Kurz vor Weihnachten wurde die Weinszene Italiens noch einmal kräftig durchgeschüttelt. Christopher Descours, Präsident der in Paris ansässigen EPI Holding, teilte mit, dass seine Gesellschaft die Mehrheit an Biondi Santi erworben habe, dem berühmten Brunello-Erzeuger aus Montalcino. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen gewahrt. Mitgeteilt wurde lediglich, dass Jacopo Biondi Santi weiterhin das Weingut leitet und die Familie einen Minderheitsanteil behält. Damit ist ein weiterer berühmter Weinerzeuger aus Italien in die Hände ausländischer Investoren gefallen, nachdem im Herbst das Barolo-Weingut Vietti von Amerikanern übernommen worden war.
Nach Hemden, Schuhen, Champagner nun Rotwein
EPI ist eine Familienholding, unter deren Dach die Familie Descours ihre Immobilien- und Industriebeteiligungen bündelt. Sie besitzt unter anderem den Luxus-Herrenschuhhersteller J. M. Weston, den Maßhemden-Schneider Alain Figaret, den Damenschuh-Designer Françoit Pinet und die Groupe André, ebenfalls ein Hersteller von Luxusschuhen. 2011 hatte EPI Holding die Champagnerhäuserhäuser Piper Heidsieck und Charles Heidsieck für 412 Millionen Euro erworben.
Auch LVMH und Prada waren interessiert
Gerüchte über die Übernahme von Biondi Santi kursierten schon seit einem Jahr am Finanzplatz Mailand. Im Frühjahr war durchgesickert, dass der Luxusgüterkonzern LVMH und der Modeschneider Prada an dem Weingut interessiert seien. Doch am Ende waren nicht sie es, die den Zuschlag bekamen, sondern die weitgehend unbekannte EPI Holding. Weshalb gerade sie das Rennen machte, weiß niemand genau. Wahrscheinlich war der Kaufpreis ausschlaggebend. Die Mailänder Wirtschaftstageszeitung Il Sole 24 Ore berichtet, dass der Wert des Weinguts von ursprünglich 55 Millionen Euro auf 110 Millionen Euro hochtaxiert worden sei.
Die Verkäufe liefen schlecht
Als „Erfinder“ des Brunello mit einer 150-jährigen Geschichte ist die Familie Biondi Santi zweifellos eine historische Größe in Italien. Doch seit 1970, als Franco Biondi Santi das Gut von seinem hoch angesehenen Vater Tancredi übernahm, ist der Stern der Marke gesunken. Die hoffnungslos altmodischen Brunello mit ihrer hohen Säure und dem mageren Körper verkauften sich immer schlechter. Die traditionell hohen Preise machten das Geschäft nicht leichter: knapp 100 Euro für den Brunello di Montalcino Annata und fast 400 Euro für die Riserva. Da halfen auch die (merkwürdig) hohen Bewertungen der internationalen Weinkritiker nichts. In den USA hat Biondi Santi derzeit keinen Importeur mehr.
Wichtigster Absatzmarkt ist Italien
Der wichtigste Markt für die Weine war und ist Italien, wo der Name Biondi Santi nach wie vor eine große Anziehungskraft besitzt. Doch mit der anhaltenden Wirtschaftskrise ist auch die Lage in Italien immer prekärer geworden. Der Stock an Flaschen im Keller der Tenuta Il Greppo, wie das Weingut heißt, wuchs von Jahr zu Jahr. Der rettende Engel kam gerade zur rechen Zeit.
Franco Biondi Santi, der Vater von Jacopo, hatte Il Greppo mit eiserner Faust regiert. Er war ein Aristokrat, wie er im Buche stand: Er ließ sich nicht davon abbringen, jedes Jahr als Erster in Montalcino zu lesen. Und er war eigensinnig genug, seinen Brunello weiterhin nach großväterlicher Manier zu vinifizieren. Einwände, seine Weine seien zu hart und unausgewogen, begegnete er mit dem Hinweis, sie seien für ein langes Leben gemacht und nicht für den schnellen Konsum. Tatsächlich sind Jahrgänge wie 1955 und 1964 bei Biondi Santi Legende. Wer je die Gelegenheit hatte, diese Weine zu kosten, weiß, dass sie auch nach 50 Jahren noch perfekt zu trinken sind. Vor zehn Jahren wurde beispielsweise eine Einzelflasche 1964er auf einer Christie’s-Auktion im umbrischen Spoleto für märchenhafte 4200 Euro zugeschlagen. Allerdings waren diese Jahrgänge noch von Tancredi Biondi Santi vinifiziert. In der Zeit von Franco sind keine Weinlegenden mehr entstanden.
Streit in der Familie
Kompromisslos war Franco Biondi Santi auch gegen seine Familie. So entfernte er seinen Sohn Jacopo aus der Biondi Santi S.p.A., der Distributionsgesellschaft der Biondi Santi-Weine. Dieser war deren Geschäftsführer. Gleichzeitig überließ er die Firma fragwürdigen Partnern, die darauf aus waren, das Weingut in Gänze zu übernehmen. Wir auf weinkenner.de haben darüber berichtet. Mehr noch: Er scheute sich nicht, Sohn Jacopo zu verklagen, nachdem dieser ein eigenes Weingut in der Maremma, das Castello di Montepò, gegründet und seinen Namen auf die Etiketten der Montepò-Weine gedruckt hatte. Der Vater bestand darauf, dass der Name Biondi Santi allein für den Brunello di Montalcino, reserviert sei. Den Prozess verlor er.
Die Weichen für den Aufstieg sind gestellt
Als Franco Biondi Santi 2013 mit 91 Jahren starb, hatte er sich mit seinem Sohn wieder versöhnt. Er überließ Jacopo die Leitung des Gutes, der sofort erste Änderungen einleitete, um den Glanz der Marke wieder herzustellen. Mit dem 2010er hat Biondi Santi erstmals wieder einen bemerkenswerten Wein auf den Markt gebracht, wobei der Jahrgang natürlich mitgeholfen hat. Der 2011er war ein Lichtblick im eher tristen Umfeld der anderen Brunello dieses Jahrgangs, und der 2012er ist, nach dem Urteilen anderer Verkoster, offenbar wieder ein großer Wein (ich habe ihn noch nicht probiert). Nach dem verregneten 2014er Herbst kündigte Jacopo als einer der ganz Wenigen an, auf die Abfüllung eines Brunello zu verzichten. Der Tiefpunkt ist, so scheint es, überschritten.
Der Verkauf der Mehrheit von Biondi Santi ist der diesjährige Schlusspunkt beim Ausverkauf italienischer Weingüter, der schon vor vielen Jahren begann und noch lange nicht beendet ist. Fast die Hälfte der Weingüter im Chianti Classico steht zum Verkauf, schätzen Bank-Experten. Die hohen Arbeitskosten und Abgaben in Italien machen die Weinproduktion zunehmend unrentabel. Kredite sind praktisch nicht mehr zu bekommen. Viele Banken wackeln. Nur durch privates Kapital lassen sich die Kostensteigerungen auffangen. Doch privates Kapital ist renditeorientiert. Heißt: Die Weinpreise werden steigen.
Übernahmen in 2016
- Felix Eichbauer, Gesellschafter des Münchener Restaurants Tantris, kauft das Weingut Salicutti in Montalcino.
- Der Schweizer Weindistributeur Schenk erwirbt das Weingut Lunadoro im Anbaugebiet des Vino Nobile di Montepulciano.
- Der argentinische Petrodollar-Millionär Alejandro Bulgheroni kauft im Chianti Classico Weinberg um Weinberg auf mit dem Ziel, bis zum Jahr 2020 rund 200 Hektar zu besitzen (nachdem er 2012 das Weingut Dievole in Castelnuovo Berardenga erworben hatte).
- Der Österreicher Stanislaus Turnauer, Erbe und Vorstand der Industrieholding Constantia AG, kauft sich in die Tenuta dell’Argentiera in Bolgheri ein.
- Die amerikanische Krause Holding, eine Supermarktkette, übernimmt das Weingut Serafino von der Campari Holding.
- Chinesische Investoren übernehmen das piemontesische Barbera-Weingut Villa Boemia des berühmten schwedischen Fußballspielers und späteren AC Milan und AS Roma-Trainers Nils Liedholm.
- Der aus Hong Kong stammende Investor Cheng Pao steigt bei der Mailänder Weinguts-Holding Terra Moretti ein (Bellavista, Contadi Gastaldi, Petra), die sofort danach das sardische Weingut Sella & Mosca sowie das toskanische Weingut Teruzzi & Puthod kauft.
- Die US-amerikanische Krause Holding schlägt erneut zu und übernimmt das berühmte Barolo-Weingut Vietti.