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Podere Il Carnasciale: 14 Jahrgänge Il Caberlot

Der Caberlot ist ein dichter, dunkler Rotwein mit reichem Aromenspektrum und weichem, eleganten Tannin. Er wächst in der Toskana, hat aber mit Chianti classico oder Brunello di Montalcino nichts gemein. Das Weingut, das ihn produziert, heißt Il Carnasciale und liegt in der Gemeinde Mercatale im Arnotal: also innerhalb des Chianti, aber außerhalb des Chianti classico. Die Böden sind die gleichen wie im Chianti classico, die Höhe der Weinberge (420 Meter) und das Klima sind ähnlich. Nur die Rebsorte ist anders – anders als alles, was in der Toskana und im Rest der Welt angebaut wird.

Der Caberlot ist einer der großen Rotweine der Toskana. Dass er so wenig bekannt ist, hat mit der Knappheit und seinem Preis zu tun. Es gibt nur rund 2800 Magnumflaschen von ihm (plus einige Doppelmagnum). Sie kosten rund 230 Euro pro Stück. Ein Luxuswein also, der nur in der Sterne-Gastronomie und bei ein paar ausgesuchten Weinhandlungen erhältlich ist (www.superiore.de).

Hohe Anerkennung der Weinkritiker

Wäre der Caberlot nicht von so außergewöhnlicher Feinheit, die an Qualität und Typizität so vieles übersteigt, was in der Toskana produziert wird, könnte man den Wein wie einen der zahllosen Supertuscans abhaken, die den Markt überschwemmen.

Dieter Braatz vom FEINSCHMECKER erinnerte er „nicht nur mit seinen Gewürz- und Kräuternoten an die Stars aus dem Pomerol“.

Florian Holzer, ein erfahrener österreichischer Weinjournalist, hat der „kardamon-weihrauch-würzige Geschmack“ begeistert, so dass er ihn kühn mit Valandraut, Tertre Roteboef und Le Pin verglich.

Für den Guida Espresso, einen der drei wichtigsten Weinführer Italiens, war der 2000er Caberlot gar der beste italienische Wein überhaupt mit 20/20 Punkten.

Im Gambero Rosso, dem anderen Weinführer, bekommt er immerhin jedes zweite Jahr die Höchstwertung mit drei Gläsern und wird blumig beschrieben: „unglaublich vielfältig in seinem Bouquet, in dem er einen Bogen von balsamischen und Mentholnoten bis hin zu komplexen Aromen wie Schokolade und Gewürzen spannt, stets begleitet von einem Hintergrundrauschen aus Waldbeeren und einem leicht vegetabilen Einschlag …“ Und so weiter.

Rebsorte ohne offiziellen Namen

Das Interesse von  Weinkennern am Caberlot hat aber auch mit der Geschichte dieses Weins zu tun, der das Resultat eines deutsch-italienischen Abenteuers ist. Die Geschichte beginnt mit der sonderbaren Rebsorte, aus der dieser Wein gekeltert ist.

Sie hat keinen offiziellen Namen. Der Mann, der sie 1986 in die Toskana gebracht hatte, nannte sie einfach Caberlot, weil es sich offensichtlich um einen mutierten Cabernet franc handelt, vielleicht mit Merlot-Einschlag. Die Blätter der Rebe ähneln zumindest der Merlot. Der Mann bepflanzte ein Drittel Hektar mit dieser Rebe: im extremen Dichtstand und nach der Pfahl-Erziehung – also viele Stöcke, aber jeder Stock mit wenig Trauben. Gesamtertrag: unter 30 Hektoliter (auf den Hektar umgerechnet).

Der Mann hieß Wolf Rogosky. Der gebürtige Berliner war damals einer der besten Werbetexter deutscher Sprache. Seine größten Erfolge waren die unvergessenen Kampagnen für Jägermeister und für die Zigarettenmarke West. Rogoskys heimliche Leidenschaft galt jedoch der Literatur, der Kunst und dem Wein. Er hatte 1972 ein Haus in der Toskana als Refugium für sich und seine Familie gekauft: das Podere Il Carnasciale. Seine Idee: dort irgendwann einmal einen eigenen Wein zu erzeugen – aber nicht einen beliebigen, sondern einen, der so bedeutend ist wie ein großer Bordeaux. Keine sehr originelle Idee, doch im Gegensatz zu vielen anderen, die Gleiches planten, ist Rogosky seinem Ziel recht nahe gekommen.

Im Weinberg ruht eine Flasche 1985 Sassicaia

Natürlich wusste er nicht, wie die Rebe auf den kargen, steinigen Böden der Toskana zurechtkommen würde. Zur Sicherheit hatte er ein Flasche des legendären 1985er Sassicaia in dem Weinberg vergraben, bevor er diesen bepflanzte. Die Caberlot stammt nämlich  ursprünglich aus den Colli Euganei bei Padua. Ein Agronom aus der Emilia Romagna, Remigio Bordini, hatte die einmalige Rebenkreuzung in den 1960er Jahren entdeckt, sie selektiert, vermehrt und in seinem eigenen Versuchsweingarten in Lugo di Romagna ausgepflanzt. Er verkaufte 3500 Stecklinge an Rogosky mit dem Versprechen, sie an keinen anderen Interessenten weiterzugeben. Er hat Wort gehalten. Caberlot gibt es bis heute nur bei Il Carnasciale.

Rogosky war ungeduldig. Er wollte nicht drei Jahre warten, bis die Reben ihren ersten Ertrag geben. So produzierte er bereits 1988 und 1989 den Caberlot – allerdings aus Trauben, die noch aus dem Versuchsweingarten von Remigio Bordini in der Emilia stammten. 1990, als er das erste Mal die eigenen Trauben vinifizieren wollte, wurden diese ihm von den Wildschweinen weggefressen. Sofort wurde der Weinberg eingezäunt. 1991 war dann der erste offizielle Jahrgang, der auf den Markt kam.

Heute ist der Caberlot ein IGT Landwein, damals war er noch ein Vino da Tavola (Tafelwein). Sein Etikett zierte von Anfang an ein schlichtes Kreuz – Symbol für die Kreuzung Cabernet/Merlot. Das Kreuz ist jedoch von Jahrgang zu Jahrgang verschieden. Es heißt, die Stärke des Pinselstrichs entspräche der Fülle und Kraft des jeweiligen Jahrgangs.

Bettina Rogosky führt das Gut weiterRogosky ist 1996 gestorben. Seitdem führt seine Frau Bettina das Gut alleine – zielstrebig, qualitätsbesessen und keinen Aufwand scheuend, um den Wein zu perfektionieren. Die Tochter des Schriftstellers Ernst Schnabel, der ein begeisterter Flieger war, aber mehrere Romane aus der Welt der Seefahrt sowie ein bemerkenswertes Buch über Anne Frank geschrieben hat („Spur eines Kindes“), hat sich hineingekniet in die neue Materie. Ihr in Paris lebender Sohn Moritz hilft, wenn es um Design und Öffentlichkeitsarbeit geht. In Keller und Weinberg steht ihr der Önologe Peter Schilling zur Seite. Er baut den Wein 22 Monate in neuen Barriques aus und füllt ihn dann unfiltriert ab.

1999 und 2003 legte Bettina Rogosky zwei neue kleine Weinberge mit Caberlot an, so dass jetzt insgesamt zwei Hektar mit Reben bestockt sind – immer noch eine zwergenhafte Größenordnung.

Da die neuen Weinberge noch jung und die Trauben für den Hauptwein noch nicht gut genug sind, hat sie einen Zweitwein geschaffen, den Carnasciale. Er wird mehr oder minder nach den gleichen Prinzipien erzeugt wie der Caberlot, allerdings in Normalflaschen abgefüllt und kostet die Hälfte des Caberlot.

Im Restaurant Königshof des gleichnamigen Hotels in München präsentierten Bettina und Moritz Rogosky kürzlich 14 Jahrgänge des Caberlot. Dabei stellte der Wein nicht nur seine Feinheit, sondern auch seine Langlebigkeit unter Beweis.

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