Premiere in der Oper: Vorhang auf für Château d’Yquem

Am Sonntag beginnt das größte Weinspektakel des Jahres: die Vorstellung des neuen Jahrgangs in Bordeaux. Doch wenn Händler, Kritiker, Journalisten Montagabend müde zurück in ihre Hotels schleichen, wartet auf einige noch eine Fassprobe des berühmten Süßweins von Château d’Yquem. Sie wird in der Oper von Bordeaux gereicht. Ulrich Sautter gehört zu den Auserwählten.

Im Vor­jahr mie­te­te Châ­teau d’Yquem zum ers­ten Mal die Oper von Bor­deaux, um sei­nen neu­en Jahr­gang der Öffent­lich­keit vor­zu­stel­len. 2011 wählt das Châ­teau nun zum zwei­ten Mal die­se unge­wöhn­li­che Form der Prä­sen­ta­ti­on. Die Bot­schaft ist klar: Die­ser ruhm­rei­che Wein ver­dient eine gro­ße Bühne.

Ent­spre­chend durch­dacht ist die Regie. Die Türen öff­nen sich um 17 Uhr, und der Ein­lass dau­ert bis 21 Uhr. Für vie­le gestress­te Bordeaux-Verkoster ist dies der letz­te Ter­min des Tages, vor allem nach 19 Uhr füllt sich das Gebäu­de. Schon am Emp­fang gelei­ten einen Hos­tes­sen zur Gar­de­ro­be, damit man sich – wie bei einer nor­ma­len Auf­füh­rung – sei­ner Stra­ßen­klei­dung ent­le­di­gen kann. Danach wird man um die Ein­la­dungs­kar­te gebe­ten und bekommt Zugang zum Gebäu­de. Im ers­ten Stock des Opern­hau­ses erwar­ten einen schließ­lich die livrier­ten Bediens­te­ten des Châ­teau, aller­dings nicht im gro­ßen Auf­füh­rungs­saal. Ort des Spek­ta­kels ist viel­mehr die Pausenlobby.

An meh­re­ren Ausschank-Stationen bekom­men die Ein­ge­la­de­nen nun die Fass­pro­be des neu­en Jahr­gangs zu ver­kos­ten. Ser­vice­kräf­te eilen mit klei­nen Schnitt­chen her­bei, um den noblen Sau­t­er­nes mit klei­nen, pikant gewürz­ten Por­tio­nen Gän­se­stopf­le­ber ins bes­te Licht zu rücken. Neben dem jüngs­ten Jahr­gang steht auch ein zwei­ter, rei­fe­rer Wein zur Ver­fü­gung – letz­tes Jahr wur­de neben dem 2009er der 1989er ausgeschenkt.

Zu die­ser spä­ten Stun­de kommt die Gele­gen­heit recht, um nach dem dis­zi­pli­nier­ten Aus­spu­cken der 50 bis 80 Rot­wei­ne, die man wäh­rend des Tages pro­biert, nun end­lich mal ein Glas zu trin­ken: ein Châ­teau d’Yquem wird nicht gespuckt. Der­weil eilt Pierre Lur­ton, Direk­tor auf d’Yquem, von Gast zu Gast, schüt­telt Hän­de und spricht ver­bind­li­che Worte.

Dass über dem Spek­ta­kel der Wein selbst ein wenig in den Hin­ter­grund tritt, ist wahr­schein­lich Teil der Regie. Es ist ein offe­nes Geheim­nis, dass der Luxus­gü­ter­kon­zern LVMH, in des­sen Besitz sich Châ­teau d’Yquem befin­det, mit der Preis­ent­wick­lung die­ses Weins unzu­frie­den ist. Wäh­rend die Tari­fe für roten Bor­deaux in den letz­ten Jah­ren explo­diert sind, tre­ten die Prei­se für Sau­t­er­nes auf der Stel­le (Jahr­gang 2006: gut 600 Euro pro Fla­sche). In die­ser Situa­ti­on möch­te man mit noch mehr Gla­mour und ein wenig Thea­ter­don­ner die Märk­te für sich gewin­nen – nicht zuletzt die neu­en Bordeaux-Märkte in Asien.

Ob die­se Marketing-Strategie auf­geht, wird sich zei­gen. Übli­cher­wei­se sieht auch die Kri­tik umso schär­fer hin, je grö­ßer die Büh­ne ist. Mir selbst sind die Pri­meur­pro­ben bei Yquems bedeu­tends­tem Riva­len Cli­mens weit­aus lie­ber. Béré­nice Lur­ton, die deli­ka­ter Wei­se zur sel­ben Groß­fa­mi­lie gehört wie der Direk­tor von Châ­teau d’Yquem, hält es für unse­ri­ös, bereits im April nach der Lese eine Assem­bla­ge vor­zu­stel­len. Statt­des­sen lädt sie in den Kel­ler, um alle Kel­te­run­gen ein­zeln vom Fass zu pro­bie­ren – weni­ger gelun­ge­ne Par­tien inklu­si­ve. Es gibt kei­ne Häpp­chen und kei­ne Gla­cé­e­hand­schu­he, dafür aber genaue Schil­de­run­gen dar­über, wann die Trau­ben in wel­chem Zustand gele­sen wur­den, und in wel­chen Fäs­sern der Wein wel­cher Kel­te­rung lagert.

Zum Glück gibt es auch noch das authen­ti­sche Bor­deaux – und die­ses kommt ganz ohne Schau­spiel aus.

Kommentar hinzufügen

Antwort schreiben