Peter Jakob Kühn: Erster Riesling aus der Tonamphore

Peter Jakob Kuehn
Peter Jakob Kühn hat erstmals in Deutschland eine kleine Partie Riesling auf den Markt gebracht, der wie ein Rotwein in Tonamphoren vergoren worden und vier Jahre darin gereift ist. Ein rotgold schimmernder, oxydativ ausgebauter Wein der Art, wie er in der Antike erzeugt worden ist. Eine Reise in die Vergangenheit von Ulrich Sautter.

Vor der Lese 2005 hat­te Peter Jakob Kühn aus Oestrich-Winkel im Rhein­gau zwei Ton­am­pho­ren aus Spa­ni­en gekauft, um erst­mals einen Teil sei­nes Ries­lings in ihnen zu ver­gä­ren, und zwar wie ein Rot­wein samt der Scha­len. Er hat­te sich in den Kopf gesetzt, einen Wein zu erzeu­gen, wie ihn die Men­schen in der Anti­ke im Kau­ka­sus, spä­ter in Grie­chen­land und Rom erzeug­ten, als es noch kei­ne Holz­fäs­ser gab. Einen Wein, der nicht, wie heu­te üblich, unter weit­ge­hen­dem Sauer­stoff­abschluss ver­go­ren und aus­ge­baut, son­dern prak­tisch sich selbst über­las­sen wird.

Die Mai­sche gär­te eini­ge Mona­te spon­tan (d. h. ohne Rein­zucht­he­fen) in den Ampho­ren, bevor der Wein abge­presst und der Wein wie­der zurück in die Ton­ge­fä­ße gege­ben wur­de. Dort gär­te er wei­ter, um auch den letz­ten Zucker­rest in Alko­hol umzu­wan­deln. Die­se Vini­fi­ka­ti­ons­wei­se lehnt an das geor­gi­sche Vor­bild an. Bekannt­lich begann irgend­wo im Kau­ka­sus, mut­maß­lich in der Regi­on Kache­ti­en, vor rund 6000 Jah­ren die Geschich­te der Wein­er­zeu­gung. Die ers­ten Win­zer ver­go­ren ihren Wein in ähn­li­chen Ton­ge­fä­ßen, wie der Rhein­gau­er Win­zer sie jetzt wie­der ver­wen­det. Mit dem ein­zi­gen Unter­schied, dass die Ton­ge­fä­ße übli­cher­wei­se in der Erde ver­gra­ben wur­den. Kühn hat sie in Stahl­wan­nen im Kel­ler ste­hen, bis knapp über die Hälf­te mit Erde bedeckt. Übri­gens: In Geor­gi­en ende­te die­se Art der Wein­er­zeu­gung im Ton­ge­fäß (dem so genann­ten “Qve­vri”) erst mit Beginn der Sowjet­herr­schaft. Jetzt wird sie gera­de wie­der belebt.

Dem geor­gi­schen Vor­bild ent­spre­chend blieb der Kühn­sche Ries­ling fast vier Jah­re im Ton­ge­fäß: Solan­ge dau­er­te es, bis der Wein zur Ruhe gekom­men war“, wie Kühn erzählt. Allein zwei Nach­gä­run­gen gab es, dann fäll­te plötz­lich der Gerb­stoff aus. Er leg­te sich wie ein schil­lern­der Tee­film über den Wein und muss­te abge­schöpft wer­den. Erst im Som­mer 2009 leg­te Kühn den Wein aus bei­den Ton­ge­fä­ßen für ein Vier­tel­jahr in ein Holz­fass, bevor er den unge­wöhn­li­chen, kaum als Ries­ling erkenn­ba­ren Wein unfil­triert füll­te. Gut 400 Fla­schen erhielt er, sie sind fast alle an Pri­vat­kun­den gegan­gen. Obwohl er nur als „Ampho­re“ ohne Reb­sor­ten­an­ga­be eti­ket­tiert und unter­klas­sig als „ Tafel­wein Rhein“ auf den Markt gebracht wur­de, waren die gut 400 Fla­schen sofort ver­kauft.

Beim Pro­bie­ren des fast rot­gold schim­mern­den Weins ver­hehlt Kühn nicht die Skru­pel, die ihn bei der Abfül­lung über­ka­men: Kann man so einen schrä­gen Wein mit Oxi­da­ti­ons­no­ten ernst­haft anbie­ten? Aber dann stell­te er fest, wie­viel Spaß es macht, den Ampho­ren­wein zu trin­ken. Und so zieht Kühn heu­te ein vor­be­halt­los posi­ti­ves Resü­mee: “Mich begeis­tert ein­fach die­ser Trink­fluss. Der Wein ist an sein Ziel gekom­men.” Sei­ne Kun­den sahen es ähn­lich. Sie zahl­ten 45 Euro für das Expe­ri­ment.

Inzwi­schen sind die bei­den Amho­ren wie­der mit Ries­ling des Jahr­gangs 2009 gefüllt. Der Wein wird vor­aus­sicht­lich 2012 frei­ge­ge­ben wer­den.

Peter Kühn gehört in Deutsch­land zu den­jen­gen Win­zern, die sich nicht von ihrem ein­mal ein­ge­schla­ge­nen Kurs abbrin­gen las­sen. Über die Jah­re hat sich bei ihm ein unver­wech­sel­ba­rer Betriebs­stil her­aus­ge­bil­det. Zum Einen ist Kühn ein kon­se­quen­ter Anwen­der biologisch-dynamischer Ver­fah­ren im Wein­berg. Selbst die zahl­rei­chen Pflan­zen­prä­pa­ra­te, die in der Bio­dy­na­mik als Pflan­zen­schutz­mit­tel zum Ein­satz kom­men, berei­tet er in Eigen­re­gie.

Und auch im Kel­ler geht er sei­nen eige­nen Weg, nicht nur beim Ampho­ren­wein: Im Gegen­satz zu den meis­ten deut­schen Ries­lin­gen durch­lau­fen Kühns Kel­te­run­gen in der Regel die malo­lak­ti­sche Gärung (auch bio­lo­gi­scher Säu­re­ab­bau genannt). Dadurch wir­ken sei­ne Ries­lin­ge vol­ler als ande­re Wei­ne. Bis­wei­len sind sie fast von bur­gun­der­haf­ter Struk­tur.

Über­dies expe­ri­men­tiert Kühn mit Mai­sche­stand­zei­ten und sogar mit Mai­sche­gä­run­gen – sehr erfolg­reich, was die Qua­li­tät der Wei­ne angeht. Resul­tat: aro­men­stär­ke­re, aber natür­lich auch gerb­stoff­hal­ti­ge­re Wei­ne. Die Aner­ken­nung als Qua­li­täts­wein ist dadurch mit­un­ter schwie­rig. Auch die Aner­ken­nung als Ers­tes Gewächs birgt bei Kühn Kon­flikt­po­ten­zi­al (Kühn ist Mit­glied im VDP).

So wur­de bei­spiels­wei­se sei­nem 2009 Ries­ling “Drei Trau­ben” aus der Lage Doos­berg die Aner­ken­nung als Ers­tes Gewächs ver­sagt, obwohl die­ser extrakt­rei­che und tief mine­ra­li­sche Wein zwei­fel­los von höchs­ter Qua­li­tät ist. Ähn­lich wie beim Hen­ken­berg Grau­bur­gun­der von Kon­rad Sal­wey (sie­he 2008 Grau­bur­gun­der Hen­ken­berg von Sal­wey – Gro­ßem Gewächs droht Tafelwein-Status) war die Prü­fungs­kom­mis­si­on von der rela­tiv kräf­ti­gen Far­be irri­tiert – und vom Gerb­stoff, den die­ser Wein auf­weist. Er ver­spricht dem Wein zwar einen beson­ders span­nen­den Rei­fe­vel­auf zu geben. Doch gerb­stoff­hal­ti­ge Weiß­wei­ne ent­spre­chen in Deutsch­land nicht dem Qua­li­täts­ide­al.

 

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