-Weine ein gutes Image aufzubauen.

Mit ca. 190.000 Hektar Rebfläche ist Rumänien das größte Weinbauland Osteuropas. Dabei ist nur die Hälfte davon für den Qualitätsweinbau zugelassen. Der Rest sind immer noch sogenannte Hybridreben, Kreuzungen aus europäischen und amerikanischen Reben die nach der Reblauskatastrophe und bis zur Wende gerne angebaut wurden. Die wachsen zwar robust und ertragreich, ergeben aber keinen edlen Wein. „Daraus wird bei uns Tafelwein gemacht und privat getrunken. Hier hat fast jeder Haushalt seinen selbstgebrauten Wein der beim Essen auf den Tisch kommt.“ erklärt Rodica Capatina, die engagierte Geschäftsfrau die heute mehrere Spitzenweingüter aus Rumänien betreut und die Weine ihrer Heimat international bekannt machen möchte. „Die Rumänen lieben Wein.“ erklärt sie weiter.

Rumänien – das Land der großen Weingüter

Nach der Wende kamen internationale Investoren ins Land und moderne Techniken hielten Einzug in Keller und Weinberg. Seit 2007 ist Rumänien Mitglied in der Europäischen Union und die Winzer profitieren von den Förderungen aus Brüssel. So sind in den letzten Jahren viele hochmoderne Weingüter entstanden. Dabei fällt auf, dass diese relativ groß sind mit selten weniger als 50 Hektar Rebfläche. Boutique-Weingüter, in anderen Ländern oft Keimzellen für eine qualitative Revolution, findet man eher selten. Für Gabriel Roceanu vom Weingut Oprisor aus Oltenien gibt es dafür viele Gründe.

Gabriel Roceanu, Weingut Oprisor
Gabriel Roceanu, Weingut Oprisor

„Für junge Leute ist es nicht sonderlich attraktiv aufs Land zu ziehen, um dort Weinbau zu betreiben. Die Infrastruktur in Rumänien ist sehr schlecht. Es gibt keine guten Straßen, in manchen Dörfern kein sauberes Wasser, keine sichere Stromversorgung. Von Schulen, Ärzten und dergleichen gar nicht zu sprechen. Die Bürokratie ist uferlos. Man muss schon eine gewisse Größe haben, um damit umgehen zu können.“

Er hat die Hoffnung, dass sich das in den nächsten Jahren deutlich ändern wird.


Über Gabriel Roceanu:


Gabriel Roceanu leitet das Weingut Oprisor in der Region Oltenien, die auch als kleine Walachei bekannt ist. Die deutsche Kellerei Reh-Kendermann aus Bingen hat hier investiert. Neben einfachen Konsumweinen entsteht hier aber auch die sehr interessante Premiumline „La Cetate“.


Verkauft werden die Spitzenweine bislang hauptsächlich auf dem heimischen Markt. Nicht nur in Bukarest nimmt die Gastronomieszene an Fahrt auf. „Die Städte Sibiu, Cluj, oder Iasi boomen. Es gibt dort viele junge Leute die in der IT-Branche arbeiten oder in anderen großen Firmen die dort investiert haben. Die lieben Wein und den westlichen Lebensstil.“ erklärt Gabriel Roceanu. Auch der Tourismus nimmt in Rumänien gewinnt an Attraktivität.

Dabei sollte man nicht nur an die im Sommer mit Pauschalurlaubern überfüllten Strände am Schwarzen Meeres denken. „Die Karpaten oder das Donau-Delta sind fantastische Naturparadiese. Das zieht sehr guten Tourismus an. Es gibt mittlerweile einige gehobene Hotels und Ressorts. Dort können wir Wein an internationales Publikum verkaufen.“ erzählt Roceanu weiter. Das soll auch helfen Rumänische Spitzenweine auch außerhalb der eigenen Landesgrenzen bekannter zu machen. Denn nicht nur in Deutschland ist rumänischer Wein für viele Weinfreunde ein blinder Fleck auf der Weltweinkarte.

Einheimische Rebsorten und Regionen, die entdeckt werden wollen

Dabei gibt es viel zu entdecken. Wer internationale Weinstile schätzt, kann auch hier die üblichen Verdächtigen von Chardonnay bis Cabernet Sauvignon finden. Spannend sind aber die einheimischen Rebsorten. Allen voran die rote Sorte Fetească Neagră, wie die schwarze Mädchentraube in Rumänien genannt wird. Die Rebsorte kommt bestens mit dem sehr kontinentalen Klima zurecht und liefert bei reduzierten Erträgen saftige Rotweine mit Reifepotential. Die Rebsorte ist zudem ähnlich vielseitig wie der Blaufränkisch aus Österreich. Man findet vom feinen, burgundischen Stil bis zum Holz wie Tannin betonten Kraftprotz eine große geschmackliche Vielfalt. Die Sorte wird zudem in ganz Rumänien und damit in unterschiedlichen Klimazonen angebaut. Ebenso spannend ist der rote Cadarca der mit den süßen Pendants aus anderen osteuropäischen Ländern nichts gemein hat. Bei den Weißweinen sollte man die körperreiche und aromatische Rebsorte Fetească regală oder die ölig, honigduftige Grasă aus der Region Cotnari im Auge behalten.

Die acht Weinbaugebiete mit zahlreichen Sub-Regionen sind im ganzen Land verteilt und verfügen über unterschiedlichste Wachstumsbedingungen für Reben. So ist das Gebiet Transsylvanien, ein hoch gelegenes Plateau in den Karpaten, für frische Weißweine bekannt. Großes Potential für gehaltvolle Rotweine hat die Region Dealu Mare im Süden Rumäniens. Hier wachsen die Reben auf den Ausläufern der Karpaten und das Klima ist vom Schwarzen Meer beeinflußt. Nicht umsonst wird Dealu Mare auch „Bordeaux Rumäniens“ genannt. Direkt am Schwarzen Meer befindet sich das Gebiet Dobrogea mit dem Murfatlar vom gleichnamigen Staatsweingut auf dem heute auch viele internationale Rebsorten wie Pinot Gris und Merlot angebaut werden.


Rumänische Weingüter, die neugierig machen

Mitte Januar fand eine Präsentation der „Premium Wines of Romania“ in Hamburg und Berlin statt. Ich möchte Ihnen hier ein paar Weine und Weingüter vorstellen und Sie damit neugierig auf den Osten Europas machen.


Balla Géza

Vica Necula ist Vertriebschefin beim Weingut Balla Géza. Auf den 120 Hektar werden u. a. Rebsorten kultiviert die auch im benachbarten Ungarn erfolgreich angebaut werden wie etwa Furmint, Kékfrankos oder Cabernet Franc.

Vica Necula, Weingut Balla Géza

2015 Cadarca „Stonewine“

Géza Balla hat Gartenbau studiert bevor er 1999 sein Weingut im Westen Rumäniens, an der Grenze zu Ungarn, gegründet hat. In dem mediterranen Klima gedeihen vor allem Rotweine besonders gut. Seine Spitzenlinie „Stonewine“ stammt von hochgelegenen Weinbergen, wo die Reben ihre Wurzeln in karge Granitböden treiben müssen und durch etwas kühlere Temperaturen länger Zeit haben auszureifen. Modern ausgebaut entstehen so kraftvolle wie raffinierte Rotweine. Dieser hier beweist, welches Potential in der Sorte Cadarca steckt. Das Bukett verströmt komplexe Aromen von reifen Heidelbeeren, Kirschen, englischen Teerosen, Piment, Nelken, Vanille und Moos. Nach dem Duft erwartet man eigentlich einen üppigen Wein. Doch am Gaumen ist er angenehm mittelkräftig (12,5% Alkohol) mit einem saftigen, abgerundeten Tanningerüst ausgestattet. Im Finish zeigt sich noch einmal das ganze Aromenspiel, eine frische Note sowie ein angenehmer Barriqueton der vom 2-jährigen Ausbau in ungarischer Eiche kommt.

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Bioweingut Nachbil

Nachbil ist eines der wenigen Bioweingüter Rumäniens. Die Weine werden mit wenig Intervention (kaum geschwefelt und filtriert) ausgebaut. Nachbil befindet sich in der hügeligen Weinbauregion Beltiug in Transsylvanien. Dort war die Heimat von vielen Oberschwaben die sich im 18. Jahrhundert dort ansiedelten und regen Weinbau betrieben. In der Zeit des Kommunismus flohen viele nach Deutschland, so auch Johann Brutler mit seiner Familie. Im Jahre 1999 zog es ihn zurück in seine Heimat. Zusammen mit seinem Sohn Edgar, der in Geisenheim studierte, kümmert er sich um die Wiederbelebung des Weinbaus. Heute bewirtschaftet die Familie 23 Hektar Weinberge, die neben heimischen auch mit internationalen Rebsorten bepflanzt sind. Vor allem der weiße „Grand Pa“ wird Naturweinfreunde überzeugen. Intensive Aromen von reifem Apfel, feine Muskattöne, Mandarinenschale, am Gaumen viel Körper, Schmelz, Salzigkeit und mit 12 Prozent Alkohol sehr ausgewogen.

Nachbil

Versil besteht aus Silvaner, Grand Pa aus den heimischen Sorten Fetească Regala und Baras. Der Rotwein auf dem Bild war ein klasse Blaufränkisch.

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Weingut Serve

Silviu Rotarescu ist Kellermeister beim Weingut Serve und hat u.a. in Montpellier studiert. Die Region Dealu Mare gilt als El Dorado für rumänischen Weinbau und wird auch „Bordeaux des Ostens“ genannt.

Graf Guy Tyrell de Poix aus Korsika war der erste internationale Investor der in Rumänien nach der Wende ein Weingut gründete. Begeistert von der Rebsorte Fetească Neagră und der Region Dealu Mare investierte er im Jahre 1994 in moderne Keller und lies runtergekommene Weinberge neu anlegen. Mit viel sorgfältiger Arbeit und mit Hilfe der Beratung französischer Önologen war der Wein-Graf bald im ganzen Land respektiert. Denn die Weine verbinden gekonnt die französische Handschrift im Keller mit den autochtonen Rebsorten Rumäniens. Heute leitet die tatkräftige Witwe Mihaela Tyrell de Poix das fast 100 Hektar fassende Weingut.

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Weingut Oprisor

Oben habe ich schon den Weinmacher vom Weingut Oprisor erwähnt. Das Weingut befindet sich in der Region Oltenien südlich der Karpaten, an der Grenze zu Serbien und Bulgarien. Das Klima ist nicht nur von den Bergen sondern auch von der weiter südlich gelegenen Donau beeinflusst. „Oltenien gilt als Kornkammer Rumäniens“ erklärt Gabriel Roceanu. „Die Böden sind fruchtbar, das Klima ist gut. Hier gibt es Obst-, Gemüse- und Getreideanbau und überhaupt sehr viel Landwirtschaft.“ Die Kellerei Reh-Kendermann hat hier groß investiert. Mittlerweile gehören über 250 Hektar Weinberge zu dem Gut, dass neben süffigen Pinot Grigio und Merlot u. a. für deutsche Supermärkte auch Premium Weine aus heimischen Sorten erzeugt. Besonders zu empfehlen ist der saftige, rote Fetească Neagră La Cetate, der nach internationalem Vorbild ausgebaut wird.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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