Frédéric Panaïotis sitzt in einer lichten Suite des Brown’s Hotels in Mayfair und zeigt auf seinem iPhone ein Gemälde, das er kürzlich in Ungarn gekauft hat. Er spricht von Kakteen und Sukkulenten in seinem privaten Garten, um dann auf die japanische Küche zu kommen und auf seine Passion für fremde Sprachen. Und darüber, dass er ein furchtbar neugieriger Mensch ist.
Rosé galt früher als Halbwelt-Produkt
Natürlich spricht er auch über Rosé-Champagner. Schließlich ist er seit 2007 verantwortlicher Kellermeister des Hauses Ruinart, dessen Rosé-Champagner zu den ganz großen dieser Kategorie gehören, und groß waren die Ruinart-Rosés schon, bevor die Rosé-Mode ausbrach. Schmunzelnd berichtet er von dem Eigentümer eines kleinen, aber feinen Champagnerhauses, der damals keinen Hehl aus seiner Meinung machte, dass Rosé eigentlich zur Demi-Monde gehöre.
Ältester Rosé-Produzent der Champagne
Nahezu 20 Prozent der Gesamtproduktion von Ruinart sind der Roséproduktion gewidmet, während der Rosé-Anteil der Champagne insgesamt nur 10 Prozent beträgt. Zufälligerweise stellten Archivare beim Durchforsten der historischen Papiere des Hauses im letzten Jahr fest, dass Ruinart das erste Champagnerhaus überhaupt war, das Roséweine verkaufte. Sie fanden einen Brief von Adolf Friedrich IV., Herzog zu Mecklenburg-Strelitz vom 17. März 1764, mit welchem er 60 Flaschen von ‘œil de perdrix’ Champagner bestellte – ein noch heute gebrauchter Ausdruck für blassrosafarbene Weine. Damit kann das Haus auf eine 250-jährige Geschichte in Sachen Rosé zurückblicken, die sogar jene des Hauses Veuve Clicquot von 1770 übertrumpft.
Für Rosé-Champagner braucht man Rotwein
„Die meisten Rosé-Champagner werden durch Verschnitt gemacht, also durch das Beimischen von roten Weinen zu weißem Wein”, sagt Panaïotis. „Dazu benötigt man gute Rotweine, was kein leichtes Unterfangen in der Champagne ist. Man braucht die richtigen Weinberge. Die Reben und die Erziehung sind anders, so etwas kann man nicht in der letzten Minute entscheiden.” Man muss also schon vorher wissen, dass der Pinot Noir oder der Pinot Meunier zu einem Rotwein gekeltert werden sollen. „Wer einen guten Rosé-Champagner machen will, kann nicht improvisieren und nicht auf einen Zufall hoffen. Harte Arbeit und Kenntnis sind da gefragt.”
Alte Flaschenform wiederbelebt
Ruinart stellt drei non vintage-Champagner (“R”, Blanc de Blancs, Rosé) und zwei rare Jahrgangs-Champagner her: den Dom Ruinart und den Dom Ruinart Rosé. Auch wenn die weißen Champagner überwiegen, die Rosé-Varianten spielten immer eine wichtige Rolle in dem ältesten, noch existierenden Champagnerhaus Frankreichs. 1997 belebte Ruinart seine alte Flaschenform wieder und forcierte damit seine Rosé-Kampagne. Mit seinen relativ kleinen Mengen war die Wirkung allerdings begrenzt. Erst das Gewicht von Champagner-Giganten wie Moët & Chandon und Veuve Clicquot verhalfen den Rosés zwischen 2002 bis 2004 zum Durchbruch.
Nicht nur am Valentinstag
Bis die Welle den Markt voll erfasste, dauerte es jedoch eine Weile. Heute wird der Rosé-Champagner nicht nur von Frauen oder am Valentinstag getrunken. Er hat das ganze Jahr über seinen festen Platz in den Regalen des Weinhandels. Mehr noch: Rosé ist nicht nur bei Schaumweinen ein Renner, sondern auch bei den Stillweinen: „Der Rosé-Champagner”, glaubt Panaïotis, „hat geholfen, dass auch die Roséweine wieder zu Ansehen gekommen sind – vielleicht sogar in Wechselwirkung mit den Rosés der Provence.”
Am besten zu Vitello Tonnato und im Jacuzzi
Inzwischen ist Rosé in Europa und in den Vereinigten Staaten gleichermaßen etabliert. Und er wird schon lange nicht mehr nur im Sommer getrunken. Dennoch muss die Frage erlaubt sein, wo Rosé-Champagner am besten zur Geltung kommt. Da ist Panaïotis in seinem Element: „Zum Essen natürlich.” Und mit einem Augenzwinkern fügt er hinzu: „Und im Jacuzzi.”
Reifer Rosé-Champagner auch zu Lammschulter
„Der NV Rosé ist, was das Essen betrifft, unser vielfältigster Wein. Als Aperitif ist er perfekt. Zu einem Lachs-Tataki oder Rinder-Tataki passt er ebenfalls hervorragend. Eine meiner Lieblingskombinationen ist Vitello Tonnato. Zur Hauptspeise passen vor allem gut gegarte Fleischsorten wie zum Beispiel Pekingente oder langsam gegarte Lammschulter. Auch Kalbfleisch eignet sich gut zu Rosé-Champagner.
Gereifte Jahrgangs-Rosé-Champagner aus der Dom Ruinart-Serie sind noch einfacher zu kombinieren. Da ist Wildgeflügel angesagt. Ebenso alles mit Trüffel – aber dann ist man eigentlich schon in der Welt der Burgunderweine.” Beim Käsegang plädiert Panaïotis für Weichkäse, beim Dessert für Beeren. Wieder zieht er sein iPhone aus der Tasche und zeigt ein in Hongkong aufgenommenes Foto von Erdbeeren in Erdbeersirup mit Hibiskusblüten.
Der Trend wird halten
Wird der Trend halten? Panaïotis nickt: „Ich glaube, dass Rosé-Champagner weiterhin wachsen wird. Aber langsam. Vielleicht wird sein Anteil auf 15 Prozent steigen. Aber 15 Prozent von 300 Millionen Flaschen – das wären 45 Millionen Flaschen. Dazu braucht man viel Rotwein. ”
Champagne Ruinart Rosé
Preis: zwischen 50 und 75 Euro
2002 Champagne Dom Ruinart Rosé
Preis: zwischen 190 und 250 Euro