Rieslaner – Frankens besserer Riesling?

1959er Randersackerer Sonnenstuhl | Bruno Schmitt
1959er Randersackerer Sonnenstuhl
Mit dem Rieslaner verband Franken einst die Hoffnung, den besseren Riesling zu besitzen. Die Hoffnung trog. Aber gut waren die Weine aus dieser Neuzüchtung schon – und langlebig. Stefan Krimm war auf einer historischen Weinprobe in Würzburg.

In 2013 fei­ert Fran­ken gleich zwei Jubi­lä­en: Der Müller-Thurgau ist 100 Jah­re alt gewor­den, der Ries­la­ner 50. Natür­lich hat der „Mül­ler“ als „erfolg­reichs­te Reb­sor­te, die von Men­schen gezielt gezüch­tet wur­de“ (Baye­ri­scher Rund­funk) einen gewis­sen Vor­rang: Sie ist dop­pelt so alt und in Fran­ken wesent­lich popu­lä­rer (1.745 Hekt­ar Reb­flä­che) als der Ries­la­ner (34 Hektar).

Erst Mainriesling, dann Rieslaner

Gezüch­tet wur­de die Sor­te, die heu­te Ries­la­ner heißt, aller­dings schon 1921, und zwar von August Zie­gel in Veits­höch­heim, dem Sitz der Baye­ri­schen Lan­des­an­stalt für Wein­bau und Gar­ten­bau. Sie ist eine Kreu­zung Sil­va­ner x Ries­ling. Der dama­li­ge dama­li­ge Name die­ser Kreu­zung war „Main­ries­ling“. Erst 1963 wur­de die Sor­te in „Ries­la­ner“ umgetauft.

Die Fach­leu­te glaub­ten, mit ihm den bes­se­ren Ries­ling gefun­den zu haben – zumin­dest für Fran­ken. Der inzwi­schen ver­stor­be­ne Hans Ambro­si, damals Direk­tor der Hes­si­schen Staats­wein­gü­ter Klos­ter Eber­bach, bezeich­ne­te ihn in einem sei­ner Bücher als „Riesling-Eskalation“. Als Begrün­dung führ­te er an: „Sei­ne Aus­le­sen und Bee­ren­aus­le­sen gel­ten als höchs­te Voll­endung des Ries­lings.“ Logisch, dass vie­le frän­ki­sche Win­zer sich damals hoff­nungs­froh der Sor­te annahmen.

Nach dem Krieg begann der Rieslaner-Run

1959er Rand­er­sa­cke­rer Son­nen­stuhl­Bru­no Schmitt aus Rand­er­sa­cker zum Bei­spiel. Er hat­te 400 Stö­cke, die schon 1936 in der Lage Son­nen­stuhl ange­pflanzt wor­den waren, über den Zwei­ten Welt­krieg geret­tet, berich­tet sein Enkel (der das Wein­gut in Tro­cke­ne Schmitts umbe­nannt hat). Da sich die Sor­te als frost­fest erwie­sen hat­te, ver­gleichs­wei­se früh reif­te und hohe Most­ge­wich­te erbrach­te, ent­schied sich sein Groß­va­ter 1951, den Ries­la­ner wie­der rein­sor­tig aus­zu­bau­en. Mit Erfolg: Zur Ver­wun­de­rung der Fach­leu­te erwies sich der „Sonnenstuhl-Riesling“ – sprich: Ries­la­ner – bei Ver­kos­tun­gen regel­mä­ßig dem Ries­ling aus dem wesent­lich höher ein­ge­schätz­ten Rand­er­sa­cke­rer Pfül­ben überlegen.

Bald setz­te ein Run auf den Ries­la­ner ein. Jeder, der etwas auf sich hielt, woll­te die Wun­der­re­be mit ihren hohen Zucker­wer­ten und Spitzenklasse-Weinen im Wein­berg haben. Doch Wun­der voll­brach­te nicht die kapri­ziö­se Neu­züch­tung, son­dern der viel anspruchs­lo­se­re und ertrags­treue­re Müller-Thurgau. Die­ser erwies sich schon bald als die wah­re Milch­kuh der frän­ki­schen Win­zer, wäh­rend sich der „Main­ries­ling“ respek­ti­ve „Ries­la­ner“ mit sei­nen hohen Stand­ort­an­for­de­run­gen, einem gewis­sen Hang zum Ver­rie­seln und zur Stiel­läh­me als eine Diva erwies.

Immer gut für Weinprämierungen

Gereifter Rieslaner im Glas
Gereif­ter Ries­la­ner im Glas

Bei Wein­prä­mie­run­gen erreich­te er zwar Quo­ten um die 95 Pro­zent, und auf den Ange­bots­lis­ten der Win­zer stell­te er preis­lich alle ande­ren Wei­ne in den Schat­ten.  Doch über ein Nischen­da­sein kam der Wein schluss­end­lich nie her­aus. „Wer Ries­la­ner trin­ken will, muss Müller-Thurgau anbau­en“, unk­te man schon bald in Franken.

Trotz­dem: In guten Lagen bei sorg­fäl­ti­gem Anbau las­sen sich aus dem Ries­la­ner über­ra­gen­de Qua­li­tä­ten erzeu­gen. Das bewies eine am 14. Novem­ber 2013 von Karl Schmitt (Schmitt’s Kin­der) und Fach­be­ra­ter Her­mann Meng­ler für den VDP Fran­ken zusam­men­ge­stell­te und mode­rier­te „His­to­ri­sche Ries­la­ner­pro­be“, die im Greif­fen­clau­saal der Würz­bur­ger Resi­denz­gast­stät­te statt­fand. Die ein­ge­la­de­nen Fach­leu­te waren jeden­falls außer­or­dent­lich beein­druckt von der Qua­li­tät und Lang­le­big­keit der Wei­ne. Mar­tin Stein­mann vom Wein­gut Schloss Som­mer­hau­sen bemerk­te poin­tiert: „Die größ­ten Rieslaner-Fans sind die Riesling-Winzer“.

Die Anbautendenz zeigt nach unten

Hin­sicht­lich Nuan­cie­rung, Ele­ganz, Kom­ple­xi­tät und Alte­rungs­ver­mö­gen steht der Ries­la­ner jeden­falls mit an der Spit­ze des frän­ki­schen Sor­ten­spek­trums. Sei­ne edel­sü­ßen Vari­an­ten wir­ken wie ein Non­plus­ul­tra, die ein­gangs zitier­te Kate­go­ri­sie­rung Hans Ambro­sis kann nur bestä­tigt werden.

Lei­der spre­chen die Markt­ge­set­ze eine ande­re Spra­che: Die Anbau­ten­denz für den Ries­la­ner zeigt seit Jah­ren nach unten, und wenn man sich auch damit trös­ten mag, dass die Aus­sicht am Abgrund am bes­ten ist – es ist höchs­te Zeit für eine Initia­ti­ve zuguns­ten die­ser fast schon fränkisch-autochthonen Sorte.

Basis eines sol­chen Revi­vals müss­ten aller­dings sorg­fäl­tig dis­ku­tier­te, bin­dend ver­ein­bar­te und nach­hal­tig nach außen kom­mu­ni­zier­te Kri­te­ri­en für das Pro­fil des Ries­la­ners sein. „Jung und frisch“ geht dabei zum Bei­spiel nicht. Auch las­sen sich die Erfah­run­gen mit Sil­va­ner und Müller-Thurgau nicht ein­fach auf den Ries­la­ner über­tra­gen. Aber wo vie­le Golfs und Audis mit Erfolg unter­wegs sind,  müss­te eigent­lich auch Platz für einen Bent­ley oder einen Bug­at­ti sein. An den Qua­li­täts­merk­ma­len des Ries­la­ners selbst soll­te eine sol­che Stra­te­gie jeden­falls nicht scheitern.

Die Weine


1953 Main­ries­ling | Wein­gut Robert Schmitt, Randersacker
Inten­si­ves, dunk­les Gold­gelb; Nase von Honig, Man­deln und Rosi­nen mit einem Hauch Oran­gen­scha­le geprägt; im Mund kara­mel­li­sier­te Man­deln und Rosi­nen, reif und sehr nuan­ciert, fei­nes Spiel mit einer Spur Zitrus, gro­ße Ele­ganz, sehr lan­ger Nachhall.
Bewer­tung: 93/100
1959 Son­nen­stuhl Main­ries­ling Aus­le­se | Wein­gut Robert Schmitt, Randersacker
Kräf­ti­ges Gold­gelb; im Duft Honig und ein Hauch Cham­pi­gnons; am Gau­men recht tro­cken, Kan­dis und Kara­mell, wirkt ein klein wenig gezehrt.
Bewer­tung: 87/100
1963 Cas­tel­ler Schloss­berg Ries­la­ner | Fürst­lich Cas­tell­sches Domä­nen­amt, Castell
Kräf­ti­ges Gold­gelb; Nase von Honig, Kara­mell und etwas Holz geprägt; am Gau­men Honig und gerös­te­te Man­deln, fei­ne Zitrus­no­ten, schö­nes Spiel, recht lan­ger Nachhall.
Bewer­tung: 89/100
1964 Würz­bur­ger Neu­berg Ries­la­ner Bee­ren­aus­le­se | Bür­ger­spi­tal zum Hei­li­gen Geist, Würzburg
Kräf­ti­ges Braungold; ein­neh­mend süßer Duft nach Quit­te, Honig und Kan­dis; am Gau­men schmelzig unter­leg­te Tro­cken­früch­te und gerös­te­te Man­deln, fei­nes Spiel, per­fekt ein­ge­bun­de­ne Säu­re, außer­or­dent­li­che Ele­ganz, sehr lan­ger Nach­hall. Ein gro­ßer Wein!
Bewer­tung: 96/100
1967 Thün­gers­hei­mer Ravens­burg Ries­la­ner Tro­cken­bee­ren­aus­le­se | Lan­des­an­stalt für Wein- und Gar­ten­bau, Veitshöchheim
Dunk­le Bern­stein­far­be; im Duft Brat­ap­fel, wirkt fast ein wenig oxy­da­tiv; am Gau­men eigen­wil­lig, leicht kräu­te­rig, etwas Oran­gen­scha­le, fein­bit­te­rer Nachhall.
Bewer­tung: 90/100
1979 Fri­cken­häu­ser Kapel­len­berg Ries­la­ner Tro­cken­bee­ren­aus­le­se | Bickel-Stumpf, Fri­cken­hau­sen
Bern­stein­far­ben; im Duft gerös­te­te Man­deln und Nüs­se; am Gau­men sehr rei­ne, gereif­te Noten von Tro­cken­früch­ten, Man­deln und Nüs­sen, fei­nes Spiel, beein­dru­cken­de Kom­ple­xi­tät, schö­ner Schmelz, sehr lan­ger Nachhall.
Bewer­tung: 93/100
1988 Sulz­fel­der Mau­s­tal Ries­la­ner Bee­ren­aus­le­se | Zehnt­hof Theo Luckert, Sulzfeld
Tie­fes Gold­gelb; im Duft eine Spur Petrol, Zitrus und Leder; am Gau­men sehr nuan­ciert, fei­ne Zitrus­no­ten, gut ein­ge­bun­de­ne Säu­re, gelun­ge­ne Ver­bin­dung von Kraft und gro­ßer Ele­ganz, sehr lan­ger Nachhall.
Bewer­tung: 91/100
1989 Rand­er­sa­cke­rer Son­nen­stuhl Ries­la­ner Kabi­nett | Wein­gut Schmitt’s Kin­der, Randersacker
Kräf­ti­ges Gold­gelb, sehr ein­neh­men­de Aro­men von Quit­te, Honig und getrock­ne­ten Apri­ko­sen; am Gau­men reif und sehr aus­ge­wo­gen, getrock­ne­te Früch­te, mitt­le­re Dich­te, sehr gut inte­grier­te Säu­re, im recht lan­gen Nach­hall fei­ne Küh­le. Ein erstaun­li­cher Wein mit nur 11,9 % Alko­hol aus einem Jahr­gang, in dem „auch die Sti­ckel noch Trau­ben tru­gen“, wie man in Fran­ken ange­sichts der Ern­te­men­ge sagte.
Bewer­tung: 91/100
1992 Rand­er­sa­cke­rer Son­nen­stuhl Ries­la­ner Bee­ren­aus­le­se | Wein­gut Schmitt’s Kin­der, Randersacker
Kräf­ti­ges Alt­gold mit bräun­li­che Refle­xen; in der Nase über­rei­fe Äpfel und Dörr­obst; im Mund reif und ele­gant, fei­ne Botry­tis­no­ten, dicht und schmelzig, recht lan­ger Nachhall.
Bewer­tung: 90/100
1998 Würz­bur­ger Stein Ries­la­ner Eis­wein | Staat­li­cher Hof­kel­ler Würzburg
Dunk­le Bern­stein­far­be; im nuan­cier­ten Duft Brat­äp­fel und Honig, fei­ne mine­ra­li­sche Fri­sche; am Gau­men edle kara­mel­li­sier­te Noten, Schliff und Ele­ganz, fei­ne, von Zitru­san­klän­gen gepräg­te Säure.
Bewer­tung: 91/100
1999 Rödel­seer Küchen­meis­ter Ries­la­ner Eis­wein | Wein­gut Johann Ruck, Iphofen
Bern­stein­far­ben; Nase von Honig, Quit­te, Oran­gen­scha­le und einem Hauch Cham­pi­gnons geprägt; im Mund schmelzig, reif, geschlif­fen und fast cre­mig, sehr lan­ger Nachhall.
Bewer­tung: 92/100
2005 Iphö­fer Julius-Echter-Berg Ries­la­ner Tro­cken­bee­ren­aus­le­se | Wein­gut Hans Wir­sching, Iphofen
Bern­stein­far­ben mit oran­gen Refle­xen; im sehr ein­neh­men­den, nuan­cier­ten  Duft Apri­ko­sen und Fei­gen, am Gau­men von betö­ren­der Kom­ple­xi­tät: eine Sin­fo­nie von Honig, Quit­te und Man­deln, dicht, cre­mig und sehr konzentriert.
Bewer­tung: 93/100
2007 Nord­hei­mer Vöge­lein Ries­la­ner Spät­le­se tro­cken | Wein­gut Glaser-Himmelstoß, Nordheim
Gold­gelb; in der Nase Honig mit fei­nen karamellisiert-schmelzigen Man­del­no­ten; am Gau­men Honig und Honig­me­lo­ne, reif und sehr geschlif­fen, schö­nes Spiel zwi­schen fei­ner, bes­tens inte­grier­ter Säu­re und edlem Schmelz, lan­ger inten­si­ver Nachhall.
Bewer­tung: 90/100
2008 Som­mer­häu­ser Stein­bach Ries­la­ner Spät­le­se | Schloss Som­mer­hau­sen, Sommerhausen
Glän­zen­des Gold­gelb; Duft geprägt von Quit­te, Honig und einer Spur Oran­gen­scha­le; am Gau­men fei­ne mine­ra­li­sche Noten, gro­ße Ele­ganz, schö­ner Schliff, lan­ger Nachhall.
Bewer­tung: 91/100
2011 Wie­sen­bron­ner Geiß­berg Ries­la­ner Aus­le­se | Wein­gut Roth, Wiesenbronn
Gold­gelb; im Duft leicht rau­chi­ge Noten von Apri­ko­se und Heu; am Gau­men fei­ne Süße, trans­pa­ren­te Frucht mit Anklän­gen an rei­fe Äpfel und Honig­me­lo­ne, fei­ne Zitrus­no­ten, ange­neh­me Sal­zig­keit, lan­ger Nachhall.
Bewer­tung: 90/100
2011 Stet­te­ner Stein Ries­la­ner Bee­ren­aus­le­se | Wein­gut am Stein, Würzburg
Gold­gelb; ein­neh­men­de Aro­men von Apri­ko­se, Quit­te und Honig; im Mund Apri­ko­se und Dörr­obst, sehr schmelzig, fast eis­wein­ar­tig, dicht, aus­ge­wo­gen und lang.
Bewer­tung: 92/100
2011 Rand­er­sa­cke­rer Pfül­ben Ries­la­ner Tro­cken­bee­ren­aus­le­se | Juli­us­spi­tal, Würzburg
Gold­gelb; aus­ge­präg­te Aro­men von Mara­cu­ja, Zitrus, Honig und Kan­dis; am völ­lig aus­ge­klei­de­ten Gau­men Quit­ten, Apri­ko­sen und Fei­gen, exzel­len­tes Spiel, unge­wöhn­lich gelun­ge­ne Ver­bin­dung von Ele­ganz und Schmelz. Ein beein­dru­cken­der, gro­ßer Wein!
Bewer­tung: 94/100
2012 Vol­ka­cher Ries­la­ner Aus­le­se | Wein­gut Zur Schwa­ne, Volkach
Weiß­gold; im Duft fei­ne wei­ße Blü­ten und ein Hauch von frisch gemäh­tem Gras; am Gau­men weich, rund und süß, viel Zucker, noch leicht lak­tisch. Struk­tur wird etwas ver­misst, muss liegen!
Bewer­tung: 86/100

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