Montag, Dezember 9, 2024
1.1 C
München
spot_img

Paul Weltner: Sylvaner aus dem fränkischen Rödelsee

Paul Weltner ist in den elf Jahren, in denen er sein vom Vater übernommenes acht-Hektar-Weingut in Rödelsee leitet, zu einem der besten Silvaner-Produzenten in Franken geworden. Die Liebe zu dieser Rebsorte ist auf dem Gut „eine alte Geschichte“: schon der Urgroßvater hatte sie zu Zeiten, in denen noch der gemischte Satz dominierte, unvermischt stehen.

Allerdings ist Weltners Sylvaner, den er bewusst altmodisch mit „y“ schreibt, anders als die modernen, meist fetten Weine aus dieser Sorte. Er ist schlank und geschmeidig, auch im hohen Prädikatsbereich. Statt Fülle besitzt er Spannung.  “Spannung hat ein Wein nur, wenn er keine Überreife mitbringt“, sagt Weltner programmatisch. In den ersten Jahren sind seine Sylvaner manchmal etwas reduktiv. Aber sie sind entwicklungsfähig – bis hin zum großen gereiften Wein.

Gerade auch bei seinem Großen Gewächs wird bewusst nicht zum letztmöglichen Zeitpunkt gelesen. 12,5 Prozent Alkohol sind ihm lieber als 13,5 Prozent. Dahinter verbirgt sich eine Frontstellung gegen den Trend zur frühen harmonischen Fülle und Freigiebigkeit. „Vollreife bedeutet immer eine gewisse Annäherung der Profile, so dass eine Spätlese vom Muschelkalk ähnlich schmeckt wie eine vom Keuper. Junge Weine sollten nicht zu viel exotische Früchte, Breite und Molligkeit zeigen.“

Dabei weiß er, dass gerade solche Weine bei Verkostungen sehr überzeugen können. „Aber ich möchte Gewächse mit Potenzial haben, die eine gewisse Reifung zulassen. Vollreif gelesene Weine sind oft schon gleich nach der Abfüllung auf ihrem Höhepunkt – und danach geht es, wenn auch vielleicht langsam, nur noch abwärts!“

Die wichtigste Lage, die Weltner bewirtschaftet, ist für den Sylvaner ideal: der Rödelseer Küchenmeister. Früher zählte diese Lage zur Spitzengruppe in Franken, geriet dann aber gegenüber Konkurrenten wie dem Würzburger Stein, dem Escherndorfer Lump, dem Randersackerer Pfülben und dem Iphöfer Julius-Echter-Berg ins Hintertreffen.

Dabei hat der Küchenmeister von der Exposition, von der Hangneigung bis 40 Prozent und von den skelettreichen, tonigen Mergel- und Gipskeuperböden her viel zu bieten. Sein Handicap: Er war zu lange und zu üppig mit Müller-Thurgau bestockt. Das hat dem Renommee geschadet.

Der Wiederaufstieg des Küchenmeisters gehört zu Weltners ehrgeizigsten Zielen. Aus diesem Grund erzeugt er sein Großes Gewächs vom Sylvaner bewusst nicht im berühmteren Julius-Echter-Berg, obwohl er auch da begütert ist, sondern im Rödelseer Küchenmeister.

Allerdings macht sich die Stauwärme, die sich am Fuße des Steigerwalds bildet, ebenso bemerkbar wie der Klimawandel allgemein: “Man bekommt seit 2003 leichter cremige, fette Silvaner“, hat Weltner beobachtet. „Da hatten wir in den letzten zehn Jahren einige Jahrgänge, in denen man direkt gegen die Fülle gegenanarbeiten musste. Wir hatten auch 2009 damit zu tun, und ich war froh, dass das Lesegut für das Große Gewächs nur 100° Öchsle hatte. Ab 100° Öchsle wird es nämlich schwierig, Spannung aufzubauen und Feingliedrigkeit zu erhalten.“

Eigentlich sind Weltner schwierige Jahre wie 2002, 2007 oder 2008 lieber als eines, das zwar als perfekt bezeichnet wird, aber einförmige, voluminöse Weine hervorbringt.

Weltner hat eine Küferlehre und eine Winzerausbildung absolviert, und er hatte das Glück, unter anderem in der Pfalz bei Hans-Jörg Rebholz und mit Hans-Günter Schwarz zu arbeiten, der nach seiner Zeit bei Müller Catoir viele junge Talente ausgebildet hat. Schwarz war es denn auch, der Weltner zum Anhänger der Theorie des „kreativen Nichtstuns“ gemacht hat. Sie besagt, dass der Wein nicht im Keller „gemacht“ wird, sondern im Weinberg wächst.

“Wenn man im Weinberg richtig gearbeitet hat, muss man im Keller fast nichts tun!”, ist Weltner überzeugt. Ein wenig experimentiert er im Keller allerdings schon. Ein Vollhefelager bis in den Januar hinein zum Beispiel, während alle anderen ihre Weine schon filtriert haben. Auf der Basis gesunder Böden und vitaler Reben gelingt meist auch die angestrebte, aber nicht sklavisch exerzierte Spontanvergärung – als offene Maischegärung eine wesentliche Grundlage der Herausarbeitung eines eigenen terroir-Charakters. Natürlich nimmt man dabei im Unterschied zur Verwendung von Reinzuchthefen das Risiko in Kauf, dass der Wein nicht durchgärt.

Gedüngt wird bei ihm fast ausschließlich mit Pferdemist und Rizinusschrot: ein aufwändiges Verfahren, das aber eine kräftige Humusdecke und eine ausgeglichene Nährstoffbasis fördert. Das Spritzen erfolgt überwiegend auf biologischer Grundlage – allerdings je nach Situation nicht ausschließlich.

Bei gut 50 Prozent Silvaner bleibt noch ausreichend Platz für andere Rebsorten. Der Weißburgunder hat mit 9 Prozent einen relativ hohen Anteil und wurde letztes Jahr sogar nachgepflanzt. Mit ihm kann auch das Bedürfnis mancher Kunden nach „Cremigkeit“ leichter erfüllt werden.

Aber Weltner gibt zu: „Der Weißburgunder hat seinen Platz in Franken noch nicht gefunden. Man muss mit dieser Sorte eine klare Linie entwickeln. Momentan gehen die Dinge etwas durcheinander: der Eine setzt das Barrique ein, der Andere arbeitet mit malolaktischer Gärung, der Dritte benutzt von beidem etwas, der Vierte baut klassisch aus. Das letzte Wort ist da nicht gesprochen.”

Außerdem erwähnenswert sind der mineralische Sauvignon, die mild-würzige Scheurebe und ein ehrgeiziger, im kleinen Holzfass ausgebauter Spätburgunder vom Gipskeuper des Küchenmeisters. Alles Weine, die, so Weltner, „Ansprüche an den Konsumenten“ stellen und „nichts für Einsteiger“ sind.

Weltners wirtschaftliche Basis bildet ein Stamm von 60 Prozent Privatkunden, die ihm auch in der Krise treu bleiben. Großabnehmer sucht er nicht, wohl aber schätzt er es, in der gehobenen und der Top-Gastronomie verstanden zu werden und gut vertreten zu sein – was ihm durchaus gelungen ist. Das Tantris in München, Herrmanns Posthotel in Wirsberg und das Schlosshotel Lerbach gehören zu seinen Kunden.

Übrigens: Im Gault Millau WeinGuide wird Weltner mit 2 von möglichen 5 Weintrauben bewertet, im Eichelmann mit 3,5 von möglichen 5 Sternen.

- Anzeige -spot_img
- Anzeige -spot_img

Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

Must know

- Anzeige -spot_img

Ähnliche Artikel

- Anzeige -spot_img