Simon Staples ist ein alter Fahrensmann in Sachen Bordeaux. Einst Sommelier, dann Leiter der Weinabteilung bei Harrod’s, arbeitet er seit nunmehr 15 Jahren bei Londons ältestem Fine Wine Importeur Berry Bros. & Rudd, einem der wichtigsten Bordeauxhändler Englands mit Filialen in Dublin und Hongkong.
In einem Video-Interview mit der Zeitschrift The Drinks Business nimmt er Stellung zu Vermutungen, der Bordeaux-Markt könne zusammenbrechen: „Ich stelle ganz klar fest, dass es keine Blase gibt, die dabei ist zu platzen.“
Hintergrund dieser Äußerung sind zahlreiche Kommentare von Brokern und Händlern, die offen und öffentlich sagen, dass sie zu den derzeitigen Preisen nicht mehr oder deutlich weniger kaufen in der Hoffnung, die Châteaux zur Revision ihrer Preispolitik zu bringen. Für Staples ein Irrglauben: „Die Châteaux können für ihren Wein derzeit verlangen, was sie wollen – wenn ein Kunde nicht kauft, fischen sie sich einen anderen heraus aus denen, die hinter ihm in der Schlange stehen.“
Wenn England nicht kauft, fliegt es raus aus dem Markt
Die Nachfrage in den USA, in Deutschland, Asien und in vielen neuen Schwellenländern scheint stark genug zu sein, um das neue Preisniveau zu stützen. Corinne Mentzelopoulos, Miteignerin von Château Margaux, hatte in einem Interview mit der Financial Times vor einer Woche erklärt: „Bevor wir rauskommen mit unseren Preisen, beobachten wir die Märkte sehr genau, und zwar weltweit … Wir achten sorgfältig darauf, dass wir unter den Preisen liegen, zu denen die letzten großen Jahrgänge 2009, 2005 und 2000 derzeit am Markt gehandelt werden.“
Tatsächlich liegen die Preise für den 2005er Jahrgang an der Londoner Weinbörse Liv-Ex höher als die Release-Preise für den aktuellen Jahrgang 2010.
Statt der Händler verdienen jetzt die Châteaux selbst
Auch Prince Robert de Luxembourg, Direktor von Château Haut Brion und La Mission-Haut Brion, beteuert, dass es darauf ankomme, „ein Fingerspitzengefühl für die Märkte zu entwickeln und nicht die Fehler wie 1996 und 2005 zu wiederholen, als die Châteaux ihre Weine für weniger Geld anboten, als die Kunden bereit waren zu zahlen, und sich die Händler schon wenige Tage nach Eröffnung der en primeur-Kampagne eine goldene Nase verdient hatten“.
Im Übrigen zeigen gerade die Preise der Premiers, dass der Markt die außerordentlichen Qualitäten des Jahrgangs 2010 zu honorieren bereit ist. Lafite, das die erste Tranche seines Weins mit 500 Euro spielend leicht platziert hatte, verdoppelte den Preis für die zweite schon auf 1000 Euro ex négoçe. Und das Ende der Fahnenstange ist damit sicher nicht erreicht.
China dieses Jahr relativ passiv
Übrigens: Dass die Chinesen die Preistreiber seien, gehört laut Simon Staples in den Bereich der Fabel: „Die Vorstellung, dass der größte Teil der Top-Bordeaux aus der en primeur-Kampagne nach Asien geht, ist unwahr. Die Asiaten halten sich dieses Jahr stark zurück. Der Anteil der Premiers, die wir nach Asien liefern, beläuft sich auf gerade mal zehn Prozent.“
Die Ursache für die stürmische Preisentwicklung auf dem Markt der feinen Bordeauxweine hat in Wirklichkeit ganz andere Ursachen. Erstens ist die Zahl der Millionäre auf der ganzen Welt rapide angestiegen. Und zweitens gehört Wein plötzlich auch in Rio, Las Vegas und Hongkong zum gehobenen Lebensstil neben teuren Autos und wertvollen Uhren. Dass die Preise angesichts dieser neuen Nachfrage steigen, ist normal. Staples: „That’s life. Bei anderen Produkten geht das genauso.”