Rarer Wein aus Franken: Alter Satz

Als gemischten Satz bezeichnet man einen Wein, der aus mehreren Rebsorten besteht, die gleichzeitig gelesen und vinifiziert werden. Früher hat man alle Weine so erzeugt, weil die Weinberge gemischt angepflanzt wurden. Heute sind sie verpönt. In Volkach in Franken hat ein Winzer zufällig einen solchen alten Weinberg gefunden – und erzeugt dort gegen alle Moden einen bemerkenswerten Weißwein aus 35 Rebsorten. Von Ulrich Sautter

Eigent­lich hat­te Otmar Zang nur einen Mit­ar­bei­ter für sein Wein­gut gesucht. Doch auf sei­ne Zei­tungs­an­non­ce mel­de­te sich ein Mann, der außer sei­ner Arbeits­kraft noch etwas ande­res mit­brach­te: einen klei­nen Wein­berg mit alten Reb­stö­cken. Was genau die Reb­stö­cke tru­gen, wuss­te der Mann nicht zu sagen. Der Wein­berg war näm­lich 1835 gepflanzt wor­den, und zwar bunt durch­ein­an­der, was die Reb­sor­ten angeht. Er hat­te Krie­ge, Seu­chen, Flur­be­rei­ni­gung und den Ratio­na­li­sie­rungs­wahn des moder­nen Wein­baus über­stan­den. Der frän­ki­sche Win­zer­meis­ter begriff sofort, auf was für ein Juwel er da zufäl­lig gesto­ßen war. Er enga­gier­te nicht nur den Mann, son­dern pach­te­te sofort des­sen Wein­berg mit.

Etikett Alter Satz

Das war 1989. Seit­dem pro­du­ziert Zang zusam­men mit sei­nem Sohn Johan­nes aus den Trau­ben die­ses Wein­bergs, der sich im frän­ki­schen Rim­bach, einem Orts­teil von Vol­kach, befin­det, einen Wein, wie es ihn in Deutsch­land heu­te nur noch ganz sel­ten gibt: gekel­tert aus 35 ver­schie­de­nen Reb­sor­ten, die an uralten, kno­ti­gen Stö­cken wach­sen. Die wur­zel­echt, also nicht ver­edelt und damit nicht gegen die Reb­laus geschützt sind. Die aus ver­schie­de­nen wei­ßen Sor­ten wie Ries­ling, Sil­va­ner, Elb­ling, Mus­ka­tel­ler, Tra­mi­ner zum Bei­spiel gekel­tert sind, aber auch aus roten Sor­ten wie Spät­bur­gun­der und Roter Sil­va­ner. Zwan­zig der 35 Sor­ten sind nament­lich bekannt. Die rest­li­chen 15 haben auch die Fach­leu­te der frän­ki­schen Wein­bau­schu­le in Veits­höch­heim bei Würz­burg nicht zuord­nen können.

Otmar und Johannes Zang

Moder­ne Weiß­wei­ne strah­len nor­ma­ler­wei­se vor Frucht. Die­ser Wein aber besitzt wenig Frucht. Er zeigt Würz- und Boden­no­ten, ist üppig und reich, ele­gant und rus­ti­kal zugleich. Also kein Wein für Lecker­trin­ker oder Lieb­ha­ber weich­ge­spül­ter Weiß­wei­ne. Eher einer für Neu­gie­ri­ge und Nost­al­gi­ker, die ihre Fas­zi­na­ti­on für einen Wein aus  des­sen Urwüch­sig­keit und Authen­ti­zi­tät ziehen.

Wenn man in die Wein­bau­ge­schich­te zurück blickt, ist der reb­sor­ten­rei­ne Anbau ein Pro­dukt der letz­ten hun­dert Jah­re. Die Win­zer frü­he­rer Tage pflanz­ten in ihre Wein­ber­ge ger­ne ver­schie­de­ne Reb­sor­ten durch­ein­an­der. So konn­ten sie das Risi­ko durch Reb­krank­hei­ten und nach­tei­li­ge Wit­te­rungs­ein­flüs­se so klein wie mög­lich hal­ten. Geriet in einem Jahr die spä­ter rei­fen­de Hälf­te der Trau­ben­sor­ten weni­ger gut, dann gli­chen das die frü­her rei­fen Sor­ten aus. Führ­te Feuch­tig­keit im anfäl­li­ge­ren Teil der Reb­sor­ten zu Mehltau-Befall, dann blieb immer noch der Ertrag der weni­ger emp­find­li­chen Sor­ten. In einem tro­cke­nen Jahr wie­der­um spen­de­ten genau die­je­ni­gen Sor­ten dem Wein ihre Kraft, die in einem feuch­ten Jahr gelit­ten hätten.

Weinberg Alter Satz

Selbst­ver­ständ­lich wur­den damals die Trau­ben auch zusam­men gele­sen. Kein Win­zer hät­te dar­an gedacht, auf die unter­schied­li­chen Rei­fe­gra­de der ein­zel­nen Sor­ten Rück­sicht zu neh­men. Kurio­ser­wei­se schei­nen sol­che im gemisch­ten Satz ange­leg­ten Wein­ber­ge aber den­noch zuver­läs­sig einen Wein mit guter Balan­ce her­vor­ge­bracht zu haben. Ziem­lich sicher hat­ten die Win­zer die­se Balan­ce schon im Auge, wenn sie die ver­schie­de­nen Reb­sor­ten in ver­schie­de­nen Antei­len in ihren Wein­berg setzten.

Im Jahr­gang 2009 ist Zangs Alter Satz ein herz­haf­ter, fein abge­stimm­ter Wein. Man kann an ihm erken­nen, wel­ches Geschmacks­bild unse­ren Ahnen wohl ver­traut war. Er ist im stren­gen Sinn eher arm an Frucht. Sei­ne Stär­ke liegt in den fei­nen Zwi­schen­tö­nen – und in der her­ben, von einer leben­di­gen Säu­re durch­zo­ge­nen Gau­men­struk­tur. Dass die Reben 175 Jah­re lang ihre Wur­zeln tief ver­zweigt in den Muschelkalk-Boden trei­ben konn­ten, kann man am ker­ni­gen Abgang erken­nen. Selbst wenn die Aro­men ver­klun­gen sind, hallt eine mine­ra­li­sche Wahr­neh­mung im Mund nach. Durch­schnitt­lich 2000 Bocks­beu­tel wer­den von ihm gefüllt.

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