Start WineHappens Report Ruggeri: Giustino B. – Prosecco der Sonderklasse

Ruggeri: Giustino B. – Prosecco der Sonderklasse

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Etikett Giustino B. - Ruggeri

Dieser Prosecco ist so ziemlich das Feinste, was es von dieser Sorte auf dem Markt gibt. Mit den handelsüblichen Prosecco aus dem Supermarkt hat er keine Ähnlichkeit. Eher schon legt er sich mit Edelsekten an. Mit rund 15 Euro ist er für einen Prosecco zwar unverschämt teuer, gegen andere, renommiertere Schaumweine dagegen preiswert.

Was ist die Besonderheit dieses Prosecco? Zweifellos sein Geschmack. Giustino B. ist voller als ein normaler Prosecco. Das Bouquet zeigt Noten von gelbem Pfirsich, dazu ein Hauch Lychees. Am Gaumen ist er feinfruchtig, druckvoll, saftig. Eine milde Säure durchzieht ihn. Säuerliche und schale Noten vermisst man vollständig.

Kein lauer Frizzante

Auch ist er ein richtiger Spumante. Also ein Schaumwein, kein lauer Frizzante, bei dem der Erzeuger nur die Sektsteuer umgehen wollte. Und er ist langlebig. Während ich diese Zeilen schreibe, steht der 2006er vor mir im Glas: keine Spur von Unfrische, geschweige denn Oxydation, immer noch mit lebendiger Säure und einem Aroma von Apfel- und Birnenkompott, immer noch hell strohgelb. Nur die Perlen sind etwas schwächer geworden. Aber das liegt daran, dass ein Prosecco per Tankgärung produziert wird (Charmat-Methode). Die Perlage ist nicht ganz so dauerhaft wie bei einer Flaschengärung. Lange lagern sollte man ihn dennoch nicht. Nach zwei, drei Jahren schmeckt er am besten.

Paolo Bisol heißt der Inhaber der Kellerei Ruggeri, aus der dieser Prosecco kommt. Bisol ist ausgebildeter Mediziner und hat jahrelang als Arzt praktiziert, bevor er sich entschloss, die Kellerei seines Vaters Giustino zu übernehmen (nach diesem wurde der Prosecco dann benannt). Seitdem kniet sich Bisol in diesen Wein hinein wie früher in die Krankheitsgeschichten seiner Patienten. „Die Prosecco-Traube ist keine noble Sorte. Der Grundwein, den sie liefert, ist einfach und rustikal. Erst nach der Versektung zeigt er seine Feinheiten.“

Die besten tragen die vier Buchstaben DOCG auf dem Etikett

Freilich nicht überall, sondern nur im Ursprungsgebiet der Prosecco-Traube (die vor zwei Jahren übrigens in Glera umbenannt wurde): ein Hügelgebiet nördlich von Treviso um die Kleinstädte Valdobbiadene und Conegliano. Es liegt abseits der ausgetrampelten Touristenpfade und gilt als eines der letzten Stücke bodenständigen, unverfälschten Italiens.

Der Prosecco von dort heißt Valdobbiandene Prosecco DOCG oder Conegliano Prosecco DOCG, je nach dem, wo er herkommt. Die vier Buchstaben stehen für die höchste italienische Qualitätsweinkategorie: die kontrollierte und garantierte Ursprungsbezeichnung. Die anderen Prosecco aus der Ebene und den angrenzenden Hügelzonen heißen einfach nur Prosecco DOC.

Die DOCG-Weinberge liegen an den Flanken der zweiten Hügelkette, die sich aus der Po-Ebene erhebt: kleinterrassierte Hänge, die von Hand bewirtschaftet werden müssen. Wenn er mit seinem Schmalspurtraktor wenigstens in die Nähe seiner Terrassen kommt, ist der Winzer dort schon froh.

Beste Qualitäten in den kühlsten Zonen

Tagsüber werden die Trauben von der warmen Mittelmeersonne gestreichelt. Nachts bibbern sie unter den kühlen Luftströmungen, die von den schneebedeckten Dolomitengipfeln im Hintergrund kommen. In diesem Klima reift die Glera langsam heran. Wenn die Prosecco-Plantagen im Flachland längst abgeerntet sind, harren die DOCG-Winzer noch in den Bars und warten Espresso-trinkend auf den Startschuss für die Lese.

Den Giustino B. der Kellerei Ruggeri als Nobel-Prosecco zu bezeichnen, wäre falsch. Ein Prosecco ist nie ein nobler Wein. Er lebt von der kühlen Frische seiner Frucht. Auch wenn diese, wie im Falle des Giustino B., etwas voller ist als normal, erreicht er nie die Fülle und Feinheit eines Chardonnay oder Pinot Noir. Er bleibt ein einfacher Wein – einfach gut, sagen die Einheimischen.

Als ich vor einigen Jahren den Herausgeber des Gambero Rosso, des wichtigsten italienischen Weinführers, fragte, warum noch nie ein Prosecco die 3 Gläser, die höchste Anerkennung, erhalten habe, reagierte er überrascht: Der Prosecco sei kein Spitzengewächs. Nur für solche vergebe der Gambero Rosso 3 Gläser.

Erstmals 3 Gläser im Gambero Rosso

In der letzten Ausgabe des Gambero Rosso hat der 2009er Giustino B. dennoch die 3 Gläser erhalten. Die Kritiker attestierten ihm einen „überaus feinen Geschmack“ und gaben unumwunden zu, dass auch ein einfacher Wein eine große Ausdruckskraft besitzen kann. Also doch.

Übrigens: 2010 war ein außerordentlich günstiges Jahr für den Prosecco. Es hat Grundweine mit schöner Säure geliefert. Die Trauben für den Giustino B. wurden erst Mitte Oktober gelesen – 14 Tage nach der Hauptlese. Der Wein wurde langsam vergoren und erst im April versektet. Der Restzuckergehalt liegt bei 16 Gramm – ein klassischer Extra Dry also. Paolo Bisol rät, ihn mit kühlen 7° Celsius zu trinken, aber nicht vor dem 1. September des Jahres. Erst dann beginnt sich der Wein zu öffnen.

Ihn als Aperitif zu trinken, sei zwar nicht falsch, aber schade. Denn der Giustino B.  zeige seine Klasse erst richtig bei gleichzeitiger Einnahme von fester Nahrung. Eine Scheibe Parma-Schinken werde ihm auch nicht wirklich gerecht. Es muss schon mindestens ein Risotto sein, egal ob Kürbis-, Scampi oder Radicchio-Risotto. Am besten aber eine Dorade oder ein Branzino in der Salzkruste. Das finden jedenfalls die Einheimischen. „Sie könnten sich leicht einen Champagner leisten“, sagt Bisol über seine durch den Wein wohlhabend gewordenen Landsleute. „Aber sie ziehen eindeutig den Prosecco vor.“

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