In 2013 feiert Franken gleich zwei Jubiläen: Der Müller-Thurgau ist 100 Jahre alt geworden, der Rieslaner 50. Natürlich hat der „Müller“ als „erfolgreichste Rebsorte, die von Menschen gezielt gezüchtet wurde“ (Bayerischer Rundfunk) einen gewissen Vorrang: Sie ist doppelt so alt und in Franken wesentlich populärer (1.745 Hektar Rebfläche) als der Rieslaner (34 Hektar).
Erst Mainriesling, dann Rieslaner
Gezüchtet wurde die Sorte, die heute Rieslaner heißt, allerdings schon 1921, und zwar von August Ziegel in Veitshöchheim, dem Sitz der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau. Sie ist eine Kreuzung Silvaner x Riesling. Der damalige damalige Name dieser Kreuzung war „Mainriesling“. Erst 1963 wurde die Sorte in „Rieslaner“ umgetauft.
Die Fachleute glaubten, mit ihm den besseren Riesling gefunden zu haben – zumindest für Franken. Der inzwischen verstorbene Hans Ambrosi, damals Direktor der Hessischen Staatsweingüter Kloster Eberbach, bezeichnete ihn in einem seiner Bücher als „Riesling-Eskalation“. Als Begründung führte er an: „Seine Auslesen und Beerenauslesen gelten als höchste Vollendung des Rieslings.“ Logisch, dass viele fränkische Winzer sich damals hoffnungsfroh der Sorte annahmen.
Nach dem Krieg begann der Rieslaner-Run
1959er Randersackerer SonnenstuhlBruno Schmitt aus Randersacker zum Beispiel. Er hatte 400 Stöcke, die schon 1936 in der Lage Sonnenstuhl angepflanzt worden waren, über den Zweiten Weltkrieg gerettet, berichtet sein Enkel (der das Weingut in Trockene Schmitts umbenannt hat). Da sich die Sorte als frostfest erwiesen hatte, vergleichsweise früh reifte und hohe Mostgewichte erbrachte, entschied sich sein Großvater 1951, den Rieslaner wieder reinsortig auszubauen. Mit Erfolg: Zur Verwunderung der Fachleute erwies sich der „Sonnenstuhl-Riesling“ – sprich: Rieslaner – bei Verkostungen regelmäßig dem Riesling aus dem wesentlich höher eingeschätzten Randersackerer Pfülben überlegen.
Bald setzte ein Run auf den Rieslaner ein. Jeder, der etwas auf sich hielt, wollte die Wunderrebe mit ihren hohen Zuckerwerten und Spitzenklasse-Weinen im Weinberg haben. Doch Wunder vollbrachte nicht die kapriziöse Neuzüchtung, sondern der viel anspruchslosere und ertragstreuere Müller-Thurgau. Dieser erwies sich schon bald als die wahre Milchkuh der fränkischen Winzer, während sich der „Mainriesling“ respektive „Rieslaner“ mit seinen hohen Standortanforderungen, einem gewissen Hang zum Verrieseln und zur Stiellähme als eine Diva erwies.
Immer gut für Weinprämierungen
Bei Weinprämierungen erreichte er zwar Quoten um die 95 Prozent, und auf den Angebotslisten der Winzer stellte er preislich alle anderen Weine in den Schatten. Doch über ein Nischendasein kam der Wein schlussendlich nie heraus. „Wer Rieslaner trinken will, muss Müller-Thurgau anbauen“, unkte man schon bald in Franken.
Trotzdem: In guten Lagen bei sorgfältigem Anbau lassen sich aus dem Rieslaner überragende Qualitäten erzeugen. Das bewies eine am 14. November 2013 von Karl Schmitt (Schmitt’s Kinder) und Fachberater Hermann Mengler für den VDP Franken zusammengestellte und moderierte „Historische Rieslanerprobe“, die im Greiffenclausaal der Würzburger Residenzgaststätte stattfand. Die eingeladenen Fachleute waren jedenfalls außerordentlich beeindruckt von der Qualität und Langlebigkeit der Weine. Martin Steinmann vom Weingut Schloss Sommerhausen bemerkte pointiert: „Die größten Rieslaner-Fans sind die Riesling-Winzer“.
Die Anbautendenz zeigt nach unten
Hinsichtlich Nuancierung, Eleganz, Komplexität und Alterungsvermögen steht der Rieslaner jedenfalls mit an der Spitze des fränkischen Sortenspektrums. Seine edelsüßen Varianten wirken wie ein Nonplusultra, die eingangs zitierte Kategorisierung Hans Ambrosis kann nur bestätigt werden.
Leider sprechen die Marktgesetze eine andere Sprache: Die Anbautendenz für den Rieslaner zeigt seit Jahren nach unten, und wenn man sich auch damit trösten mag, dass die Aussicht am Abgrund am besten ist – es ist höchste Zeit für eine Initiative zugunsten dieser fast schon fränkisch-autochthonen Sorte.
Basis eines solchen Revivals müssten allerdings sorgfältig diskutierte, bindend vereinbarte und nachhaltig nach außen kommunizierte Kriterien für das Profil des Rieslaners sein. „Jung und frisch“ geht dabei zum Beispiel nicht. Auch lassen sich die Erfahrungen mit Silvaner und Müller-Thurgau nicht einfach auf den Rieslaner übertragen. Aber wo viele Golfs und Audis mit Erfolg unterwegs sind, müsste eigentlich auch Platz für einen Bentley oder einen Bugatti sein. An den Qualitätsmerkmalen des Rieslaners selbst sollte eine solche Strategie jedenfalls nicht scheitern.
Die Weine
1953 Mainriesling | Weingut Robert Schmitt, Randersacker
Intensives, dunkles Goldgelb; Nase von Honig, Mandeln und Rosinen mit einem Hauch Orangenschale geprägt; im Mund karamellisierte Mandeln und Rosinen, reif und sehr nuanciert, feines Spiel mit einer Spur Zitrus, große Eleganz, sehr langer Nachhall.
Bewertung: 93/100
1959 Sonnenstuhl Mainriesling Auslese | Weingut Robert Schmitt, Randersacker
Kräftiges Goldgelb; im Duft Honig und ein Hauch Champignons; am Gaumen recht trocken, Kandis und Karamell, wirkt ein klein wenig gezehrt.
Bewertung: 87/100
1963 Casteller Schlossberg Rieslaner | Fürstlich Castellsches Domänenamt, Castell
Kräftiges Goldgelb; Nase von Honig, Karamell und etwas Holz geprägt; am Gaumen Honig und geröstete Mandeln, feine Zitrusnoten, schönes Spiel, recht langer Nachhall.
Bewertung: 89/100
1964 Würzburger Neuberg Rieslaner Beerenauslese | Bürgerspital zum Heiligen Geist, Würzburg
Kräftiges Braungold; einnehmend süßer Duft nach Quitte, Honig und Kandis; am Gaumen schmelzig unterlegte Trockenfrüchte und geröstete Mandeln, feines Spiel, perfekt eingebundene Säure, außerordentliche Eleganz, sehr langer Nachhall. Ein großer Wein!
Bewertung: 96/100
1967 Thüngersheimer Ravensburg Rieslaner Trockenbeerenauslese | Landesanstalt für Wein- und Gartenbau, Veitshöchheim
Dunkle Bernsteinfarbe; im Duft Bratapfel, wirkt fast ein wenig oxydativ; am Gaumen eigenwillig, leicht kräuterig, etwas Orangenschale, feinbitterer Nachhall.
Bewertung: 90/100
1979 Frickenhäuser Kapellenberg Rieslaner Trockenbeerenauslese | Bickel-Stumpf, Frickenhausen
Bernsteinfarben; im Duft geröstete Mandeln und Nüsse; am Gaumen sehr reine, gereifte Noten von Trockenfrüchten, Mandeln und Nüssen, feines Spiel, beeindruckende Komplexität, schöner Schmelz, sehr langer Nachhall.
Bewertung: 93/100
1988 Sulzfelder Maustal Rieslaner Beerenauslese | Zehnthof Theo Luckert, Sulzfeld
Tiefes Goldgelb; im Duft eine Spur Petrol, Zitrus und Leder; am Gaumen sehr nuanciert, feine Zitrusnoten, gut eingebundene Säure, gelungene Verbindung von Kraft und großer Eleganz, sehr langer Nachhall.
Bewertung: 91/100
1989 Randersackerer Sonnenstuhl Rieslaner Kabinett | Weingut Schmitt’s Kinder, Randersacker
Kräftiges Goldgelb, sehr einnehmende Aromen von Quitte, Honig und getrockneten Aprikosen; am Gaumen reif und sehr ausgewogen, getrocknete Früchte, mittlere Dichte, sehr gut integrierte Säure, im recht langen Nachhall feine Kühle. Ein erstaunlicher Wein mit nur 11,9 % Alkohol aus einem Jahrgang, in dem „auch die Stickel noch Trauben trugen“, wie man in Franken angesichts der Erntemenge sagte.
Bewertung: 91/100
1992 Randersackerer Sonnenstuhl Rieslaner Beerenauslese | Weingut Schmitt’s Kinder, Randersacker
Kräftiges Altgold mit bräunliche Reflexen; in der Nase überreife Äpfel und Dörrobst; im Mund reif und elegant, feine Botrytisnoten, dicht und schmelzig, recht langer Nachhall.
Bewertung: 90/100
1998 Würzburger Stein Rieslaner Eiswein | Staatlicher Hofkeller Würzburg
Dunkle Bernsteinfarbe; im nuancierten Duft Bratäpfel und Honig, feine mineralische Frische; am Gaumen edle karamellisierte Noten, Schliff und Eleganz, feine, von Zitrusanklängen geprägte Säure.
Bewertung: 91/100
1999 Rödelseer Küchenmeister Rieslaner Eiswein | Weingut Johann Ruck, Iphofen
Bernsteinfarben; Nase von Honig, Quitte, Orangenschale und einem Hauch Champignons geprägt; im Mund schmelzig, reif, geschliffen und fast cremig, sehr langer Nachhall.
Bewertung: 92/100
2005 Iphöfer Julius-Echter-Berg Rieslaner Trockenbeerenauslese | Weingut Hans Wirsching, Iphofen
Bernsteinfarben mit orangen Reflexen; im sehr einnehmenden, nuancierten Duft Aprikosen und Feigen, am Gaumen von betörender Komplexität: eine Sinfonie von Honig, Quitte und Mandeln, dicht, cremig und sehr konzentriert.
Bewertung: 93/100
2007 Nordheimer Vögelein Rieslaner Spätlese trocken | Weingut Glaser-Himmelstoß, Nordheim
Goldgelb; in der Nase Honig mit feinen karamellisiert-schmelzigen Mandelnoten; am Gaumen Honig und Honigmelone, reif und sehr geschliffen, schönes Spiel zwischen feiner, bestens integrierter Säure und edlem Schmelz, langer intensiver Nachhall.
Bewertung: 90/100
2008 Sommerhäuser Steinbach Rieslaner Spätlese | Schloss Sommerhausen, Sommerhausen
Glänzendes Goldgelb; Duft geprägt von Quitte, Honig und einer Spur Orangenschale; am Gaumen feine mineralische Noten, große Eleganz, schöner Schliff, langer Nachhall.
Bewertung: 91/100
2011 Wiesenbronner Geißberg Rieslaner Auslese | Weingut Roth, Wiesenbronn
Goldgelb; im Duft leicht rauchige Noten von Aprikose und Heu; am Gaumen feine Süße, transparente Frucht mit Anklängen an reife Äpfel und Honigmelone, feine Zitrusnoten, angenehme Salzigkeit, langer Nachhall.
Bewertung: 90/100
2011 Stettener Stein Rieslaner Beerenauslese | Weingut am Stein, Würzburg
Goldgelb; einnehmende Aromen von Aprikose, Quitte und Honig; im Mund Aprikose und Dörrobst, sehr schmelzig, fast eisweinartig, dicht, ausgewogen und lang.
Bewertung: 92/100
2011 Randersackerer Pfülben Rieslaner Trockenbeerenauslese | Juliusspital, Würzburg
Goldgelb; ausgeprägte Aromen von Maracuja, Zitrus, Honig und Kandis; am völlig ausgekleideten Gaumen Quitten, Aprikosen und Feigen, exzellentes Spiel, ungewöhnlich gelungene Verbindung von Eleganz und Schmelz. Ein beeindruckender, großer Wein!
Bewertung: 94/100
2012 Volkacher Rieslaner Auslese | Weingut Zur Schwane, Volkach
Weißgold; im Duft feine weiße Blüten und ein Hauch von frisch gemähtem Gras; am Gaumen weich, rund und süß, viel Zucker, noch leicht laktisch. Struktur wird etwas vermisst, muss liegen!
Bewertung: 86/100