Prowein 2011: Billigheimer, Trashwein und Deppenaufschläge

ProWein 2011
Billig war gestern? Von wegen! Während Winzer das Hohelied von Qualität und Terroir singen, suchten große Teile des Weinhandels auf der Prowein 2011 nur nach Billigheimern. Weine, die man für 1,50 Euro einkauft und für 7,90 Euro verkaufen kann. Branchenintern heißen solch obzöne Teuerungen „Deppenaufschlag“. Jens Priewe hat sich schlau gemacht.

Die Pro­wein ist nicht die größ­te, aber viel­leicht die wich­tigs­te Wein­mes­se der Welt. War­um? Weil auf ihr nicht nur die gro­ße Wein­in­dus­trie ver­tre­ten ist, son­dern auch das Heer der klei­nen Win­zer und Wein­gü­ter aus­stel­len kann, das sonst kei­ne Chan­ce hät­te, sich Händ­ler und Gas­tro­no­men zu präsentieren.

Die Düs­sel­dor­fer Wein­mes­se hat sich so zu einer quick­le­ben­di­gen, gleich­wohl dis­zi­pli­nier­ten und höchst effi­zi­en­ten Ver­an­stal­tung ent­wi­ckelt. Kurz: Die Pro­wein 2011, die Diens­tag die­ser Woche zu Ende gegan­gen ist, war wichtig.

So wich­tig, dass Troy Chris­ten­sen, Vor­stand­vor­sit­zen­der von Con­stel­la­ti­on, des größ­ten Geträn­ke­her­stel­lers der Welt, extra aus Ame­ri­ka ein­flog, um zu erle­ben, wie es auf dem hart umkämpf­ten Wein­markt der­zeit zugeht. Dass Peter Siss­eck, der aus Däne­mark stam­men­de und in Spa­ni­en arbei­ten­de Schöp­fer des Kult­weins Pin­gus, sich per­sön­lich die Ehre gab. Dass Neu­win­zer Gün­ther Jauch eigen­hän­dig sei­nen Mosel-Riesling ausschenkte.

ProWein 2011Ande­re Pro­mi­nen­te kamen mehr zum Pro­bie­ren nach Düs­sel­dorf. Sterne-Koch Hans-Stefan Stein­heu­er aus Bad Neu­en­ahr zum Bei­spiel, der sei­ne Wein­kar­te auf­fri­schen möch­ten. Nia Kün­zer, Welt­meis­te­rin der deut­schen Frauenfußball-Nationalmannschaft und jet­zi­ge ARD-Kommentatorin, die sich für alko­hol­frei­en Wein inter­es­sier­te. Micha­el Skib­be, gera­de geschass­ter Trai­ner von Ein­tracht Frank­furt, der die neue Frei­heit genoss und sich Bru­nel­lo di Mon­tal­ci­no und Nero d’Avola schme­cken ließ.

Und abends wur­de gepar­tyt, im „Schorn“, bei „Ber­ens am Kai“, im „Hum­mer­stüb­chen“ und im „Tanz­haus“, bei „Tan­te Anna“ oder in irgend­ei­ner ande­ren Loka­li­tät in der Düs­sel­dor­fer Altstadt.

Günther Jauch„Bil­lig war ges­tern“ lau­te­te das Mot­to, mit dem die Zeit­schrift „Wein­wirt­schaft“ das wirt­schaft­li­che Umfeld der Pro­wein 2011 cha­rak­te­ri­siert hat­te, und wenn die Zei­chen nicht trü­gen, dann sind die Kon­su­men­ten tat­säch­lich bereit, beim Wein wie­der mehr Geld aus­zu­ge­ben als in den Vor­jah­ren. Müs­sen sie auch. Denn in Skan­di­na­vi­en, Bel­gi­en, Ost­eu­ro­pa, wach­sen neue Märk­te her­an, auf denen Men­schen agie­ren, die anspruchs­voll und gar nicht knau­se­rig sind.

Ganz zu schwei­gen von den über­see­ischen Natio­nen. Japan und Chi­na, Stamm­gäs­te auf der Pro­wein, waren bis­her nicht dafür bekannt, als Sie­ger aus dem Wett­be­werb um den bil­ligs­ten Wein her­vor­ge­hen zu wol­len. Glei­ches gilt für Kana­da, Bra­si­li­en und Indi­en, deren Ein­käu­fer erst­mals in Düs­sel­dorf gesich­tet wur­den. Auch sie möch­ten ein biss­chen was abha­ben vom gro­ßen Kuchen, der jedes Jahr ver­teilt wird.

Peter SisseckDie Nach­fra­ge steigt wie­der, und sie glo­ba­li­siert sich. Die Fra­ge stellt sich also, wel­che Rol­le Deutsch­land im Kon­zert der Kon­sum­na­tio­nen künf­tig spielt. Die glei­che, wich­ti­ge Rol­le wie bis­her? Oder über­las­sen die Deut­schen den neu­en Kon­sum­na­tio­nen das Feld? Natür­lich nicht. Deutsch­land wird sich nicht aus dem Wein­markt ver­ab­schie­den. Aber wenn die mit­ge­teil­ten Ein­drü­cke vie­ler in- und aus­län­di­scher Wein­erzeu­ger auf der Pro­wein 2011 zutref­fen, sind zumin­dest Tei­le des Wein­fach­han­dels gera­de dabei, wich­ti­ge Ver­än­de­run­gen zu ver­schla­fen. Die wichtgs­te: Geiz ist nicht mehr geil. Die zweit­wich­tigs­te: Wer auf glei­chem Niveau trin­ken will wie bis­her, muss sei­nen Geld­beu­tel wei­ter auf­ma­chen. Sonst schnap­pen sich ande­re den bes­ten Teil des Kuchens.

Wich­tig wäre des­halb, dass das Mot­to „Bil­lig war ges­tern“ auch in den Köp­fen der Wein­fach­händ­ler ankommt. Doch lei­der scheint das nicht der Fall zu sein. Erschre­ckend, wie vie­le Fach­händ­ler auf Die Hallen der ProWein 2011der Pro­wein 2011 immer noch auf jenen zeit­geis­ti­gem Trash abfah­ren, der als „leicht“, „sec­co“, „jugend­lich“ den Markt über­flu­tet und Geschmacks­er­leb­nis­se bie­tet wie ein Bröt­chen mit Ana­log­kä­se. Die mit Eifer nach der fünf­zigs­ten Kopie eines Erfolgs­weins fahn­den, weil die­se ein paar Cent bil­li­ger sein könn­te als das Ori­gi­nal. Oder die über­haupt nur nach Bil­lig­hei­mern Aus­schau hal­ten, weil man die­se für 1,80 Euro ein­kau­fen und für 7,90 Euro ver­kau­fen kann – ummän­telt mit einer wohl­klin­gen­den, erfun­de­nen Legen­de („liegt direkt neben dem Grand Cru…ist von dem Rothschild-Önologen gemacht…hat fast so viel Punk­te wie ein Pétrus bekom­men“). „Dep­pen­auf­schlag“ heißt die­se Preis­po­li­tik übri­gens branchenintern.

Wer so eine Preis­po­li­tik fährt, muss wis­sen, dass er den einen Teil sei­ner Kun­den an die ange­bots­mä­ßig bes­ser auf­ge­stell­te Kon­kur­renz ver­liert, den ande­ren Teil den Dis­coun­tern in die Arme treibt. Denn „Bil­lig“ kön­nen die­se bes­ser. Und natür­lich ist „Bil­lig“ für gro­ße Tei­le der wein­kon­su­mie­ren­den Bevöl­ke­rung noch immer aktu­ell. Das beweist eine Mit­tei­lung der Gesell­schaft für Kon­sum­for­schung (GfK), die kurz vor der Pro­wein 2011 ver­brei­tet wur­de. Danach sind die Billig-Discounter beim Wein im Vor­marsch: 48 Pro­zent aller Wei­ne, die 2010 in Deutsch­land gekauft wur­den, wur­den bei Dis­coun­tern gekauft (2009: 47 Prozent).

 

2 Kommentare

  • In der EU ist jeder fünf­te Liter Wein unver­käuf­lich und wird des­halb staat­lich auf­ge­kauft und zu Indus­trie­sprit ver­ar­bei­tet. Die neue Wein­kam­pa­gne für Prei­se ab 5 Euro pro Fla­sche ist etwas für Idio­ten, ein guter Wein muß nicht mehr als zwei Euro kos­ten. Mit der 5 Euro­gren­ze soll dem Ver­brau­cher eige­re­det wer­den, daß Qua­li­tät nur ab die­ser Preis­gren­ze zu haben ist. In Wirk­lich­keit wird ver­sucht das unte­re Preis­ni­veau von 2 Euro auf 5 Euro hochzuschrauben.
    Prost Mahlzeit!!!

  • Poin­tiert, mei­nungs­si­cher, unter­halt­sam! Bes­ser kann man die Pro­wein nicht zusam­men­fas­sen! Wie immer ist es ein Ver­gnü­gen Tex­te vom “Meis­ter aller Wein­ken­ner “zu lesen… Lg mü

Antwort schreiben