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Rosé, einmal anders: Weg von den Primäraromen

Zwiebelfarben bis himbeerrot, frisch, unkompliziert, expressiv fruchtig, manchmal kitschig mit leichter Restsüße – so sind die meisten Rosé-Weine, egal ob aus Südfrankreich (wo der Löwenanteil der europäischen Rosés herkommt) oder aus einem anderen europäischen Land. Sich an solchen Rosés zu delektieren, ist nicht verwerflich. Auch wenn viele banal sind: Gut gekühlt können sie durchaus lecker sein. Nur eines sind sie nie: großartig.

Die „Anti-Rosé“-Weine haben ihre Qualitäten jenseits der Frucht

Müssen sie das? Nicht unbedingt. Es gibt allerdings Rosé-Weine, die raffinierter sind und einen etwas höheren Genuss versprechen, zumindest für die, die der banalen, bonbonfruchtigen Rosés müde geworden sind. Sie wollen weg von den Primäraromen, reiten folglich nicht auf der fruchtig-frischen Welle, sondern zeigen Noten, wie man sie auch in reiferen Weißweinen findet. Sie kosten ein bisschen mehr als die Wald- und Wiesen-Rosés aus dem Supermarktregal – sogar deutlich mehr. Und es gibt sie nicht im Sixpack. Solche „Anti-Rosés“, wie ich sie hier nennen möchte,  haben ihre Qualitäten jenseits der Frucht: herbe, cremige, würzige, holzige oder oxidative Noten, in einigen Fällen auch alles auf einmal.

Gran Reserva Rosado von Viña Tondonia: Pate aller langlebigen Rosés

Pate aller „Anti-Rosés ist die Gran Reserva Rosado von Viña Tondonia

Der Pate dieser „Anti-Rosés“ ist die Gran Reserva Rosado von López Heredia (Viña Tondonia), einem legendären Weingut in der Rioja. Diesen Wein gab es, lange bevor der Rosé bei uns in Mode kam. Er wird aus den roten Sorten Garnacha und Tempranillo sowie der weißen Viura-Traube gekeltert, die gemeinsam vergoren und anschließend mehrere Jahre in alten Holzfässern gereift werden – und zwar lange, sehr lange. 2011 ist gerade der aktuelle Jahrgang. Knackig frisch ist dieser Wein natürlich nicht mehr, richtig fruchtig auch nicht. Will er auch nicht sein. Er besitzt eine buttrige Fülle, zeigt Aromen von gebrannten Mandeln, Zimt, rauchigem Whisky, ist aber gleichzeitig von einer  weichen, prägnanten Säure durchzogen: ein Rosé im altspanischen Stil, den man nicht auf der Terrasse, sondern an  einer Tafel mit weißem Tischtuch zu feinen Speisen trinkt. Allerdings ist er rar und entsprechend schwierig zu finden. Mit 50 bis 70 Euro erfordert er eine kleine Investition (Preis: 66 Euro bei Lobenbergs, aber nur für Stammkunden). Aber dieser Rosado ist, wie gesagt, nur Pate einiger anderer Rosés, die mehr bieten wollen als leckeren Geschmack. Ich möchte Ihnen, liebe Leser, vier „Anti-Rosés“ vorstellen, die nicht banal und garantiert kitschfrei sind.

Domaine de Terrebrune – Bandol Rosé 2020

Aus Bandol kommen einige der besten Rosé-Weine Frankreichs. Anders als in den anderen Subregionen der Provençe dominiert hier die Sorte Mourvèdre, die etwa zwei Drittel der Cuvée des Terrebrune-Rosés ausmacht. Jung getrunken, zeigt er Aromen von frischen Waldfrüchten und provençalischen Würzkräutern. Untypisch für einen Rosé aus heißen Regionen, wo man eigentlich um jedes Gramm Säure dankbar ist, durchläuft der Terrebrune den biologischen Säureabbau, was ihm eine langanhaltende Cremigkeit verleiht. Doch dieser Rosé gewinnt, wenn man ihn liegen lässt. Georges Delille, der Winzer, garantiert, dass er sich mindestens zehn Jahre auf der Flasche verfeinert. Ich habe aus Neugier mal den 2007er getrunken. Auch nach 14 Jahren hat dieser Rosé noch eine straffe Textur und eine noch immer animierende Säure. Aromatisch macht sich die Reife natürlich bemerkbar, mit Noten von Süßrahmbutter und Aprikosenmarmelade, aber ganz ohne Restsüße. Kein Wein für den Swimmingpool, aber ein faszinierender Wein für alle, die der Primäraromen überdrüssig sind und komplexe Strukturen lieben, egal ob rot, weiß – oder in diesem Fall Rosé.

Preis: 22,90 €

Bezug: Les Amis Du Vin (alte Jahrgänge auf Anfrage)

Thymiopoulos Vineyards – Rosé de Xinomavro 2019

Apostolos Thymiopoulos, Winzer im nordgriechischen Naoussa, ist auf Xinomavro spezialisiert, die beste rote Rebsorte Griechenlands. Aufgrund ihres festen Tannins, ihrer prägnanten Säure und seines charakteristischen Dufts nach verblühten Rosen wird sie häufig mit der Nebbiolo-Traube verglichen. Sein Rosé ist klar von der herben Typizität der Rebsorte geprägt, hat viel Biss, Säure und Gerbstoff. Mich erinnert das Aroma an gekochtem Rooibostee und Angosturabitter. Sicher, die Grieche hat nicht den Charakter von Terrebrune und nicht die Größe des Viña Tondonia, ist aber ein spannender „Anti-Rosé“ für Menschen mit einem unverkitschten Geschmack.

Preis: 11,90 € bei

Bezug: The Wine House, Ulm

Buçaco Palace Hotel – Rosado Reservado 2018

Das portugiesische Luxushotel Buçaco Palace, das sich genau an der Grenze zwischen den Weinanbaugebieten Dão und Bairrada befindet, unterhält seit jeher ein eigenes (mittlerweile von Niepoort betriebenes) Weingut, das drei Weine keltert: rot, weiß und rosé. Letzterer besteht aus der autochthonen Rebsorte Baga und wird sechs Monate in gebrauchten Barriques gereift. Ähnlich wie der Rosado von Viña Tondonia spielt der Buçaco mit feinen oxidativen Noten, ist dabei aber nochmal eine Spur virtuoser. Der Wein ist vielschichtig mit Aromen von grünem Apfel und ungerösteten Haselnüssen, ähnlich wie ein Florhefe-geprägter Fino-Sherry. Ein deutlicher Unterschied zum Tondonia-Rosado ist die klare Rosé-Charakteristik des Buçaco, der ganz klar umrissene Aromen roter Johannisbeeren mitbringt, die genial von einer hefig-röschen Komponente umrandet werden – wie Johannisbeerkonfitüre auf ofenwarmem Butterbrot. Ein großer Wein!

Preis: 38,00 €

Bezug: Wein am Limit, Hamburg

Château Cibon – Cuvée Marius 2018

Tibouren ist eine uralte provençalische Rebsorte, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts allerdings mehr und mehr den Big Playern wie Grenache oder Syrah weichen musste. Auf Château Cibon hat man sich auf diese Rebsorte spezialisiert und schenkt ihr für den Rosé genauso viel Aufmerksamkeit wie für die Rotweine. Die Cuvée Marius ist das rosa Flaggschiff, reift knapp zwei Jahre auf der Hefe in neuen Fuderfässern und ist so von Crème, Schmelz und dezent von Vanille geprägt. Aromatisch fügt sich der Wein perfekt in die mediterrane Aromenwelt ein, hat Noten von jungen Knoblauchstielen und einem salzigen Umami-Ton, der an Olivenlake erinnert. Durch seine breitschultrige Art (14 Vol.% Alkohol) ist er ein perfekter Partner für anspruchsvollere provençalische Gerichte mit Olivenöl oder für eine Bouillabaisse.
Preis: 41 Euro

Bezug: Lobenbergs, Bremen

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2 Kommentare

  1. Ein schöner Artikel, danke. Erfrischend anders, sowie Rosé ohne Bonbonnund Terrasse. Der Tondonia Rosado ist großartig aber 2011 natürlich noch sehr jung. Ich würde den Wein erst in 4 oder 5 Jahren öffnen aber auch jetzt macht er natürlich viel Freude. Dazu kann ich noch den Alma Tobia Rosado empfehlen. Im Barrique fementiert ist er auch kraftvoll aber viel primär fruchtiger und macht auch jung schon eine Riesenfreude.

    Grüße

    rioja-and-riesling

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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