Robert Parker hat gestern die angekündigte Revision des Jahrgangs 2005 in Bordeaux veröffentlicht. Die neuen Bewertungen zeigen, dass er den von allen Seiten hoch gelobten Jahrgang ursprünglich stark unterschätzt hatte. Im Frühjahr 2006, als er das erste Mal die Fassproben verkostet hatte, waren ihm nur zwei Weine 100 Punkte wert: Ausone und Eglise Clinet. Jetzt sind es 12 Weine (Lafleur, Cheval Blanc, Haut-Brion, La Mission Haut-Brion, Pavie, Angelus, Bellevue-Mondotte, Peby Faugères, Troplong-Mondot und – grosse Überraschung – Larcis-Ducasse (ein Grand Cru B aus St. Emilion, der normalerweise zwischen 50 und 70 Euro kostet).
Der amerikanische Weinkritiker gibt zu, dass ihn bei der ersten Verkostungen vor zehn Jahren die Tanninmassen der 2005er Fassproben abgeschreckt hatten: „Das Tannin war brutal hart.“ Zur Erinnerung: die 2005er Weine weisen die höchsten je gemessenen Tanninwerte auf. Sie sind gelten deshalb als besonders langlebig und waren von den Châteaux selbst sehr hoch eingeschätzt worden.
Jetzt räumt Parker ein, dass sich die 2005er „extrem gut entwickelt“ hätten. Selbst unter den Crus Bourgeois und einigen generischen Bordeaux seinen grossartige Weine, die seinerzeit „für ein Butterbrot“ angeboten worden seien. Allerdings betont er, dass die 2009er und 2010er den 2005ern überlegen seien – „wenn auch nur ein wenig“.
Interessant ist, dass ein paar Weine die in sie gesetzten Erwartungen offenbar nicht erfüllt haben. Dazu gehört der Wein von Pétrus, dem er 2006 ein Potenzial für 96 – 100 bescheinigt hatte, und der jetzt bei 97+ stecken bleibt. Lafite (96) und Cos d’Estournel (97) wurden sogar um einen Punkt abgewertet.
Noch interessanter wird sein, wie sich das neue Rating auf die Preise auswirkt. Nachdem Parker Ende Dezember 2014 das Château Mouton-Rothschild besucht hatte und den 2005er massiv aufwertete (er gab ihm 99+ Punkte, nachdem der Wein im Jahre 2006 nur 94-96 Punkte erhalten hatte), zog der Preis für den Wein deutlich an (+ 25% seit Jahresbeginn). Der Markt spekulierte, dass der Mouton bei der jetzt publizierten Bewertung vielleicht die magischen 100 Punkte erreichen werde. Die Hoffnungen erfüllten sich nicht. Der Mouton-Rothschild landete jetzt bei 97 Punkten.
Auf dem falschen Fuss erwischt wurden auch jene Spekulanten, die in den 2005er Palmer investiert hatten. Dieser Wein erfreut sich seit Jahresbeginn einer massiven Nachfrage und ist plötzlich um 30 Prozent im Preis gestiegen. Im Gefolge der Mouton-Aufwertung hatten offenbar viele darauf gewettet, dass auch er (dem Parker einst das Potenzial zugeschrieben hatte, so gut wie der legendäre 1961er zu werden) das 100 Punkte-Maximum erreichen werde. Tatsächlich erhielt Palmer nur 98 Punkte.
Und noch ein pikantes Detail: Ende letzter Woche haben die Preise für die 2005er von Angelus, Cheval Blanc, La Mission Haut-Brion, Péby-Faugères und Larcis-Ducasse plötzlich stark angezogen. Der Parker-Artikel wurde aber erst gestern, also Montag, online gestellt. Wikileaks? Nein. Der neue Mehrheitseigentümer von Parkers Wine Advocate ist ein Bordeaux-Händler aus Singapur.