Start WineHappens Schäumer & Prickler Pet Nat von Mark Barth: trüber Sektgenuss

Pet Nat von Mark Barth: trüber Sektgenuss

0
© Sektgut Barth

Meck Pom kennt jeder. Aber Pet Nat? Ist das ein neues Bundesland? Eine neue Marke für biologisches Hundefutter? Eine sich selbst kompostierende Plastikflasche? Weit gefehlt. Pet Nat ist die Abkürzung für Pétillant Naturel. Auf deutsch: natürlich prickelnd. Gemeint sind damit schäumende oder prickelnde Weine, ähnlich wie Champagner oder Prosecco. Nur Bio-Qualität: Pet Nat-Weine sind naturtrüb, haben Schlieren, duften anders als konventionelle Weine. Sie gären auf der Maische an, werden auch ganz anders versektet: auf der Flasche. In diese aber wird gärender Wein, kein fertiger Wein gefüllt wie bei einer klassischen Flaschengärung. Die Hefe wird nach Abschluss der Gärung auch nicht entfernt. Sie bleibt in der Flasche, die danach gar nicht mehr geöffnet wird. Das Degorgieren (Enthefen) entfällt. Pet Nat-Weine können daher auch keine Süß-Dosage bekommen und nicht geschwefelt werden – sollen sie auch nicht. Sie sollen Naturweine sein: spontan vergoren, unverfälscht, ungeschönt und mit Kronkork verschlossen.

Hefetrüb ist nicht gesundheitsschädlich

Trüber, schlieriger Wein im Glas mag irritierend wirken – vor allem in feinen Restaurants. Aber das ist eine Frage der Gewöhnung. Hefetrüb ist nicht gesundheitsschädlich. Beim Weizenbier trinkt man ebenfalls die Hefe mit. In der Naturwein-Szene ist Pet Nat jedenfalls der neueste Schrei. Halbvergorenen Wein in die Flasche zu füllen und sich selbst zu überlassen, ist spannend, das Resultat nicht vorhersehbar. Manchmal gärt der Wein durch, ist also trocken. Manchmal bleibt die Gärung stecken und der Natursekt behält eine kleine Restsüße. Manchmal prickelt er nur, manchmal schäumt er richtig.

Ähnlich wie Méthode Ancestrale und Méthode Rurale

Pet Nat ist etwas Neues und etwas Altes zugleich. Méthode Ancestrale oder Méthode Rurale nennt sich die traditionelle Herstellungsmethode, deren Anfänge für den Beginn des 16. Jahrhunderts in Südfrankreich verbrieft sind. Dabei goren Weine im Frühjahr, wenn es wärmer wurde, spontan nach, wobei Kohlensäure entstand. Aus den geplanten stillen Wein wurde so ein prickelnder oder schäumender Wein. Über die Jahrhunderte nahm kaum jemand davon Notiz. Die Weine galten als regionale Spezialität in einigen Ecken Frankreichs. Sie waren zu einem großen Teil für den Privatgebrauch von Winzern gedacht, die eigentlich Stillweine hatten produzieren wollen.

Stillwein gewollt, Schaumwein bekommen

Die Geburtsstunde des Pet Nat schlug erst Mitte der 1990er Jahre. Eine alte Idee bekam plötzlich ein Hipstergewand übergeworfen. Christian Chaussard, einer der Vorreiter der Naturweinszene an der Loire, hatte einen Chenin blanc als demi sec abgefüllt. Weil er ihn nicht filtriert hatte, gärte der restsüße Wein später auf der Flasche nach. Chaussard dachte, die komplette Charge sei ruiniert – und er vermutlich auch. Aber dann schmeckte das, was sich da unbeabsichtigt entwickelt hatte, so gut, dass er sich dazu entschloss, den Wein als Pétillant Naturel, als Pet Nat zu verkaufen. Es lief gut, und so machten es ihm andere Winzer nach. Zunächst nur an der Loire, später auch in anderen Teilen Frankreichs, seit einigen Jahren auch in Österreich, Italien und anderen europäischen Ländern.

Auch renommierte Versekter versuchen sich in Pet Nat

Pet_Nat-Flasche vom Sektgut Barth

Nachdem die ersten Pet Nats vor ein paar Jahren auf den deutschen Markt kamen, versuchten sich auch deutsche Winzer – junge vor allem und solche mit Bio-Hintergrund – an diesem Produkt. Die Brüder Daniel und Jonas Brand aus dem rheinhessischen Bockenheim waren die ersten, die mit einem Pet Nat auf den Markt kamen. Inzwischen erfasst die grüne Welle auch renommierte Versekter, etwa das Sektweingut Barth aus dem Rheingau. Mark Barth, der Junior-Chef, hat 2017 erstmals einen eigenen Pet Nat Rosé auf die Flasche gebracht. Und der ist gut gelungen, findet Patrick Hemminger. Er hat sich mit ihm unterhalten.


Interview mit Mark Barth

Was war der erste Pet Nat, den Sie probiert haben? Was hat Sie begeistert – oder was fanden Sie nicht gut?

Mark Barth: Vor ein paar Jahren habe ich den weißen Pet Nat von Marc Weinreich probiert und fand ihn ganz spannend. Der erste Rosé Pet Nat war vom Weingut Jurtschitsch aus Österreich – der hat mir auch sehr gut gefallen.

Wann sind Sie auf die Idee gekommen, selber einen Pet Nat zu machen?

Mark Barth: Die Idee schwirrte schon seit längerem im Kopf umher. Als Bio-Weingut, dass selbst versektet, hat mich das „natürliche Prickeln“ von Anfang an interessiert. Der feste Entschluss selbst einen Pet Nat zu machen kam jedoch erst kurz vor der Ernte 2017.

Wie lief das ab? Woher haben Sie die Infos bekommen, wie so etwas geht?

Mark Barth: Da Pet Nat damals nicht zu den Ausbildungs- bzw. Studieninhalten in Geisenheim gehörte, habe ich mich in das Thema eingelesen, mit Kollegen ausgetauscht und natürlich von unserer Erfahrung im Sektbereich Gebrauch gemacht. Das wichtigste ist ja das Timing der Abfüllung für die Restgärung auf der Flasche.

Warum haben Sie sich für Cabernet Sauvignon als Rebsorte entschieden?

Mark Barth: Ich hatte in den Jahren zuvor neben einem kräftigen Rotwein auch immer wieder Rosé-Varianten von unserem Cabernet vergoren und fand diese immer sehr ausdrucksstark. Daher wollte ich den ersten Versuch mit unserem Cabernet machen.

Ging zu Anfang auch mal was schief?

Mark Barth: Zum Glück nicht. Ich bin wirklich zufrieden damit. Aber wie bereits gesagt, habe ich mich vorher informiert und auch von Kollegen ein paar Hinweise bekommen, was schief gehen könnte.

Wie waren die Reaktionen von Kunden?

Mark Barth: Sehr positiv. Ein Pet Nat ist zwar nicht jedermanns Sache, aber ich war erstaunt, wie viele unserer traditionellen Sektkunden auch vom Pet Nat angetan waren.

Wer kauft bei Ihnen Pet Nat?

Mark Barth: Das ist ganz gemischt. Privat, Gastronomie, Händler und auch ein wenig Export. Die erste Runde war noch sehr limitiert und musste entsprechend aufgeteilt werden. Vom neuen Jahrgang wird es mehr Flaschen geben.

Was ist der Reiz an Pet Nat für Sie als Winzer?

Mark Barth: Ich finde das Geschmackserlebnis total spannend und eben ganz anders als bei unserem Wein oder Sekt. Zudem ist er immer sehr herb und erfrischend. Die Hefe gibt noch das gewisse Etwas, und gefühlt verändert er sich von Schluck zu Schluck. Das absolute Gegenteil von Mainstream.

Wie bewerten Sie die Situation von Pet Nat in Deutschland allgemein?

Mark Barth: Ich kenne keine Zahlen oder Statistiken dazu. Dafür ist das Thema noch jung. Ich denke auch, dass es immer eine Nische bleiben wird – ähnlich wie beim Orange Wein. Durch mein eigenes Interesse bekomme ich natürlich mehr mit und hoffe, dass der Markt für Pet Nat zunimmt, auch in der Gastronomie.

Zu welcher Gelegenheit oder mit welchem Gericht trinken Sie Ihren Pet Nat am liebsten?

Mark Barth: Da mein Pet Nat eine ausgeprägte Aromatik nach Erdbeere, Rhabarber und Jogurt hat, kann er vielleicht eine kleine Mahlzeit ersetzten. Ansonsten sehe ich ihn eher als Aperitif.

Haben Sie einen Lieblings-Pet-Nat – außer Ihrem eigenen?

Mark Barth: Im Kopf geblieben ist mir der Fuchs & Hase Rosé Pet Nat aus dem gleichnamigen Weingut im österreichischen Kamptal.

Der Pet Nat vom Sektgut Barth kostet 19 Euro/Flasche

Vorheriger ArtikelKokosmakronen
Nächster ArtikelSpritzgebäck
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

Keine Kommentare

Die mobile Version verlassen