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Rosé aus Österreich: „Hoppla, da geht ja was!“

Gerhard Retter stammt aus der Steiermark, lebt aber seit vielen Jahren in Deutschland. In den 1990ern war er Sommelier bei Eckart Witzigmann in der Münchner Aubergine, später eröffnete er die Cordobar in Berlin. Mittlerweile ist aus der Weinbar das Restaurant Cordo geworden. Derzeit lebt er in München und plant neue gastronomische Projekte.

weinkenner Wenn man an Österreich denkt, denkt man an Grünen Veltliner aus der Wachau, Blaufränkische aus dem Burgenland, Sauvignon Blancs aus der Steiermark – aber nicht an Rosés. Lohnt es sich überhaupt, nach österreichischem Rosé Ausschau zu halten? 

Gerhard Retter Klar, Österreich war nie das Rosé-Land Nummer Eins. Aber in der letzten Zeit hat sich das vollzogen, was sich in vielen Ländern vollzogen hat: man hat den Rosé geboren. Im Mutterleib schlummerte er ja schon, aber er wollte selten raus. Und wenn, dann meist mit einer Machart, die nah an der Resteverwertung war. Und so schmeckten sie dann meistens auch: günstig, belanglos, zisch und weg. Immer mehr österreichische Weingüter merken aber, dass man Rosé auch mit Charakter und Herkunft versehen kann, und das ist sehr spannend. Ein weiterer Grund ist der Schilcher: ein rosafarbener Wein aus der roten Rebsorte Blauer Wildbacher, die nur in der Weststeiermark wächst. Schilcher war schon immer da, war immer hellrot, führte aber lange ein Nischendasein. Das ändert sich jetzt. 

weinkenner Wo herrscht sonst noch Rosé-Dämmerung?

Gerhard Retter Vor allem im Burgendland. Das liegt natürlich daran, dass die Region mit ihrer langen Rotweintradition die entsprechenden Trauben dafür hat. Aus weißen Trauben kann man nun mal keinen Rosé machen. Pia Strehn ist eine der Vorreiterinnen und hat sich auf Rosé spezialisiert. Heute keltert sie sechs ganz verschiedene Rosés und hat sich damit einen Namen gemacht. Aber es poppt überall auf. Man darf das Weinviertel und Wien nicht vergessen. Auch die Naturweinbewegung und die Pet Nats haben Rosé angespornt, sich in ein modernes funky-Licht zu stellen. Viele merkten dann: Hoppla, da geht ja auch noch mehr.

weinkenner Apropos, was trinken wir hier gerade? 

Gerhard Retter Mit Hopfen aromatisierter Blaufränkisch Rosé von Franz Weninger, ein bisschen freakig, aber einer meiner Lieblinge. 

weinkenner Gehopfter Blaufränkisch, Schilcher, Burgendland. Das sind ganz verschiedene Dinge. Was ist das Gemeinsame und Verbindende am österreichischen Rosé?

Gerhard Retter Unterm Strich schon das Charmante und Balancierte. Mittlerweile transportiert Rosé aber auch in Österreich immer häufiger den Rebsorten-Charakter, egal ob Blaufränkisch, Blauer Wildbacher oder Zweigelt. Sonst gilt bei Rosé mehr noch als bei anderen Weinen: die Handschrift des Weinguts überwiegt meistens die Handschrift der Region. Und in Österreich gibt es nun mal mittlerweile einige Rosé-Winzer mit Handschrift.

weinkenner Haben diese Österreichischen Winzer Rosé-Vorbilder außerhalb Österreichs? 

Gerhard Retter Ich glaube, dass man den Einfluss der Provence und vor allem von Chateau Miraval, also des Weinguts von Brad Pitt und Angelina Jolie, nicht unterschätzen darf. Weniger stilistisch, aber der Erfolg hat gezeigt, was mit Rosé möglich ist, wenn man ihn ernst nimmt. Und vor allem, dass man damit ein gewisses Preisniveau erreichen kann. Heute haben wir auch in Österreich Rosé, die 20 bis 30 Euro kosten. Exemplarisch für das, was hier passierte, ist Hanni‘s Rosé, eine Kooperation vom Wiener Sekthaus Kattus und dem burgenländischen Winzer Albert Gesellmann. Die Flasche ist so designt, dass man erstmal voreingenommen ist und irgendein Lifestyle-Zeug erwartet. Aber ich muss ehrlich gestehen, dass ich das als großen Wein empfinde. Und die machen es genau so: aus ihren Weingärten kommt nur Rosé. Anderswo wird ja Rosé häufig aus dem gemacht, was bei der Rotweinherstellung übrig bleibt. 

weinkenner Rosé boomt nicht nur in Österreich. In den vergangenen zehn Jahren ist der weltweite Marktanteil um fast ein Viertel gestiegen. Du bist als Sommelier und Gastronom in ganz verschiedenen Stellen tätig, vermutlich kennt niemand „den Gast“ besser als Du. Wieso wollen ausgerechnet jetzt alle Rosé trinken? 

Gerhard Retter Weil er jetzt endlich gut ist. Rosé ist salonfähig geworden. Früher war es eher so: ein Glas Rosé und dazu ein bisschen Helene Fischer. Da hat man sich als Kellner fast schon geschämt, Rosé als Speisebegleitung einzusetzen, wenn Kenner am Tisch saßen. 

weinkenner Kannst Du Dich noch erinnern, wann Du das erste mal einen Rosé in einem Sternerestaurant ausgeschenkt hast? 

Gerhard Retter Das war mit Sicherheit, als ich in den 1990ern Jahren bei Eckart Witzigmann in der Aubergine in München gearbeitet hatte. Weingüter wie Domaine Ott hatten wir auch damals schon auf der Karte. Dafür gab es zwei Hauptkundengruppen: Einmal die Saint-Tropez-Urlauber und die, die Rosé trinken wollten, weil man damit früher im Drei-Sterne-Restaurant sehr gut Geld sparen konnte. Und Rosé als Champagner war ja schon immer sehr edel, in der Basis sogar häufig edler als die Weißen. 

weinkenner Weil wir es gerade von der Sternegastronomie reden: Wie schätzt Du dort das Potential von österreichischem Rosé ein? 

Gerhard Retter Ich denke, dass in der Eigenständigkeit der Rebsorten sehr viel Potential steckt. Kommen wir nochmal zurück auf die Weststeiermark und den Schilcher: Er wächst sehr hoch auf 450 bis 650, manchmal sogar 700 Metern auf reinem Granitboden, was die Säure hoch hält. Das gibt es so extrem nur dort. Und wir leben ja in einer Zeit, in der die Menschen nach autochthonen Rebsorten lechzen. Wenn man zum Beispiel den Schilcher „Pius“ vom Weingut Friedrich in der Weststeiermark nimmt: Der ist geradezu prädestiniert für die verrückten, bärtigen Sommeliers aus Skandinavien, die keine Angst vor Säure haben. Leider haben sie den Wein noch nicht entdeckt. 

weinkenner Du bist ja nicht nur Gastronom, sondern auch Sommelier. Zu welchem Küchenstil passt so ein Wein? 

Gerhard Retter Grundsätzlich kommt Rosé natürlich gut zu allen großen Krustentieren, also zu Hummer oder Langusten. Aber mit so einer Säure ist er auch ein echter Fettzertrümmerer, da könnte man sogar eine Haxe zu essen. 

weinkenner Heiß diskutierte Frage: Holz und Rosé. Geht das für Dich zusammen?

Gerhard Retter Sehr sogar! Es braucht allerdings eine gewisse Kraft als Gegenpol. Man kann kein leichtes Wässerchen nehmen und da Holzscheite hinein schmeißen. Das Weingut Strehn aus dem Burgenland, das ich eben ansprach, ist mit ihrem „Elefant im Porzellanladen“ aus dem Barrique sehr erfolgreich. 

weinkenner Du lebst schon lange in Deutschland. Was sagst Du zu den Rosés hierzulande? 

Gerhard Retter Es gibt gute. Aber mir ist, ehrlich gesagt, noch kein Rosé begegnet, den ich in eine Liga mit den Top-Österreichern stellen könnte. Das liegt aber wohl auch daran, dass die deutschen Rosés meistens aus Spätburgunder sind. Vielleicht gibt die Rebsorte das für Rosé auch einfach nicht her. Aber es gibt einen Wein, den ich schon immer sehr gerne mochte, sogar mehr als der Winzer selbst: den Muskattrollinger von Rainer Schnaitmann. So duftig, so aromatisch, wirklich gut. Das ist mein Lieblingsrosé aus Deutschland. 

weinkenner Welche Tipps aus Österreich hättest du für unsere User?

Gerhard Retter Über Strehn haben wir schon gesprochen, über Friedrich und Hanni’s auch. Sehr gut der „Numen“ Sankt Laurent Rosé von Zillinger, auch wenn er sehr dunkel ist und in Deutschland wahrscheinlich als Rotwein gelten würde. Für mich ist das vielleicht der größte Rosé der Welt – aber das ist wahrscheinlich österreichisches Overstatement. 

Gerhard Retters Tipps

Kattus & Gesellmann – „Hanni‘s Rosé „2021 – Burgenland

Eine Kooperation des Wiener Sekthauses Kattus und des Burgendländischen Rotweinguts Gesellmann. 

Bezug: hannis.wine
Preis: 21,90 €

Weninger – „A Glimmer of Hops“ 2020 – Burgendland

Da sich hier Rebensaft und Hopfen vermählen offizielle nur ein „Weinhaltiges Getränk“. Das tut dem Genuss keinen Abbruch. Ein freaky Aperitif. 

Bezug: Weinfurore.de
Preis: 14,90 €

Weingut Strehn – „Der Elefant im Porzellanladen“ 2021 – Burgendland 

Der Blaufränkisch aus dem Barrique führt das rosa Sextett im auf Rosé spezialisierten Blaufränkisch-Weingut Strehn an.

Bezug: strehn.at
Preis: 21,50 €

Weingut Friedrich Schilcher – „Pius“ 2021 – Weststeiermark

„Ein Schilcher, wie er vor 35 Jahren war“, beschreibt ihn der Winzer selbst. Die extrem hohe Säure ist das Markenzeichen dieses knackig-frischen Weins. 

Bezug: friedrich-schilcher.at
Preis: 8,10 €

Johannes Zillinger – 2018 Rosé „Numen“ Weinviertel

Ein reinsortiger, recht dunkelfarbener Rosé, den Johannes Zillinger nur aus Sankt Laurent keltert. Er verdeutlicht, wie wichtig die Naturweinbewegung für die Entwicklung des Rosé in Österreich ist

Bezug: walterundbenjamin.de
Preis: ca. 30 €

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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