Dienstag, Dezember 10, 2024
0.4 C
München
spot_img

Parker und die 2012er Bordeaux: Begeisterung hört sich anders an …

Die Châteaux veröffentlichten diesmal früh Preise für die Weine des Jahrgangs 2012, überraschend früh. Und auch Parker ließ seine Leser nicht lange zappeln. Ende letzter Woche teilte er der Welt mit, wie viel Punkte seiner Meinung nach jeder einzelne Bordeaux-Wein wert sei. Es war, als wolle er kurzen Prozess mit dem Jahrgang machen.

Sein Gesamturteil über den Jahrgang klingt zunächst einmal ernüchternd: „kein großer Jahrgang“. Damit relativiert er einige der schönfärberischen Aussagen, mit denen gewisse Châteaux bereits in den Wochen vorher an die Öffentlichkeit getreten waren.

Pomerol und Pessac-Léognan vorn

Robert Parker
Robert Parker

Doch Parker hat differenziert. Pomerol und Pessac-Léognan seien „exzellent“. Aus diesen beiden Appellationen kämen Weine mit relativ niedrigen Säuren und reifem, süßen Tannin. Sie verdanken ihre gute Qualität der Merlot-Traube, die nach den Regenschauern Ende September und der darauf folgenden Hitzewelle vollreif gelesen werden konnte. Sie hat den Jahrgang gerettet.

In St. Emilion seien die Qualitäten nicht ganz so homogen. Dort gäbe es Top-Weine, die nicht weit von 2009 und 2010 entfernt sind, aber auch überextrahierte, adstringierende, ja ausdruckslose, gar hoffnungslos rustikale  Weine.

Hoffnungen zerstört durch späte Regenfälle

Weinlese 2012 in Bordeaux | Foto: © CIVB
Weinlese 2012 in Bordeaux | Foto: © CIVB

Im Médoc sei der Jahrgang dagegen nur „durchschnittlich bis leicht überdurchschnittlich“. Während die Winzer nach dem kühlen September auf einen Indian Summer spekulierten, machten die sintflutartigen Regenfälle zwischen dem 7. und 9. Oktober alle Hoffnungen zunichte. Auch die warme Herbstsonne danach konnte wenig helfen. Die Cabernet Sauvignon, die noch nicht physiologisch reif war, musste in dem Zustand, in dem sie war, gelesen werden – auch weil Fäulnis sich ausbreitete.

Durch arbeitsaufwendiges, strenges Verlesen, teilweise mit Laser-gesteuerten Sortierbändern, sei das Schlimmste verhütet worden. Aber ein Wunder ist nicht geschehen. Die Weine sind nach dem Eindruck des amerikanischen Star-Kritikers „charmant, mittelgewichtig, delikat ohne übermäßig viel Konzentration und Tannin“.  Drei Dinge bemängelt Parker an ihnen: Viele sind geschmacksarm („lack of mid-palate“). Einige weisen grasige, teilweise auch vegetale Noten auf. Oder sie sind tanninhart.

L’Eglise Clinet und Mouton-Rothschild Top-Scorer

Weinkeller in Bordeaux | Foto: © CIVB
Weinkeller in Bordeaux | Foto: © CIVB

Im Médoc erhielt die meisten Parker-Punkte (95-97) ausgerechnet der Wein von Mouton-Rothschild, der mit dem niedrigsten Preis aller Premiers eröffnet hatte. Es folgen mit 93-95 Punkten die Châteaux Haut Brion, Léoville-Las-Cases und Rauzan-Ségla (ebenfalls mit einem sehr niedrigen Eröffnungspreis). Etwas enttäuschend fallen Parkers Bewertungen für La Mission-Haut Brion, Pichon Lalande, Pichon Baron und Ducru Beaucaillou aus, geradezu katastrophal für Les Forts de Latour und Lynch Bages. Der von Parker nie sonderlich geliebte Wein von Figeac erhielt sogar nur 86-88 Punkte.

Kopfschütteln über Pavie und Angelus

Das Rechte Ufer wird angeführt von L’Eglise Clinet – laut Parker der einzige Wein, der das Potenzial für 100 Punkte hat (96-100). Es folgen Trotanoy (96-98), Pétrus (95-98+) und Ausone (95-97), das im letzten Jahr noch mit 100 Punkten glänzte. Pavie und Angelus, die als einzige ihre Eröffnungspreise massiv angehoben hatten gegenüber dem Vorjahr (nach dem Aufstieg in die Grand Cru A-Liga), haben Parker zufolge in 2012 recht respektable Weine abgeliefert (94-96). Trotzdem schüttelt der Markt den Kopf über deren Preispolitik: „Angelus und Pavie sind völlig durchgeknallt“, lässt sich Tom Jenkins von Justerini & Brooks in London vernehmen. „Da wird nichts laufen.“

Frustrierte Bordeaux-Trinker

En Primeur-Degustation | Foto: © CIVBÜberhaupt ist der Markt skeptisch hinsichtlich der Verkaufbarkeit des 2012ers. Die Händler loben zwar dessen gute Qualität, machen aber keinen Hehl aus ihrer Überzeugung, dass die Preise massiv sinken müssten, um die frustrierten Bordeaux-Trinker zur Rückkehr an den Markt zu bewegen. „Als einige Châteaux am Anfang der diesjährigen Kampagne mit Preissenkungen von über 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr herauskamen, tat sich was am Markt“, berichtet zum Beispiel Max Lalondrelle, Chefeinkäufer beim Londoner Bordeauxhändler Berry Bros & Rudd. „Doch kaum war das Interesse geweckt, fielen die Preissenkungen geringer aus und der Markt schlief wieder ein.“

Erst große, dann kleine Preissenkungen

Pavillon Rouge, der Zweitwein von Château Margaux, verbilligte sich nur noch um 12 Prozent (85 Euro ex négoçiant), Palmer nur um 1 Prozent (160 Euro). L’Evangile und Talbot wurden zum gleichen Preis wie im Vorjahr angeboten (100 beziehungsweise 26,50 Euro).

St. Emilion | Foto: © CIVB/P. Roy
St. Emilion | Foto: © CIVB/P. Roy

Dass die Parker-Benotungen dem lustlosen en primeur-Markt Leben einhauchen können, wird vom Handel bezweifelt. „Viele Weine werden gleich nach der Freigabe in 2015 trinkfertig sein“, gibt Will Hargrove vom Londoner Brokerhaus Corney & Barrow zu bedenken. „Sie eignen sich nicht für eine lange Lagerung und demzufolge auch nicht zur Spekulation.“

Außerdem seien die Preise der letzten drei Jahrgänge nach der Subskription kontinuierlich gefallen. Damit ist auch ein wichtiges Motiv für en primeur-Käufe entfallen. Ob die Käufer anbeißen, hängt schließlich von der Aussicht auf Zeichnungsgewinne ab – und diese Hoffnung scheint derzeit gering zu sein.

Parker geißelt Preisentwicklung

Parker selbst hat die Preispolitik der Châteaux abermals scharf gegeißelt: „Bordeaux steht am Scheideweg. Wenn die Platzhirsche, die Marktflüsterer, die Mächtigen nicht hören, wird es für Bordeaux keine Zukunft geben.“

Richtig gut, wenn nicht gar groß, sind in 2012 nur die trockenen Weißweine aus dem Graves. Sie lohnen den Frühkauf per Subskription, zumal die Preise im Sog der Rotwein-Baisse eher eine Tendenz nach unten aufweisen. Für die edelsüßen Sauternes war 2012 dagegen eine Katastrophe. Yquem, Rieussec, Raymond-Lafon und Suduiraut haben ihre gesamte Ernte deklassiert.

Bordeaux 2012

96 und mehr Punkte
L’Eglise Clinet 96-100
Trotanoy 96-98

Bordeaux 2012

95 und mehr Punkte
Petrus 95-98+
Mouton-Rothschild 95-97
Ausone 95-97

Bordeaux 2012

94 und mehr Punkte
La Mondotte 94-97
Pavie 94-96+
La Fleur-Pétrus 94-96
Troplong-Mondot 94-96
Hosanna 94-96
Cheval Blanc 94-96
Bellevue-Mondotte 94-96
Angelus 94-96

Bordeaux 2012

93 und mehr Punkte (Auswahl)
Gracia 93-95+
Beauséjour (Duffau Lagarrosse) 93-95+
Clos Fourtet 93-95
Rauzan-Ségla 93-95
Croix de Labrie 93-95
Haut Brion 93-95
Gazin 93-95
Larcis Ducasse 93-95
Belair Monange 93-95
Léoville-Las-Cases 93-95
Le Pin 93-95
Clos Fourtet 92-94

Bordeaux 2012

92 und mehr Punkte (Auswahl)
Pavie-Macquin 92-95
Pape Clément 92-95
Domaine de Chevalier 92-95
Beau-Séjour-Bécot 92-95
Lafleur 92-94+
Le Dome 92-94
Smith-Haut Lafitte 92-94
La Conseillante 92-94
Canon La Gaffelière 92-94
Palmer 92-94
Vieux Château Certan 92-94
Lafite Rothschild 92-94
Latour 92-94
Cos d’Estournel 92-94
La Fleur de Bouard „Le Plus“ 92-94
Clinet 92-94
Pavie-Decesse 92-94
Margaux 92-94
Montrose 92-94

Bordeaux 2012

91 und mehr Punkte (Auswahl)
Clos l’Eglise 91-94
La Mission-Haut Brion 91-94
Canon 91-94
Pontet Canet 91-94
La Gaffelière 91-93
La Fleur de Bouard 91-93
Haut Bailly 91-93
Rol Valentin 91-93
Pichon Lalande 91-93
Rayne Vigneau 91-93
Clos du Marquis 91-93
Malartic-Lagravière 91-93
La Violette 91-93
Clos Les Lunelles 91-93

Bordeaux 2012

90 und mehr Punkte (Auswahl)
L’Evangile 90-94
Pichon Baron 90-93
Valandraud 90-93
Cantenac Brown 90-93
Clos de l’Oratoire 90-93
Talbot 90-92
Petit Village 90-92
Ducru Beaucaillou 90-92
Balthus 90-92
La Lagune 90-92
Lascombes 90-92
Brane Cantenac 90-92
Monbousquet 90-92
Léoville-Barton 90-92
Calon-Ségur 90-92
Clos Marsalette 90-92

Bordeaux 2012

89 und mehr Punkte (Auswahl)
Certan de May 89-92
Batailley 89-91+
D’Aiguilhe 89-91
Léoville-Poyferré 89-91
Cantemerle 89-91
Les Forts de Latour 89-91
Kirwan 89-91
Beychevelle 89-91

Bordeaux 2012

88 und mehr Punkte (Auswahl)
La Providence 88-90
Les Pagodes de Cos 88-90
Poujeaux 88-90
Branaire-Ducru 88-90
D’Angludet 88-90
Labegorce 88-90
Lynch-Moussas 88-90
Alter Ego 88-90
Sociando-Mallet 88-90
Rauzan-Gassies 88-90
Domaine de l’A 88-91

Bordeaux 2012

87 und mehr Punkte (Auswahl)
Lynch-Bages 87-89
Clerc Milon 87-89
Carruades de Lafite 87-89
Pavillon Rouge 87-89
Grand Puy-Lacoste 87-89
Duhard-Milon 87-89
- Anzeige -spot_img
- Anzeige -spot_img

Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

Must know

- Anzeige -spot_img

Ähnliche Artikel

- Anzeige -spot_img