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Peter Wagner: Der Aufsteiger vom Kaiserstuhl

Seine Großeltern und Eltern lieferten ihre Trauben immer brav an die Genossenschaft ab. Peter Wagner, der Sohn, wollte keine „Genossenschaftskind“ sein. Er begann, kaum dass er das elterlich Weingut übernommen hatte, die Lieferverträge aufzulösen. Er wollte selbst Wein erzeugen und die Weine selbst vermarkten. Das war vor fünf Jahren.

Er hatte Großes vor, und er wusste, dass er es kann. Heute steht der Name Peter Wagner für eines der aufstrebensten Weingüter am Kaiserstuhl. Seine Chardonnay, Grauburgunder und Spätburgunder glänzen mit burgundischer Finesse.

Viele Jahre beim Weingut Franz Keller gearbeitet

Vor den fünf Jahren arbeitete Wagner als Kellermeister bei Franz Keller, dem bekanntesten Weingut am Kaiserstuhl. Eine prägende Zeit, sowohl für ihn als auch für das Weingut. Gemeinsam mit Junior-Chef Friedrich Keller – die beiden freundeten sich während des Studiums in Geisenheim an – ordneten sie den ganzen Prozess der Weinerzeugung und des Weinausbaus neu.  Bei den Lagenweinen verzichteten sie zunehmend auf Schönung und Filtration, modernisierten und verschlankten den Stil.

© Weingut Peter Wagner

Man kann sich die beiden vorstellen wie gegenseitige Mentoren, die sich die gleichen Fragen stellten und von den gleichen Weinen fasziniert waren. „Ich habe zum Beispiel in dieser Zeit viel über Frankreich gelernt“, berichtet Wagner. „Kellers Önologe war Franzose, ich durfte mitfahren ins Burgund. Außerdem werden bei Kellers meist französische Weine verkostet.“

Klarheit, Präzision und Brillianz

2017 übernahm Wagner dann den elterlichen Betrieb in Oberrotweil am Kaiserstuhl. Die Weinberge sind seit Generationen in Familienbesitz. Um die Trauben selbst zu vinifizieren, fehlte allerdings die Infrastruktur: Presse, Tanks, Fässer, überhaupt ein Keller. Noch heute sieht es da, wo Wagner vinifiziert, ziemlich behelfsmäßig aus, und eng ist es sowieso. Aber Peter Wagner benötigt nicht viel Technik für seine Weine. Seine Kellerarbeit ist recht ursprünglich, er arbeitet ohne Filtration, macht keine High-Tech-Weine. Dennoch liegen ihm Klarheit und Präzision am Herzen. Das Hauptaugenmerk liegt auf Chardonnay, Spätburgunder und Grauburgunder.

Die Weißweine, selbst der oft dropsige Müller-Thurgau, an dem er als leicjten, trinkigen Wein sehr hängt, leben von der Mischung aus Cremigkeit und prononçierter Säure. Alle durchlaufen den biologischen Säureabbau. Die Spätburgunder sind, wohl auch der heißen Jahre 2018, 2019 und 2020 geschuldet, kraftvoll, etwas dunkler und beeriger als die meisten Pinot Noirs aus dem Burgund. Sie gehören durch ihre knackige Säure eher zu den kargen, aber gleichzeitig elegantesten Rotweinen, die der Kaiserstuhl derzeit zu bieten hat.

© Weingut Peter Wagner

Ein natürlich vinifizierter Wein, aber kein Naturwein

„Im Moststadium arbeiten wir oxidativ, der Saft muss richtig braun sein“, beschreibt Wagner seine Art Wein zu machen. Gänzlich verhindern könne man, so der studierte Önologe, die Oxidation sowieso nicht. Und was im Most schon oxidiert ist, oxidiert im Wein später nicht mehr. So spare er sich Schwefel und könne die Weine bedenkenlos auf der Vollhefe im Barrique reifen lassen. Außerdem verbessert sich das Reifepotential der Weine – es ist ja weniger da, was in der Flasche oxidieren kann. Kurz schlucken muss Peter Wagner aber trotzdem, als das Naturwein-Wort fällt. „Ich will keinen Naturwein machen, auch wenn ich im Keller wenig eingreife“, sagt er. In der Tat hat seine Art der Vinifikation wenig mit Naturweinen zu tun. Es gibt bei seinen Weißen keine Maischestandzeit, schon gar keine Maischegärung, beim Spätburgunder keinen Amphoren-Ausbau.

Die französische Schule

Unterhält man sich mit ihm, lernt man einen Winzer kennen, der zwar einerseits von Ganzheitlichkeit und Rückbesinnung auf das Handwerk spricht, der Schafe hält und mit eigenem Pferdemist düngt, anderseits aber im Gegensatz zu den meisten Naturweinwinzern alle Abläufe unter Kontrolle haben will. „Meine Weine sollen einen ph-Wert zwischen 3,2 und 3,4 haben, um stabil zu sein und seine Frische zu bewahren. Bevor der pH-Wert zu hoch ist, gebe ich Säure zu“, gibt er offen zu – wie übrigens fast alle badischen Spitzenweingüter. Allerdings nur natürlich gewonnene Weinsäure, und das auch nur im Moststadium.

So lässt sich der pH-Wert während der Gärung senken. Apfelsäure, die erst vor der Füllung beigemischt wird, würde herausstechen und den Wein unnatürlich schmecken lassen. Überhaupt sei für ihn der pH-Wert die maßgebliche Größe: „Das ist die französische Schule, da ist der pH-Wert alles.“ Die Wirksamkeit von Schwefel etwa geht bei zu hohen pH-Werten deutlich zurück, Winzer müssen ihre Weine hoch schwefeln, um den gewünschten Oxidationsschutz zu bekommen.

 

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Bodenarbeit als Ertragsreduktion

Auch im Weinberg ist es Wagner wichtig die Kontrolle zu behalten. „Die Hand des Winzers ist ein Teil des Terroirs“, sagt er. Wenn er Weinberge von anderen Winzern übernimmt, findet er häufig überdüngte Böden vor, die von den Kunstdüngern der vergangenen Jahre stark gezeichnet sind. Dann sät er Roggen, der die Nährstoffe aus dem Boden zieht. So versucht Wagner, die Halbierung der Trauben mit der Schere zu vermeiden, wie es gerade Spätburgunder-Winzer oft tun, um die Erträge zu reduzieren. Auch das ist ein Stück weit französische Schule. Auf der Domaine de la Romanée-Conti hat man sich bei älteren Reben zum Beispiel ganz vom Halbieren der Trauben und von der Grünlese verabschiedet.

Eine Alternative zu teuren Burgundern

Von der stilistischen Nähe zum Burgund profitiert Wagner auch beim Verkauf seiner Weine. Die Preise in Frankreichs Vorzeige-Region sind in den vergangen Jahren explodiert, gute Burgunder unter 50 Euro werden immer seltener. Möchte man einen Grand Cru eines Spitzenwinzers erstehen, muss man sich auf Beträge im mittleren dreistelligen Bereich einstellen. Auf den Weinlisten der Restaurants tauchen deshalb französische Burgunder seltener auf. Stattdessen suchen Gastronomen, Händler und Importeure nach alternativen Chardonnays und Spätburgundern aus Deutschland – oft bei jungen Winzern mit Burgund-Faible wie Peter Wagner.

Gute Lagen sind für junge Winzer derzeit oft günstig zu bekommen

Und noch etwas spielt jungen Winzern wie Wagner in die Hände: die Krise der Genossenschaften. Wenn es die Menschen wegen des Arbeitsplatzes oder wegen des Studiums vermehrt in die Städte zieht, bleibt für die Bearbeitung des familieneigenen Weinbergs nur der Feierabend übrig. Manche trennen sich dann ganz von ihren Reben. Das heißt: Winzer wie Peter Wagner kommen so günstig an gute Lagen.

Während Reben in Flachlagen, in denen die Arbeit mechanisierbar ist und mit denen sich Menge machen lässt, eher innerhalb der Genossenschaft weiter gegebenen werden, sind vor allem steile, nicht maschinengängige Parzellen wenig  gefragt. „Ich kenne Kollegen, die Weinberge umsonst bewirtschaften dürfen, nur damit sich jemand um die Flächen kümmert.“

Alles unter Kontrolle

Die Bedingungen passen also. Klar, der Klimawandel könnte ein Problem werden, am Kaiserstuhl. „Von der Sonne verwöhnt“, der Slogan der badischen Weinwerbung, klingt nach drei heißen Jahren in Folge wie aus der Zeit gefallen, viel eher sind Weinberge von der Sonne gebeutelt. Gerade der Grauburgunder wird im heißen Klima schnell fett und schwer: „Raus reißen werde ich den Grauburgunder nicht, bei Neupflanzungen ziehe ich aber Chardonnay vor.“ Gut möglich, dass Wagner so ein wenig besser für die Zukunft gewappnet ist, als viele seiner Kollegen. Sein Mut zur frühen Lese schon Mitte August und vor allem zum Ansäuern hat ihm auch im warmen Jahrgang 2020 frische Weine beschert.

Peter Wagner: Ausgewählte Weine

Grauburgunder 2021
Dieser Wein würde in sämtlichen Blindverkostungen als Chardonnay durchgehen, so filigran und gleichzeitig kraftvoll, ist dieser Weißwein. Peter Wagner entlockt ihm die Säure und befreit ihn von der typischen Grauburgunder-Speckigkeit.

Preis: 9,50 Euro

Spätburgunder Oberrotweil 2020
Ohne Neuholz und anteilig mit Maçeration Carbonique vergoren, ist dieser Ortswein saftig und wild zugleich. Er zeigt viel Graphit, Bleistiftmine, etwas reduktive Aromen, aber auch frische Frucht, rote Beeren, Süßkirsche und hat dabei eine herausfordernde Säure

Preis: 16,50 Euro

Spätburgunder Eichberg 2020
Der Eichberg ist eine der besten Einzellagen am Kaiserstuhl. Der 2020er Spätburgunder lebt derzeit von seiner prägnanten Frucht und seiner noch frischen Säure, zeigt Aromen von roter Johannisbeere aber auch von gelben Zwetschgen. Das macht Lust auf die kommenden Jahre!

Preis: ca. 50 Euro

Spätburgunder Rosé 2021
Endlich mal ein richtig guter Rosé vom Kaiserstuhl, mit viel Säure und viel Biss. Das erinnert mit seiner kühlen Rauchigkeit und der herben Note eher an einen Champagner, dem die Kohlensäure abhanden gekommen ist, als an das, was man sonst so von deutschem Rosé kennt.

Preis: 9,50 Euro

Sekt Blanc de Blanc Brut Nature
Dass Peter Wagner mit seinem jungen Weingut nicht auf Reserve-Weine und langes Hefelager zurückgreifen kann, liegt auf der Hand. Dennoch ist sein Sekt jetzt schon vielversprechend, angenehm herb, mit kreidigem Biss und frischen Zitrusnoten.

Preis: 22 Euro

 

www.karl-kerler.de, www.weinbaum.de, www.wernersweinwelt.de, www.freiheit-vinothek.de

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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