Castello Banfi hat nicht immer eine gute Presse gehabt: Zu groß erscheint der 850-Hektar-Betrieb für toskanische Verhältnisse, zu gewaltig die durch die Italo-Amerikaner John und Harry Mariani investierte Summe von geschätzten 100 Millionen Dollar für den Aufbau einer supermodernen winery nach amerikanischem Muster. Und das nicht in Chile oder Australien, sondern in der Traumlandschaft der südlichen Toskana, wo man in den 70er und 80er Jahren seine Vision vom einfachen Leben mit selbst erzeugtem Olivenöl, Wein aus der Bastflasche, Bauernhaus aus Naturstein und immer blauem Himmel träumen konnte.
Der satirische Schriftsteller Robert Gernhardt hat dem Thema mit bissigem Vergnügen den einen oder anderen Text gewidmet. Stattdessen Kolonnen von LKWs, die Tonnen von Zement herbeibrachten und sienabraune Erde abtransportierten, um ein megalaktisches Weingut aus dem Boden zu stampfen. Noch heute sieht Banfi aus wie eine Ölraffinerie inmitten sanfter Hügel und dunkler Zypressenalleen.
Die Weine versöhnten die Kritiker
Erst die Weine, die später erzeugt wurden, haben die Kritiker ein wenig versöhnt. Denn es waren (und sind) keine Industrieweine. Es sind saubere, önologisch perfekte Weine, vom einfachen Weißwein bis zur Brunello Riserva. Sie werden mit professionellem Ehrgeiz und wissenschaftlicher Akribie erzeugt, wobei Koryphäen aus Italien das nötige Know-how beigesteuert haben: etwa der Önologe Ezio Rivella und der Rebwissenschaftler Attilio Scienza von der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Mailand. Über zwölf Jahre lang wurden die Böden genauestens analysiert und kartiert und 600 verschiedene Sangiovese-Grosso-Klone untersucht, um am Ende drei zu selektieren: BF 30, Janus-10, Janus-50. Sie tragen die Hauptlast der heutigen Produktion.
Fassproben und abgefüllte Weine
Ich hatte bei einem Besuch auf Banfi Anfang November Gelegenheit, die gefüllten Brunello der Jahre 2008 und 2009 zu verkosten sowie Fassproben des Jahrgangs 2012 (heiß und zur Überreife neigend) und 2013 (ausgeglichen ohne Trockenstress) von drei anderen Sangiovese-Einzellagen Biadaioli, Mandrielle und Sorrena zu verkosten, die teilweise separat vinifiziert und abgefüllt werden (Mandrielle), teils als Bestandteil in den Banfi-Brunello eingehen.
Die Verkostung zeigte ziemlich deutliche Unterschiede zwischen den Lagen und beweist, wie stark die Sangiovese-Traube auf die unterschiedliche Zusammensetzung der Böden reagiert. Außerdem bot Banfi-Önologe Rudy Buratti an, die aktuellen Brunello-Jahrgänge 2009 und 2008 zu verkosten.
Die Weine
2009 Brunello di Montalcino | Castello Banfi
In der Nase Noten von Kirsche, Preiselbeere, trockenem Holz, Wild und besonntem Waldboden, am Gaumen relativ dicht, Anklänge an Kirsche mit etwas Bitterschokolade, einer Spur Teer und Jod, komplex und dicht mit langem Nachhall.
Bewertung: 90 Punkte
2008 Brunello di Montalcino Riserva „Poggio alle Mura“ | Castello Banfi
Weiche, leicht alkoholische Kirscharomen, nobel und elegant, am Gaumen feine Verbindung von reifen Kirschen, Preiselbeeren und Bitterschokolade, gute Balance zwischen Stoffigkeit und Transparenz, sehr langer Nachhall. Gelungener Wein.
Bewertung: 92 Punkte
Bezug: Superiore.de