Lieber Heiner,
Du hast in dem Blog auf Deiner Website neulich ein heikles Thema angeschnitten: „Weinbewerter: Qualität und Konstanz“. Viel von dem, was Du da schreibst, ist richtig, einiges ungerecht und in einem Punkt irrst Du. Das wichtigste Thema in diesem Zusammenhang aber schneidest Du gar nicht an: dass nämlich Weinbewertungen häufig irreführend und oft auch schwachsinnig sind, selbst wenn sie von kompetenten Leuten kommen.
Irreführend, weil sie dem Leser wenig helfen, in dem Ozean der Weine, der sich vor ihm auftut, die richtige Wahl zu treffen. Und schwachsinnig, weil sie meist mehr über den Bewerter als über den Wein aussagen. Du wirst vermutlich anderer Meinung sein. Aber da Du gemeinhin das Herz auf der Zunge trägst, will ich es hier auch mal tun.
Weinkritik ist so wichtig wie Theater- oder Kunstkritik
Zunächst muss ich präzisieren: Weinbewertungen sind natürlich weder Schwachsinn noch Irreführung. Sie sind wichtig. So wichtig wie Theaterkritiken, Buchrezensionen, Kunstkritiken. Schwachsinnig und irreführend sind die Punktbewertungen – zumindest dann, wenn man sie ernst nimmt. Aber das tun ja die meisten Weintrinker, sonst würden Parker und seine Sub-Tester nicht einen so großen Einfluss haben. Und die Weinhändler erst recht. Sie lassen keine Gelegenheit verstreichen, die Bewertungen der Kritiker aufzuführen und mit ihnen auf Kundenfang zu gehen.
Ja, einige Weinhändler verbiegen sich geradezu, um die passenden Punktwertungen in ihre Kataloge und Websites einzubauen. Wenn die Parker-Punkte nicht passen, drucken sie die Wertungen irgendwelcher Wald- und Wiesenkritiker ab. Manche Weinhändler halten sich sogar eigene Weinkritiker. Sie zahlen ihnen ein monatliches Salär dafür, dass diese die Weine ihres Sortiments hochpunkten oder schönreden. Viele dieser Lohnschreiber schmücken sich übrigens mit Titeln wie “Weinakademiker” oder “diplomierter Sommelier”.
Du weißt vermutlich, von wem ich rede. Eigentlich taugt der Ausdruck „Schwachsinn“ gar nicht für das, was da passiert. Es ist kühl kalkulierter Betrug am Kunden. Oder genauer: Es wäre Betrug, wenn nicht jeder frei wäre, sich eine eigene Meinung zu einem Wein zu bilden und diese unters Volk zu bringen, auch wenn sie mit Geld (oder flüssigen Naturalien) erkauft wurde. Ich finde, das hättest Du ruhig einmal erwähnen können.
Nun unternimmst Du in Deinem Blog-Beitrag ja gerade den Versuch, die Spreu vom Weizen zu trennen. Zur Spreu gehören neben den gekauften sicher auch die ehrlichen, aber dilettantischen Kritiker, die Weine beurteilen ohne Hintergrundwissen, ohne Vergleichsmöglichkeiten, ohne die Benchmarkweine zu kennen. Ich will Deine Meinung über die Kritiker/Publikationen, die Du vorgenommen hast, nicht kommentieren, auch nicht die (schmeichelhafte) Einschätzung meines Weinverstands. Nur so viel: Auch ich bepunkte gelegentlich Weine und habe schon Urteile gefällt, für die ich mich im Nachherein schäme. Oder über die ich schmunzeln muss.
Vorsicht vor hohen Punktzahlen
Mich beschäftigt vielmehr die Frage, was meine Urteile für Folgen haben, wenn sie richtig sind (oder waren). Häufig bin ich schon von Besuchern dieser Website angemailt worden, die mir mitteilen, dass sie einen von mir hoch bewerteten Wein gekauft hätten und tief enttäuscht waren. Ich muss ihnen dann wortreich erklären, dass eine hohe Bewertung keine Aufforderung zum Kauf ist. Jeder hat seinen eigenen Geschmack, seine eigenen Vorlieben, und Wein ist unendlich (in seiner Vielfalt). Der Verkoster kann, wenn er den Überblick hat, nur beurteilen, was gut und was weniger gut ist. Aber er weiß nicht, ob das Gute dem Leser schmeckt.
Nur ein Beispiel: Ich hatte neulich Chianti Classico Annata zu bewerten, also die jungen, mehr frucht- als tanninbetonten Weine aus der Toskana. Sie sind trinkfreundlich, relativ unkompliziert, preiswert und machen rund 70 Prozent der Produktion aus. Den besseren Vertretern dieser Kategorie habe ich 87, 88 oder 89 Punkte zugestanden. Es gibt aber auch Annata-Weine, die fast schon eine kleine Riserva sind. Haben mehr Struktur, mehr Komplexität, sind langlebiger: alles Punkte, die zählen. Streng genommen, sind sie wertiger. Also habe ich ihnen 90 und 91 Punkte gegeben. Würden sich Leser, die eine gute Annata suchen, an meinen Punkten orientieren, hätte ich sie auf eine falsche Fährte gelockt. Also habe ich sie vor meinen hohen Bewertungen gewarnt, damit sie keinen Wein kaufen, den sie vielleicht gar nicht mögen. Logisch im System, absurd im Resultat.
Die Kunden wollen nicht Dich kaufen, sondern Deinen Wein
Soviel zum Thema Irreführung. Jetzt komme ich, lieber Heiner, zu einem Punkt, bei dem Du nach meiner Meinung irrst. Die Aufgabe des Verkosters ist es, einen Wein möglichst objektiv zu beschreiben. Dazu braucht man seinen Kopf, nicht den Bauch. Klingt intellektuell. Aber jeder, der testet (egal ob Käse oder Kühlschränke) hat ein Koordinatensystem im Kopf, in das er die Weine einordnet. Dieses Koordinatensystem hat nichts mit guter Nase oder guter Zunge zu tun. Wir müssen es uns erarbeiten. Wer nicht weiß, was der Unterschied zwischen linkem und rechtem Ufer ist in Bordeaux und wie sich die Weine unterscheiden, wird zwar ein Urteil fällen können, aber ein sinnloses. Es hat keine Aussagekraft und interessiert niemanden. Du sagst, Du würdest mit Herz und Bauch urteilen. Ich behaupte: Das tust Du nicht. Würdest Du es tun, sagten die Punkte, die Du vergibst, nur etwas über Dich aus, über Deinen Geschmack, Deine Begeisterungsfähigkeit.
Deine Kunden wollen aber nicht Dich kaufen, sondern einen Wein aus Deinem Sortiment. Und die sind ja nicht so doof zu meinen, dass, was Lobenberg schmeckt, auch ihnen schmeckt. Sicher, Du hast Deine Fangemeinde. Die weiß genau, dass Du Dich durch alles durchtrinkst, wo Wein draufsteht. Und das seit Jahren. Dass Du Deine Winzer regelmäßig besuchst, immer ein bisschen zu hoch punktest und Dich gern in blumigen Weinbeschreibungen ergehst, die nichtssagend, aber lustig zu lesen sind. Die Fangemeinde weiß aber auch, dass Du in Wirklichkeit ein Koordinatensystem im Kopf hast, mit dem Du an die Weine herangehst und sie einordnest. Es ist Dir wahrscheinlich schon so weit in Fleisch und Blut übergegangen, dass Du meinst, es sei Bauchgefühl.
Worauf will ich hinaus mit dieser Aussage?
Dass kein ernst zu nehmender Weinkritiker mit dem Bauch urteilt. Alle benutzen ihren Verstand (selbst Parker und Du).
Zweitens: Dass Punktbewertungen selten dazu führen, dass einer “seinen” Wein findet.
Drittens: dass Punktbewertungen durchaus einen gewissen Unterhaltungswert haben können. Das ist ja schon mal was in der ansonsten bierernsten Welt des Weins.
Lieber Herr Reinisch,
aus Ihren Zeilen liest man heraus, dass Sie sich furchtbar ärgern über all die (angeblich oder tatsächlich) unqualifizierten Weinkritiker. Und über Leute, die deren Bewertungen wider besseres Wissen dennoch veröffentlichen. Also Leute wie mich. Wenn Wein so häufig Quelle des Ärgernisses ist wie für Sie, hätte ich längst aufgehört Wein zu trinken. Vielleicht fragen Sie sich mal, ob Sie nicht selbst an Ihrem Dauerfrust Schuld sind. Jeder Mensch, der halbwegs normal im Kopf ist, weiss doch, dass man Punkte nicht trinken kann, egal ob auf der 20- oder 100 Punkte-Skala. Verbraucher müssen vor Autoherstellern geschützt werden, die lügen, aber nicht vor Weintestern. Eine “Judikatur” ins Spiel zu bringen, die gute von schlechten Bewertern unterscheidet oder die selbst ein einheitliches Bewertungssystem einführt – das kann nicht Ihr Ernst sein. Soll ein Amtsrichter oder ein Weinbeauftragter der Regierung entscheiden, was für die Weintrinker gut oder schlecht ist? Welcher Wein 90 und welcher nur 89 Punkte verdient? Nein, die Weintrinker müssen schon selbst entscheiden, was sie trinken und was nicht. Beziehungsweise wem sie glauben und wem nicht. Bei Ihrer Veranlagung, sich über Weinbeurteilungen zu ärgern, kann Ihnen nur raten: kaufen Sie auf keinen Fall Weine blind. Probieren Sie sie selbst vor dem Kauf. Nie gab es so viele Möglichkeiten, Weine gratis zu verkosten wie heute. Verzichten Sie auf Subskription. Kaufen Sie Ihre Bordeaux, wenn die Weine physisch auf dem Markt sind. Wenn Sie keine Gelegenheit haben sollten, einen Margaux gegen einen Haut-Brion zu verkosten, um zu herauszufinden, welcher von beiden besser ist, dann würfeln Sie. Was immer dabei rauskommt, Sie werden einen grossartigen Wein im Keller haben. Zugegeben: Es soll Menschen geben, die unglücklich sind, wenn sie einen 99 Punkte-Wein im Keller haben, weil es sie quält, dass es ihnen nicht gelungen ist, einen 100 Punkte-Wein zu erwerben. Ich hoffe, Sie gehören nicht zu dieser Kategorie von Weintrinkern. Für solche Menschen empfinde ich nur Mitleid. Ich werde jedenfalls weiter auf weinkenner.de über Parker, Suckling, Galloni & Co. berichten, auch wenn ich von Punkt-Bewertungen wenig halte und weiss, wie unseriös einige Leute verkosten. Warum ich das tue? Um meinen Lesern eine grobe Orientierung zu geben – und um sie zu unterhalten. Ja, ich finde es teilweise lustig, wie sich die Herren und Damen in diesem Business gegenseitig unterbieten bzw. überbieten, und wie ernst die Märkte auf derlei pseudowissenschaftliche Beurteilungen reagieren. Zynismus? Ja. Aber dazu stehe ich und lasse es meine Leser auch merken. Ich jedenfalls nehme nur die Punkte ernst, die ich selbst vergeben habe. Wenn andere Weintrinker Vertrauen in mein Urteil haben, freue ich mich. Wenn nicht, freue ich mich noch mehr. Dann weiss ichnämlich, dass ich schlaue Leser habe, die wissen: Der Priewe kann, wenn er testet, sowieso nur sagen, ob Wein gut oder schlecht ist gemessen an dessen Anspruch, an dessen Preis, an den anderen Weinen der Appellation oder am Jahrgang. Stimmt. Ob ein Wein, den ich gut finde, auch meinen Lesern schmeckt, weiss ich nicht. Ich weiss aber, dass mancher Wein, den ich schlecht benotet habe, vielen Weintrinkern hervorragend schmeckt. Ich sage mir dann: Sie sind noch nicht reif für grosse Weine. Oder: Sie kennen nichts anderes. Trotzdem stellt sich angesichts dessen die Frage: Sind sie die Dummen oder bin ich es? Keine Ahnung.
Schönen Gruss,
Jens Priewe
Ich als normaler Weinkunde bin sehr wohl der Meinung das ein Weinkritiker die verdammte Pflicht hat, und sich auch seiner Verantwortung bewust sein sollte, mich bei der Auswahl meiner Weine zu Unterstützen. Wie soll zum Beispiel ein nicht im Bordeaux ansässiger Weinkäufer ( also ein ganz normaler Weinfreund ) sich bei einem etwaigen Einkauf (z.B. der Subscriptionen) verhalten. Auf welcher Grundlage entscheidet er sich, auf was soll er sich stützen. Was kann er als Entscheidungsgrundlage nehmen. Wenn er sich nicht auf die Beurteilungen der Bewerter verlassen kann, dann betrügt ihn der Bewerter, so einfach ist das. Muss der Kunde selbst ein Master of Wein Studium machen und seine Arbeit teilweise aufgeben um z.B. Weine aus dem Bordeaux Bewerten zu können und sein eigener Weinkritiker sein um ewione Weinauswahl treffen zu konnen. Oder ist es nur Privilegierten vorbehalten sich einen schönen, sprich Preis-Leistungsmäßig, guten Weinkeller aufzubauen. Die meisten Bewerter lassen sich das Lesen Ihrer Beurteilungen ja bezahlen. Also sind Sie auch verpflichtet korrekte Ergebnisse zun liefern. Auch Sie, Herr Jens Priewe unterliegen Ihren eigenen Argumentations-WirrWarr. Auf der einen Seite erklären Sie, es fehle vielen Kritikern die Kompetenz, auf der anderen Seite erklären Sie alle wieder als kompetent, siehe: (Aber jeder, der testet (egal ob Käse oder Kühlschränke) hat ein Koordinatensystem im Kopf, in das er die Weine einordnet.) Des weiteren sind die zu ihrer Belustigung in Umlauf gebrachten Bewertungen vieleicht Grundlage für manchen Weinkäufer für seine Entscheidung. Ob der das auch so lustig findet, ist fraglich.
Es wäre Erstrebenswert wenn die Judikatur einmal nicht zu Gunsten der Tester oder Bewerter entscheiden würde, sondern zu Gunsten der Verbraucher. Sehr schnell würde sich die Spreu vom Weizen trennen.
Sehr zum Wohle der Kunden sowie auch zum Schutz der korrekten Bewerter. Auch würde der Unfug von Unterschieden zwischen 17 Punkten ( 20er System) der-des einen, und 100 Punkten (100 System) der-des anderen Bewerters bzw. Bewerterinen, sich wahrscheinlich auf ein korrektes Maß einbendeln. Genau auf dieses korrekte Maß hat meiner Meinung nach der Nutzer dieser Bewertungsergebnisse, und auf Grund dessen Käufer von Weinen, ein Anrecht. Viele Bewerter und Kritiker sind Unternehmer, die wie alle anderen Handwerker und Erzeuger von Dingen, für Ihr Produkt in Haftung genommen werden müssen.
Der ganze Sprachkitsch bei Weinbewertungen sollte Aufhören und von einem vorgegebenen, objektiven und nachvollziehbaren, für alle gültigen und zu verwendenten Raster abgelöst werden. Objektiv und nachvollziehbar für den Kunden als Grundlage für seine eigenen Entscheidungen im Weinkauf. Nicht als Kugel im Weinbeschreibungsroulette, wo die Kugel nie gewinnen kann, aber Spieler reich macht.
Ich bin ein seit etwas über 20-zig Jahren von Weinbewertungen teilweise sehr frustierter Wein Fan.
Franz Reinisch, A 6600
Meiner bescheidenen Meinung nach mag eine Punktezahl einem Wein einen “Wert” geben, sowohl preislich, wie auch bewertend.
Dies mag zum “Aufbau eines Weinkellers” wichtig sein, beraubt Wein jedoch seiner eigentlichen Bestimmung.
Sinn und Zweck des Weines, Motivation für jede Stunde Arbeit, die in Rebe, Berg und Keller steckt, ist doch der Genuss des Weines.
Und wer den Genuss nur anhand von Punkten oder gar dem Preis fest macht, sollte lieber zum Wasser greifen.
Es gibt nicht den einen guten Wein. Nicht weil es so viele Weine gibt, sondern weil ein guter Wein die Trinkgelegenheit zum Genuss macht. Manchmal ist ein einfacher Terrassenwein, dessen einziger Punkt der Grüne Punkt ist, in der Situation genau das Richtige, manchmal darf es ein fetter Wein sein, der sich in das Gespräch drängt.
Parker und Konsorten können mit ihren Punkten helfen, aber eben manchmal auch stören.
Hinzuweisen bliebe noch auf PAR – ein Rating System das versucht nachvollziehbarer zu bewerten – um klarer kommunizieren zu können, warum wein x 89 und Wein y 90 Punkte bekommen hat.
Mir ist bei diesem Thema zuviel Redundanz unterwegs. Die sozialen Aspekte ästhetischer Urteile sind bereits seit Kant uneindeutig. Wie ein Wein bewertet wird, wer diese Bewertung liest, wer sie als Kriterium wählt, all das lässt sich nicht nach objektiven Kriterien analysieren. Was ist bitte ein guter Wein? Schmeckt dieser gut, ist dieser gut gemacht, schmeckt er gut und ist gut gemacht? Findet jemand, der von sich behauptet sich auszukennen und gibt das zum besten, dass dieser Wein gut gemacht ist? Verfügt diese Person über Charisma, kann sie dieses Charisma in ein Urteil umsetzen, dass andere überzeugt? Ist es dann ein Markenzeichen, dass ein Wein mit einer Parkerbewertung auch ein guter Wein ist? Trinke selber seit vielen Jahrzehnten Wein. Mehr will ich über mich gar nicht preisgeben. In den letzten Monaten habe ich viel im Netz angeschaut, blogs, Verkostungen auf youtube usw usw. Ich habe mehr oder weniger inszenierte Formate über mich ergehen lassen, die mir eher die Lust am Wein genommen haben, als diese zu beflügeln. Das gehört zur Idiosynkrasie meines ästhetischen Urteils. Ich verlasse mich lieber auf mich selber. Viel zu oft musste ich erleben, dass es DEN Geschmack des einen Weines gar nicht gibt. Dass der Genuss eine Interaktion der unterschiedlichsten Einflussfaktoren ist. Meine Tagesform, meine seelische Verfassung, das Wetter, mitunter vegetative Eibflüsse, die als solche kaum zu benennen sind. Dann habe ich mich gefragt, was bitte sind denn Weine, die eine Punktzahl von 90 Punkten erreichen? Richtig gute Weine? Aha. Was ist denn das? Was sind bitte Weine die womöglich 50-60 Punkte erreichen? Richtig mittelmäßige Weine? Trinkt das überhaupt irgendjemand? Überhaupt: Was passiert zwischen 1-80? Kommt gar nicht vor?! Will niemand haben?! Ist der Rede nicht wert? Verkauft sich auch nicht gut ein solches Urteil? Fragen über Fragen? Ja! Genau das! Mir bleibt das Gefühl über, Weinbewertungen sind ein Spielzeug mitteilungsfreudiger Weinspezialisten. Die es sich gegenseitig zeigen müssen, wollen und so. Mir scheint das oftmals aufgeblasen, substanzlos. Ich erinnere mich noch lebhaft an eine TV Verkostung, in der man Jes Priewe 3 mal denselben Wein zur Begutachtung vorgab und dieser sich ausschweifend über die unterschiedliche Qualität dieser Weine äußerte um sich später bitter darüber zu beschweren, man habe ihn absichtlich reingelegt. Ich will Weintrinkern gar nicht absprechen, dass sie über eine Menge know how verfügen. Dass sie gleichsam Meister ihres Fachs sind. Ein bisschen mehr Demut, Zurückhaltung, weniger Rampenlicht und Facebook und co täte alerdings insbsondere der Materie gut, dem Genuss am Wein, der mir bitte ein persönliches Erlebnis bleibt, dass ich so gar nicht im Netz mit irgendjemand teilen mag. Ich für mich nicht. Gerne kann und mag das jeder für sich anders entscheiden.
Werter Herr Meyhöfer,
besten Dank für Ihre höchst anregenden Ausführungen. Erlauben Sie mir bitte eine Frage: Was war das für eine TV-Verkostung, an die Sie sich noch so lebhaft erinnern? Haben Sie den Titel der Sendung, vielleicht sogar noch den Namen des Moderators parat?
Besten Dank!
Olaf Mertens
[…] das Thema nicht aus dem Kopf. Als Heiner Lobenberg vor kurzem das Thema aufgriff und anschließend Jens Priewe ihm antwortete, dachte ich wieder über einen Beitrag nach. Und wenn es einem nicht aus dem Kopf geht, dann muss […]
O, welch heikles, wunderschönes Thema.
Weinbewertung beziehungsweise Weinkritik mithilfe eines Punktesystems hat weder mit einem persönlichen »Koordinatensystem im Kopf«, noch mit wissenschaftlichen oder senso-physiologischen Grundlagen zu tun. Es ist schlichtweg die falsche Methode.
Das Problem derartiger Weinbewertungen liegt in der geringen Aussagekraft der Beurteilung: Die Vielschichtigkeit dessen, was Wein an Aromenstoffen zu bieten vermag, wird stupid in ein nummerisches Korsett überführt und als primitive Zahl ausgedrückt. Ein einfacher italienischer Landwein kann, wenn er gut und ehrlich gemacht ist, 94 Punkte erzielen, das heißt, eine Goldmedaille wert sein, ein schwächelnder Barolo hingegen gerade noch mit 84 Punkten und Silber nach Hause gehen. Woran soll ich mich als Weinkäufer da orientieren? Das Warum kann ich jedenfalls an den Medaillen, schon gar nicht an Punkten auf der Flasche ablesen. Punkte schmecken nicht.
Jancis Robinson sagte einmal: »Das Negative an Weinbewertungen ist, dass sie Objektivität suggerieren. Man kann nicht oft genug wiederholen, dass Weinbewertungen eine subjektive Angelegenheit sind: eine persönlich Meinung.«
Gegen die subjektive Meinung eines Weinkritikers ist im Grunde nichts einzuwenden, wenn das dem Weinfreund bekannt ist und seine Beurteilung nachvollziehbar, sprich: (be)greifbar dargestellt wird. Die »Bewertung« sollte jedoch in einer Form erfolgen, welche dem Weinfreund seinen Spielraum zur individuellen geschmacklichen Empfindung eröffnet, und zwar weder nummerisch, noch verbal, sondern visuell! Eine solche Lösung existiert bereits, ist jedoch noch nicht im Markt realisiert: vinxSystem.
Natürlich sind Weinbewertungen zunächst allesamt subjektive Einschätzungen. Allerdings lässt sich sehr wohl die Qualität eines Weines mit einiger Übung objektiv beschreiben. Und ich bin sicher, dass viele Weinkritiker dies können oder könnten. Leider verschwindet die Objektivität oder versteckt sich sehr gut in deren Rezensionen, da sich Objektivität nicht so schön liest.
Vorsicht ist in jedem Fall vor Medaillen geboten, da die Hürden in aller Regel viel zu niedrig angesetzt sind. Außerdem besteht das Problem der Vergleichbarkeit: Ist der Wein mit der Goldmedaille aus Bordeaux genauso gut wie der Dornfelder mit der Goldenen Kammerpreismünze?
Daher finde ich es gar nicht so schlecht, sich an einen Kritiker zu hängen, von dem man weiß, dass er einen ähnlichen Geschmack hat wie man selbst, auch wenn dieser ab und zu daneben liegt. Dazu gibt es ja berühmte Beispiele. Otto Normalverbraucher hat ja auch gar nicht die Zeit, das Geld und die Gelegenheit, sich durch hunderte von Weinen zu trinken. Da ist ein Anhaltspunkt doch praktisch.
Letztlich zählt selbstverständlich der eigene Geschmack aber 100 Punkte schmecken eben doch meistens sehr gut.
Hallo Herr Mehr,
besser hätte ich es nicht beschreiben können. Meinen Geschmack haben früher die – leider nicht mehr in der “Weinkritik” tätigen – Joel Payne und Armin Diel in der Zeitschrift “Alles über Wein” getroffen. Nach deren Kritiken konnte ich “blind” kaufen. Heute schustere ich vor dem Kauf die Punkte meherer Kritiker zusammen. Und da stimmt es allerdings: Ein Wein mit einer – gewichtet – höheren Punktzahl meiner Lieblinganbaugebieteschmeckt auch besser.
Sehr geehrter Herr Priewe,
Sie sprechen mir aus der Seele. Die Wertigkeit von Punkten & Co. für den Konsumenten schätze ich genauso ein.
Die Strafe für die intensive Nutzung von Bewertungen Dritter hat die Fachhändler eingeholt.
LEH und die Discounter können mit ihrem großen Werbebudget das Klavier besser spielen als wir ….
Hochbewertete Weine einzukaufen ist keine Kunst. Das kann jeder …
Die interessantesten Weine habe ich als Italienfan vor über 20 Jahren bei den YY Weinen im Gambero Rosso gefunden … meist zufällig. Seit 15 Jahren sind Bewertungen Dritter für mich Schall und Rauch.
Ich muss alle Weine verkosten, ehrlich gesagt trinken… nach meinem System “für mich” bewerten … Meine Bewertungen bringen den Kunden nicht weiter. Ihren Geschmack, ihren Wunsch muss ich einschätzen und dann den richtigen Wein zuordnen. Oder sie zu anderen guten Weinen hinführen … aber ohne Punkte und unendliche Storys. Klingt altbacken … aber auch das ist mir egal.
Aber gut, der Erfolg gibt letztendlich den anderen, erfolgreichen Händlern recht.
Ich gönne es ihnen.
Aber die Art des Handelns und Schönredens werde ich nicht mehr lernen.
Darum mache ich es ganz anders … aber klein, klein ..
Viele Grüße nach München
Rolf Cordes
PS. Wie Sie wissen kümmere ich mich als Idealist viel um Verschlüsse … 😉
Was hilft es mir als Konsument, abstrakte Diskussion über Punkte zu haben.
Ich habe soeben einenPetite Serène Bordeaux , von Lobenberg mit 91 Punkten bewertet, getrunken. Verglichen mit einem südafrikanischen Delheim Shiraz/ Cabernet Sauvignon war der Bordeaux eine Katastrophe. Die Eichung der Lobenberg-Skala, die 91 Punkte (v. 100) für den Bordeaux ergab ist jämmerlich.
Also: Vorsicht, Vorsicht, Vorsicht! mit den Lobenberg-Punkten.
Ich werde gerne fortan auch wo anders shoppen